parallax background

Spirituelle Tradition für sich selbst gut zu sorgen

20. Juli 2024

„Wenn du vernünftig bist, erweise dich als Schale und nicht als ein Kanal, der fast gleichzeitig empfängt und weitergibt, während die Schale wartet, bis sie erfüllt ist. Auf diese Weise gibt sie das, was bei ihr überfließt.“ So ein Tipp des Mönchs und Mystikers Bernhard von Clairvaux aus dem frühen Mittelalter zu dem, was wir heute Selbstfürsorge nennen. Statt sich zu verausgaben in all den alltäglichen Herausforderungen und so irgendwann wie leer zu werden, darauf achten, dass im eigenen Inneren genügend an Energie ist zu sein im Geben und Empfangen.

Besonders in Berufen, in denen Menschen für andere im pflegerischen und behandelnden, im begleitenden wie seelsorglichen Dienst unterwegs sind, ist Selbstfürsorge wesentlich. Ansonsten drohen ein Ausgebrannt Sein im Burn-out oder auch ein Erkalten des Mitgefühls im Cool-out. Doch nicht nur in einzelnen Berufen, sondern überhaupt ist Selbstfürsorge heilsam und gesund. Die Bibel beschreibt dies mit dem bekannten Gebot: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“ Wie auf einer Waagschale braucht beides gleiches Gewicht. In der alten Pali-Sprache des Buddhismus sind Mitgefühl und Selbstmitgefühl ein und dasselbe Wort, denn sobald sie ins Fließen kommt, betrifft die Kraft der herzlichen Zuwendung immer sowohl die verschenkende wie die empfangende Person.

Gegenwart Gottes

Dazu lädt das Evangelium Jesu ein. Seine JüngerInnen hatte er ausgesandt in die Städte, um heilsam den Menschen zu begegnen, nun waren sie zurückgekehrt und Jesus sagte: „Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus!“ Meist verbinden wir mit Einsamkeit und dem allein sein etwas Belastendes oder gar krank Machendes, was womöglich mit unserem tief verankerten Anspruch zu tun hat, stets aktiv und unterwegs zu sein. Im Evangelium wird die Einsamkeit und in ihr das allein sein zur Kraftquelle. Es ist dies kein dauerhaftes allein sein – schon bald kamen wieder viele Menschen zu Jesus und seinen JüngerInnen, und er hatte Mitleid mit ihnen. Wörtlich übersetzt heißt es hier: es ward ihm weh ums Herz: sein Mitgefühl regte sich, und er erkannte, dass sie „wie Schafe waren, die keinen Hirten hatten“. Jesus konnte den Menschen ermutigend und heilend begegnen aus der Erfahrung heraus, selbst liebevoll aufgehoben und gehalten zu sein. Eine Erfahrung, die ihm in der Stille der Einsamkeit, erlebt als Gegenwart Gottes, zuteilwurde. Für ihn war klar, dass die Liebe Gottes im Menschen unmittelbar ist, bedingungslos und unzerstörbar. Von daher lehrte er die Menschen, sich selbst als von Gott Beschenkte freundlich anzunehmen, um so selbst zu Schenkenden zu werden.

Selbstmitgefühl haben

Obwohl Selbstfürsorge so wohltuend ist, fällt es doch manchmal schwer, sie zu leben. Wie sehr ist aus christlicher Erziehung eingeprägt, die Nächstenliebe als höchsten Anspruch zu sehen und dabei die Selbstliebe zu vernachlässigen? Das „liebe deinen Nächsten“ kann dann zu einem abzuleistenden Dienst werden einem gestrengen und einfordernden Gott gegenüber. Statt der anderen Person ist dann nur noch das eigene Ego im Sinne einer Pflichterfüllung im Blick. Da ist es gut, die alten spirituellen Traditionen zu achten mit der Einladung, immer wieder innezuhalten und die Schale im Innern der Seele sich füllen zu lassen, bevor sie erneut überfließen kann. Das kann in verschiedener Weise geschehen: in einer Auszeit, in Meditation, im Urlaub, mit Musik, beim Lesen, im Anschauen der Kunst oder auch nur zwischendurch im bewussten Atemholen – es braucht allerdings den Mut, die Kette der eigenen Ansprüche des „Ich muss“ zu unterbrechen, um sich zu lassen in liebevollem Aufgehobensein. Dann können Selbstmitgefühl und Mitgefühl in eins gehen und neu wirken.

Christoph Kunz | Markus 6, 30 – 34

 

Feedback 💬

Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert