Die TeilnehmerInnen der ökumenischen Arbeitsgemeinschaft Sicherungsverwahrung (SV) bekamen bei ihrem Treffen einen Einblick in die räumliche und konzeptionelle Ausgestaltung der SV in der JVA Freiburg im Breisgau. Räumlich beengt, bietet die JVA Freiburg 50 Plätze für die Unterbringung von Sicherungsverwahrten an. Erfreulich ist die hohe Kontinuität, mit der die Fachdienste personell die Betreuung der untergebrachten Männer gewährleisten.
Im Gespräch mit der Leitung zeigten sich jedoch die aus anderen SV-Einrichtungen bekannten Probleme: das Abstandsgebot zwischen Strafhaft und Sicherungsverwahrung wird faktisch nicht immer eingehalten, es mangelt an geeigneten Aufnahmeplätzen für aus der Sicherungsverwahrung zu entlassende Männer, die Anzahl älterer, mobilitätseingeschränkter Männer in der SV nimmt zu, das Motivierungsgebot ist für die MitarbeiterInnen eine große Herausforderung, ebenso die Ratlosigkeit im Umgang mit Männern, die sozialarbeiterisch und therapeutisch nicht behandelt werden können. Der Therapieoptimismus, wie er nach der Gesetzesnovelle von 2013 formuliert worden ist, ist in Frage zu stellen.
Betreuer versus Bewerter
Zum Themenschwerpunkt „Betreuer versus Bewerter“ berichtete ein Mitarbeiter des Fachdienstes „Soziale Arbeit“ aus der SV der JVA Schwalmstadt über die Crux, sowohl für die Betreuung als auch für die Bewertung der Klienten in der SV zuständig zu sein. Einerseits muss Vertrauen aufgebaut werden, um mit den anvertrauten Männern behandlerisch arbeiten zu können, andererseits müssen die MitarbeiterInnen der Fachdienste Stellungnahmen für die gerichtlichen Instanzen verfassen, die für den Fortgang und die Dauer der Sicherungsverwahrung mitentscheidend sind – für die BehandlerInnen eine Situation zwischen den Stühlen, die zu einer „Schere im Kopf“ führt – und nicht selten zu Gewissenskonflikten. Die in der SV untergebrachten Männer befinden sich in einem Zwangskontext, aus dem heraus nur schwer motiviert werden kann. Zudem leiden die Fachdienste unter einer zunehmenden Bürokratisierung ihrer Arbeit, was dann zu Einschränkungen bei der Betreuungszeit führt. Helfen, Vertrauen aufbauen und gleichzeitig beurteilen ist nicht hilfreich für die Bearbeitung destruktiver Persönlichkeitsanteile.
Rolle der Seelsorge
Davon zu unterscheiden ist die Rolle der Seelsorge, die nicht bewertet und die verschiedenen Wahrheiten in der Beurteilung aushält. Sie wird gebraucht, um vor dem Hintergrund der Schweigepflicht in einem Graufeld das zu ermöglichen, was die Fachdienste nicht dürfen oder können. Die Menschen können sich hier aussprechen ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen. Die professionelle Distanz darf geringer sein. Die Seelsorge kann Hoffnungserfahrungen vermitteln sowie Ohnmacht teilen und aushalten. Hilfreich ist eine gute Vernetzung zwischen den Diensten. Die Seelsorge kann vermittelnd und unterstützend da tätig werden, wo das „System“ an seine Grenzen kommt. Dieses steckt fest, wenn aus der „Sicherungsverwahrung“ kein „Behandlungsvollzug“ wird, und wenn keine Perspektiven über die Verwahrung hinaus eröffnet werden können.
Alexander Obst | JVA Berlin-Tegel