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Unter den Engeln in Bethlehem ist einer, der schweigt

25. Dezember 2024

Weihnachtsmorgen 2024: Unter den Engeln von Bethlehem ist einer, der schweigt. Es hat ihm die Sprache verschlagen. Das Lied von der großen Freude, es scheint ihm unangebracht. Selbst in der Heiligen Nacht. Er hat das Elend gesehen. Unter den Engeln von Bethlehem ist einer, er weint mit dir. So schreibt die Theologin Tina Wilms.

Souvenirladen in der polnischen Stadt Krakau.

Tappen im Dunkeln

Dieses Wort trifft vermutlich die Lebenssituation nicht weniger Menschen, derer, die das schreckliche Auto-Attentat auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt erlitten haben, derer, die unter Krieg und Gewalt leiden: Es trifft die Situation leidender Menschen generell. Mir tun die Worte gut. Sie geben meinem Schweigen, sie geben den Tränen Raum. Sie berücksichtigen, dass nie alle in den Lobpreis einstimmen können. Mit diesen Gedanken schaue ich in das Weihnachtsevangelium: Als die Engel in den Himmel zurückgekehrt waren, machten sich die Hirtinnen und Hirten auf. Nachdem die Engel Gottes verschwunden sind und der Himmel wieder dunkel geworden war, gehen sie los. Das Licht ist längst erloschen. Es wird ein Tappen im Dunklen. Die Herausforderung wird sein, im Säugling den Retter zu finden, der nicht strahlend und offensichtlich in die Welt kommt.

Total menschliche Geschichte

Ähnliches hören wir, als der Engel Gabriel Maria sagt, dass sie ein Kind bekommen wird: Im Anschluss an ihre Bereitschaftsbekundung heißt es: Danach verließ sie der Engel. Menschen, die losziehen, die Worten Glauben schenken, gehen nicht zwingend im Licht los, sondern quälen sich durch die Nacht. Mitunter gehen sie als Verlassene. Wir wissen, wie steinig der Weg der Maria war. Der Dornwald, von dem wir in einem Lied singen, war nicht nur der Weg ihrer Schwangerschaft: Sie verstand ihren eigenen Sohn nicht, und ihre Liebe konnte ihn nicht vor Leiden und Sterben bewahren. Was ist das anderes als eine total menschliche Geschichte? Zu Weihnachten gehört darum nicht nur, dass die Engel singen, zu Weihnachten gehört auch, dass die Wege schwer sind. Wer die Krippe mit dem hellen Licht in der Kirche betritt, steht eben nicht nur im Licht, er muss sich einen Weg bahnen, und genau hinschauen.

Engel schweigt und solidarisiert sich

„Unter den Engeln von Bethlehem ist einer, der schweigt.“ Niemand überredet ihn, sein Schweigen zu brechen. Niemand zwingt ihn zum Jubel. Er ist mittendrin zwischen denen, die singen – und die lassen ihm Raum. Er macht sich nicht von dannen. Solange es auch nur einem Menschen elend geht, schweigt mindestens ein Engel. „Das Lied von der großen Freude, es scheint ihm unangebracht.“ Auch dieses Gefühl darf sein – und die Frage, ob nicht manches Loblied auch vom Wegschauen lebt, vom Ausblenden des Elends. „Unter den Engeln von Bethlehem ist einer, er weint mit dir.“ Jemand ist mir in meinen Tränen Schwester oder Bruder. Jemand solidarisiert sich. Jemand gibt meiner Trauer recht. Jemand signalisiert, dass es dem Himmel nicht egal ist, was mit mir ist. Ich muss mich nicht überfordern, muss mein Empfinden nicht wegdrücken. Ich darf auch Tränen überströmt zur Krippe, um den zu finden, der nicht nur mit mir weint, sondern sie irgendwann einmal trocknet. Wer, wenn nicht er?

Bernd Mönkebüscher

 

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