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Unternehmer-Qualifizierung (Ex-) Gefangener?

13. Juli 2020

“Einmal Lump, immer Lump” – mit diesem Vorurteil haben viele Strafgefangene zu kämpfen. Dabei wird übersehen, dass viele Gefangene ein anderes Leben führen möchten und in der Gesellschaft wieder Fuß fassen wollen. Entscheidend ist allerdings, dass sie über genügend Wissen, Selbstvertrauen und gute Berater verfügen, um später ihr Geld auf legale Art und Weise zu verdienen. „Leonhard“ heißt das Projekt in München, das Inhaftierte herausfordert und qualifiziert. Benannt ist es nach dem Heiligen Leonhard aus dem 6. Jahrhundert, dem Schutzpatron der Gefangenen. Das Programm trägt den Untertitel: „Unternehmertum für Gefangene“.

„Wer einen Drogenring aufgebaut hat, der hat definitiv eine Ahnung von Marketing, Vertriebswegen und Mitarbeiterführung“, sagt die Geschäftsführerin von Leonhard, Maren Jopen. Diese Fähigkeiten in legale Bahnen zu lenken, genau darauf zielt das Projekt „Leonhard – Unternehmertum für Gefangene“. Gegründet haben es Maren Jopen und ihr Vater Bernward Jopen. In dem 6 monatigen Kurs innerhalb der JVA München werden geeignete Gefangene in der Anstalt in Sachen Unternehmensmanagement, Kommunikation, Ethik im Geschäftsleben und anderen Themen trainiert. Die zweite Phase findet nach der Entlassung statt. Persönlichkeitstrainings sollen helfen, selbstbewusst und zielorientiert seine Zukunft zu gestalten. Strafgefangene erhalten so eine wirtschaftliche Weiterqualifizierung.

Die Idee des Leonhard Programms

Als Gründer eines kleinen Dienstleistungsunternehmens sind sie unabhängig von Arbeitgebern, die sich möglicherweise mit einem vorbelasteten Lebenslauf schwer tun. Doch auch Strafgefangene, die als Angestellte in einem Unternehmen arbeiten möchten, werden ausgebildet. Der Vorteil: Sie denken und handeln unternehmerisch und werden zu wertvollen Mitarbeitern. Wieder Fuß fassen, nicht rückfällig werden, eine sichere Chance sehen – dafür steht Leonhard. Groß ist die Gefahr, wieder in den kriminellen Strudel zu geraten, wenn es mit dem Beruf nicht klappt. Ein erneuter Strafvollzug kostet nicht nur Steuergelder, sondern im schlimmsten Fall neue Opfer. Denn bei vielen Verurteilten besteht großes Potential, ist sich die Geschäftsführerin Maren Jopen sicher. „Es wurde nur in die falsche Richtung geleitet.“ Wer nach der Entlassung allzu lange auf eine bezahlte Beschäftigung warten muss, gerät schnell in Versuchung, wieder den “leichten” Weg einzuschlagen und mithilfe von Straftaten an das nötige Geld zu kommen. So haben manche Betrüger oder Drogendealer viele „unternehmerische“ Erfahrungen gesammelt. Diese Ressourcen legal und nicht gegen Menschen einzusetzen, ist Aufgabe und Herausforderung zugleich.

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Strafgefangene werden wieder entlassen. Der neue Lebensabschnitt mit der Knasterfahrung gestaltet sich schwierig. Die Begleitung „danach“ ist oft dürftig bis nicht vorhanden. Vielleicht wird ein ehemaliger Gefangener von der Bewährungshilfe begleitet, doch diese steht in der strafenden Instanz. Unsicherheit macht sich breit und es gibt eine Vielzahl an Anlaufschwierigkeiten, die es zu bewältigen gilt. Der gemeinnützige Verein arbeitet mit etablierten Einrichtungen zur sozialen Wiedereingliederung zusammen. Gemeinsam mit diesen Institutionen unterstützen sie vor allem nach der Entlassung. Jeder Leonhard-Absolvent erhält einen festen Ansprechpartner, der ihn ganz individuell berät, betreut und bei Schwierigkeiten zur Seite steht.

Nach 10 Jahren wird Programm eingestellt

Das Leonhard-Programm wird leider nach 10 Jahre komplett eingestellt. Laut den Angaben des Vereins sind die persönlichen Kontakte im Strafvollzug derzeit kaum möglich. Weitere Auswirkungen der Corona-Krise sind noch nicht abschätzbar. Der Leonhard-Ansatz, nämlich die persönliche und vertrauensvolle Interaktion zwischen den Teilnehmern und den am Kurs beteiligten Personen, ist für den Erfolg des Programms essenziell und nicht ersetzbar. Dies ist in der Coronazeit nicht mehr umsetzbar.

„Die fehlende Bereitschaft des Bayerischen Justizvollzugs, einen Teil der Verantwortung für das Leonhard-Programm zu übernehmen, hat uns das Leben sehr schwer gemacht“, so der Gründer in seinem Brief. Die finanzielle Unterstützung aus dem Justizhaushalt blieb aus. Nach dem Auslaufen der Finanzierung aus den Mitteln des Europäischen Sozialfonds im Jahr 2015 wurde das Leonhard-Programm zu 70 bis 80 % aus einem Arbeitsmarkt-Förderungsprogramm der Agentur für Arbeit fortgesetzt. Die Nachfrage nach den 19 zur Verfügung stehenden Plätzen war mit 40-50 ernsthaft interessierten Gefangenen pro Halbjahr hoch. Die zur Verfügung stehenden Ausbildungsplätze wurden jedoch aufgrund der besonderen Herausforderungen im Justizvollzug zum Teil nur zu 65 % belegt.

Neues Pilotprojekt?

In den letzten zehn Jahren hat die Initiative 269 Teilnehmer erfolgreich ausgebildet und betreut. Die Rückfallquote mit einer erneuten Inhaftierung im Vergleich zum Bundesdurchschnitt wurde um 41 % gesenkt. Das betreute Einzelwohnen im eigenen Übergangshaus im Münchner Süden und die damit verbundene Betreuung suchtmittelabhängiger Absolventen des Leonhard-Programms wird Ende 2020 leider auslaufen. Vor einem Jahr wurde noch versucht, das Leonhard-Programm in Nordrhein-Westfalen zu implementieren, leider ohne Erfolg. Es soll ein neues Pilotprojekt konzipiert werden. Hierzu setzen die Verantwortlichen auf die Unterstützung und Erfahrungen von Menschen, die im Vollzug tätig sind.

Mehr Infos unter leonhard.eu

 

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