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Ungewöhnliches Kunstprojekt in der JVA Werl

11. März 2020

Ein ganz starkes Kunstprojekt, dass die Betrachter in einem großen Gefängnis beschäftigt und bewegt – so etwas ist nicht alltäglich. Durch die Zusammenarbeit der Ausstellungsersteller, des Vereins für Straffälligenhilfe Werl und der Gefängnisseelsorge wurde dies ermöglicht. Glaube und Gesellschaftskritik vereinen sich im „Weg der Hoffnung“, einem Kreuzweg der vom bildenden Künstler, gelernten Schmied und promovierten Philosophen Dr. Ulrich Barnickel am Point Alpha, dem von Militärstrategen vermuteten ersten Schlachtfeld des 3. Weltkriegs, mitten auf dem Todesstreifen der innerdeutschen Grenze, errichtet wurde. Dieser Kreuzweg am besonderen Ort ließ Dr. Michael Thiemeier nicht los und so reiste der Kinderarzt im Ruhestand mehrfach dahin um den Kreuzweg zu fotografieren. Gemeinsam mit Franz Loke konzeptionierte er die Ausstellung, die erstmals in der Justizvollzugsanstalt Werl zu sehen war.

An mehreren Abenden waren interessierte Strafgefangene zur Besichtigung, Erklärung und Diskussion eingeladen und das Angebot kam hervorragend an: Insgesamt 14 Strafgefangene zwischen 25 und 67, die meisten von Ihnen verbüßen lebenslängliche Haftstrafen oder befinden sich in Sicherungsverwahrung, waren vor Ort, um den besonderen Kreuzweg kennenzulernen. Der Hintergrund des Künstlers machte den besonderen Kreuzweg für alle ansprechend: Dr. Barnickel durfte in der DDR nicht studieren, absolvierte eine Ausbildung und konnte erst nach mehreren Ausreiseanträgen den Arbeiter- und Bauernstaat verlassen. Um alle Besucher anzusprechen hatte er jeder Station einen religiösen und einen weltlichen Namen gegeben und mit viel Symbolik – vom NVA-Stahlhelm, bis zum Grenzzaun-Material – die staatliche Unterdrückung mit der Unterdrückung Christus ins Verhältnis gesetzt.

Von links: 2. Dr. Michael Thiemeier, 5. Franz Loke, 9. Pfarrer Adrian Tillmanns, 12. Alexander Bödecker, 13. Claudia Hermsen.

Dr. Thiemeier und Loke gingen mit den Inhaftierten, den Seelsorgern Pfarrer Ryszard Krolikowski und seinem evangelischen Amtsbruder Adrian Tillmanns, sowie Alexander Bödeker und Claudia Hermsen vom Verein für Straffälligenhilfe Werl von Station zu Station. Dabei gab Dr. Thiemeier einen Einblick in Kunst und Hintergrund und schnell entsponnen sich angeregte Diskussionen. Alle Unterschiede verflogen angesichts der starken Eindrücke und es wurde auf Augenhöhe diskutiert. Auch bei der abschließenden Runde mit Getränken und Keksen gab jeder persönliche Ein—und Ansichten Preis: „Ich bin tief beeindruckt, denn das Bild vom Straucheln, Stürzen und wieder aufstehen hat mich angesprochen. Auch ich will wieder Aufstehen“, sagte ein Strafgefangener. Ein anderer erklärte angesichts der rostigen Stahlskulpturen, er müsse es erst einmal verarbeiten seinen Herrgott so zu sehen.

Einer äußerte die Kritik, für den Wert des Kunstwerks hätte man auch vielen Menschen, etwa in Afrika helfen können, ein anderer fragte laut, ob Jesus selbst sich wohl lieber in den Schrott-Skulpturen sehe, als in einer goldenen Monstranz. Schließlich hätte jeder Mensch auch seinen „Lebensschrott“ und Jesus sei ja gerade für die reuigen Sünder und Gefallenen da. Als der Abend endete hatte sich eine Gemeinschaft aus allen Anwesenden gebildet und jeder war tief beeindruckt. Pfarrer Tillmanns berichtete am Rande auch von intensiven Gesprächen mit Mitarbeitern, die diese Ausstellung besucht haben. Auch sie zeigten sich stark berührt.

Peter Körtling | Der Dom

Christlicher Kreuzweg

Die Point Alpha Stiftung hat den Weg der Hoffnung zur Erinnerung an den Widerstand gegen die kommunistischen Diktaturen in Mittel- und Osteuropa errichtet: Volksaufstand in der DDR am 17. Juni 1953, Ungarn-Aufstand 1956, Prager Frühling 1968, Solidarnosc-Bewegung in Polen in den 1980er Jahren und in der DDR die großen Friedensdemonstrationen 1989. Alle diese mutigen Formen des Aufbegehrens waren Ausdruck eines unauslöschlichen Freiheitswillens und zugleich des Glaubens daran, dass Menschen auch das schier Unmögliche verändern können, wenn sie mit dem Mut der Verzweiflung für ihre Überzeugungen eintreten und bereit sind, Opfer zu bringen.

Der Weg der Hoffnung knüpft mit seinen 14 Stationen an den christlichen Kreuzweg an, um die Menschen anzuregen, ihren eigenen Schicksalsweg in schwieriger Zeit zu erinnern und im Sinne eines „nie wieder“ zu reflektieren. Mit den Assoziationen, die die Themen der einzelnen Stationen wecken, z.B. Willkür und Erniedrigung, Mit-Leid und Solidarität, wird Raum gegeben für persönliche Erfahrungen.

App – Rundgang

Zahlreiche Besucher pilgern zum Kunstprojekt der Point-Alpha-Stiftung auf dem Todesstreifen der ehemaligen DDR-Grenzanlagen. Es wurde eine App zum „Weg der Hoffnung“ von Parzellers Buchverlag veröffentlicht. In dieser App erfährt man viel über das Kunstwerk und den Künstler. In ansprechenden Bildern und Texten, Video- und Audioeinspielungen werden die einzelnen Stationen beschrieben und eingeordnet. Auch das Innehalten mit Meditationen und Gebeten wird mit einem eigenen Menüpunkt ermöglicht. Sprecher der Texte ist hier Stadtpfarrer Stefan Buß. Inhaltliche Grundlage der App ist das Buch zum „Weg der Hoffnung“ von Peter Hannappel. Entwickelt wurde die App von der Firma OBCC (Parzeller-Gruppe) und sie ist im App Store und im Google Playstore für 1,99 € erhältlich.

 

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