parallax background

Sprachlos vor Corona? Ein großes Trotzdem

12. Dezember 2020

Wir sind im harten Lockdown mit denselben Einschränkungen wie der Lockdown im Frühjahr 2020. Nur der Profisport darf weitermachen. Es ist nach meinem Eindruck absehbar, dass dieser Lockdown im Blick auf die psychischen, soziologischen und wirtschaftlichen Folgen erheblich viel ernster sein wird als der Lockdown im Frühsommer, da dieser im Blick auf die Jahreszeit einfach besser zu ertragen war, als das bei einem Lockdown in der dunklen Jahreszeit möglich sein wird.

Wir leben als Gesamtgesellschaft in der Überzeugung von der grenzenlosen Machbarkeit – und das ist nun keine billige Technikkritik aus den 70er Jahren, die sich gegen die Industrialisierung und die damit verbundenen zerstörerischen Folgen für die Umwelt richtet; vielmehr steht hinter den Strategien zum Umgang mit der Klimakrise unter der Voraussetzung, dass wir die Entwicklung des Gesamtklimas der Erde in die Hand nehmen, planen und so organisieren können, dass bis 2050 sich die Erde, wie man dann sagt, nur um zwei Grad erwärmt. Bitte lösen Sie jetzt Ihren Blick wieder von der Klimadebatte – wir reden über Corona, und mir geht es mit diesem Hinweis nur darum: wir leben insgesamt im Glauben an die grenzenlose Planbarkeit und Machbarkeit – und so gehen wir mit der Pandemie auch um: Wir definieren Grenzwerte, die nicht überschritten werden dürfen – 50 Erkrankungen pro 100.000 Personen in einem Zeitraum von 7 Tagen – und wenn diese Grenze erreicht ist, werden Maßnahmen ergriffen, die in der öffentlichen Wahrnehmung unter dem Anspruch stehen, dass sie das Problem beseitigen, indem sie die Ansteckungsrate wieder unter diesen Grenzwert senken. Der Umgang stellt – auch in den Erläuterungen durch die Verantwortlichen – eine Analogie dar zu Maschinenräumen; wenn der Zeiger zu weit ausschlägt, wird der Hebel betätigt und Druck von der Maschine genommen.

Das Virus in der Krippenlandschaft im baden-württembergischen Renningen-Malmsheim mit der Aufschrift „Fürchtet Euch nicht“. Foto: Pfarramt St. Bonifatius. 

Man ist rasch bei den üblichen Verdächtigen

Die Lösungen erweisen sich dann teilweise als nicht zielführend, teilweise als rechtswidrig, und sie haben zudem extrem negative Konsequenzen für die Gesamtgesellschaft bzw. für bestimmte Berufsgruppen; wir ruinieren – beispielsweise – mit den Gegenmaßnahmen ganze Felder unserer Kultur: vom Studentenleben und der Diskussion in Seminaren angefangen bis hin zur Buntheit der Clubszene und der Kulturevents auf allen Ebenen, Konzerte und Museen ebenso wie Jazzkeller und Bands. Und damit habe ich von den extremen wirtschaftlichen und auch gesundheitlichen Folgen der Gegenmaßnahmen noch gar nicht gesprochen. Die Grenzen der Machbarkeit und der Planbarkeit zeigen sich eben nicht einfach darin, dass uns die Menschen massenhaft unter den Händen wegsterben – das ist nicht der Fall, bislang jedenfalls nicht. Die Grenzen der Planbarkeit zeigen sich vielmehr ebenso sehr darin, dass jede Maßnahme, mit der möglicherweise Leben gerettet werden, gesellschaftliche Auswirkungen hat, die niemand wollen kann.

Die Grenzen der Machbarkeit und der Planbarkeit gestehen wir uns durchschnittlicher weise nicht ein, sondern wir können sie nur so ertragen, dass wir Schuldige suchen und finden – und nun glauben Sie nicht, dass ich jetzt mit dem Finger ausschließlich auf rechte Verschwörungstheoretiker zeigen werde. Natürlich ist sind Corona-Leugner Verschwörungstheoretiker in billigster Weise auf der Suche nach Schuldigen – aber es ist selbstverständlich auch eine Suche nach Schuldigen, wenn in seriösen Tageszeitungen verantwortungslose Jugendliche oder Urlaubsreisende für regionale Ausbrüche verantwortlich gemacht werden – und wie rasch man bei den ‚üblichen Verdächtigen‘ ist, wird deutlich, wenn man ebenfalls in seriösen Tageszeitungen im Sommer liest: nicht einfach Urlaubsreisende, sondern solche aus Südosteuropa; nicht einfach Familienfeste, sondern türkische und arabische Hochzeitsfeiern, und so fort, wurden in den letzten Monaten für das Losbrechen der ‚Zweiten Welle‘ verantwortlich gemacht – und natürlich die Jugendlichen insgesamt und die Corona-Leugner von rechts mit verantwortungslosen Demonstrationen.

Die Suche nach Sündenböcken gibt es nicht nur auf der Rechten. Und natürlich hat das auch eine Ratio: wenn die besten Pläne doch scheinbar so erfolgreich waren und es dann plötzlich alles schlechter wird – dann muss das an einem Gegenwillen liegen, und der wird mit Personen und Gruppen identifiziert. Das spielt dann auch ins Lächerliche – Meldung im Juni des Jahres: importierter Lachs als Auslöser. Oder Trumps Verantwortungslosigkeit wird verantwortlich gemacht oder im Gegenzug: the China virus.

Ist das Corona-Virus nicht beherrschbar?

Dabei ist es doch vermutlich so, dass das Coronavirus sich im Sommer nicht wesentlich durch unseren grandios disziplinierten Lockdown hat beeindrucken lassen, sondern dass ihm durch die sommerlichen Temperaturen die Luft ausgegangen ist, und dass pünktlich mit dem Herbsteinbruch die Infektionszahlen wieder steigen, wie es eben auch die Grippe nur im Winterhalbjahr gibt: In Australien gab es im Juli und damit im dortigen Winter einen Lockdown, und wir bekommen ihn eben im Dezember. Britische Wissenschaftler haben das schon im Juni prognostiziert. Das bedeutet: Es ist zu erwarten, dass sich in den kommenden Monaten die Einsicht durchsetzen wird, dass das Corona-Virus nicht beherrschbar ist. Es mag sein, dass wir seine Ausbreitung durch radikale Lockdown-Maßnahmen etwas begrenzen können – aber das ist ein Preis, den niemand unter uns auf die Dauer zahlen will.

Diese Feststellung impliziert die Einsicht, dass die Corona-Krise nicht mehr ein Gegenstand der technischen Bewältigung ist, sondern die Anerkennung erzwingt, dass wir an diesem Punkt einem unverfügbaren Geschick ausgesetzt sind, das uns zu wählen zwingt zwischen der Ausbreitung einer Krankheit, die für Menschen Vorerkrankungen lebensgefährlich ist, und einer Eindämmung, für die wir einen horrenden gesellschaftlichen Preis zahlen – und damit meine ich nicht nur die wirtschaftlichen Folgen. Das ist nun mit Sicherheit etwas, was dieses Virus und alle seine Folgen deutlich machen: wir mögen uns noch so sehr als Herrinnen der Welt fühlen – aber unserer Planung und unserem Willen sind Grenzen gesetzt. Das ist übrigens das ‚Wahrheitsmoment‘ von Verschwörungstheorien: wir tendieren dazu, in dem, was wir erfahren, gerade in dem Unverfügbaren, Zerstörerischen und Überwältigenden, einen Willen zu identifizieren. Identifizieren: wir fragen nach einem verständlichen Willen, den man kritisieren und bekämpfen kann, dem wir ein Gesicht geben, um ihn handhabbar zu machen.

Virus ruiniert die individuelle Lebensplanung

Dass die Weltgesellschaft sich einer unverhofften Bedrohung ausgesetzt sieht, angesichts derer sie alle wirtschaftlichen und kulturellen Kälber schlachtet, ist genau die Erfahrung, die die Religionen der Welt unter dem Wort ‚Gott‘ zur Sprache bringen – und sie reden damit gerade nicht, wie die durchschnittlichen Verschwörungstheorien links und rechts und in der Mitte, von menschlichen Gruppen oder Personen. Sondern sie reden von der Erfahrung eines mitwirkenden, zuweilen störenden und zerstörenden Mitspielers unseres individuellen und kollektiven Lebens, der mit keiner der Gruppen identisch ist, die wir als Verschwörungstheoretiker aufzählen könnten. Damit ist noch keine Deutung des Geschehens verbunden, wohl aber eine Erinnerung an den Erfahrungsboden der ‚conditio Iacobaea‘, des Vorbehalts des Jakobus(briefes): „…wenn der Herr will, werden wir leben und dies oder das tun“ (Jak 4,15).

Das Virus bringt die Grenzen menschlicher Planung und die Unverfügbarkeit und Verletzlichkeit der Grundlagen unserer Gesellschaft zum Vorschein, und zwar mit einer Wucht und Entschiedenheit, dass sich dieser Einsicht eigentlich niemand entziehen kann. Das Virus ruiniert die individuelle Lebensplanung von Treffen und Festen angefangen über berufliche Vorhaben bis hin zum Urlaub. Das Virus betrifft und unterbricht die politischen und gesellschaftlichen Ziele und Planungen und verwirrt die Prioritäten; an die Stelle des Ideals der globalen Gemeinschaft, an die Stelle der angesichts des Brexit noch beschworenen übernationalen Einheit tritt die Aufgabe der Abschottung und Begrenzung auf kleine nationale, regionale oder sogar familiale Einheiten oder die völlige Isolation in der Quarantäne. Das Virus manifestiert die Zerbrechlichkeit des menschlichen Planens und die Relativität hehrer Ziele – und stellt uns sehr ernsthaft vor die Frage, ob es nicht irgendwo Werte und Ziele gibt, die größer und wichtiger sind als das Überleben – bitte bedenken Sie: ich sage das sehr bewusst als Angehöriger der Alters-Risikogruppe.

Im baden-württembergischen Renningen wurde das Corona-Virus in die Krippenlandschaft integriert. Foto: Pfarramt St. Bonifatius. Mehr bei regioTV…

Die Frage nach dem Sinn?

Es geht nun nicht darum, zu sagen: gut, wir Christen wissen, dass da draußen irgendwo ein Gott ist, und der hält die Fäden in der Hand. Sondern es geht darum, dass genau diese Erfahrung, dass wir nicht die Herren im Haus unseres Lebens sind, der Ausgangspunkt ist. Das Wort ‚Gott‘ bringt diese Erfahrung auf den Punkt. Die Rede von ‚Gott‘ gibt also keine irgendwo existente und vielleicht aus der Bibel bekannte Ursache einer Erfahrung an die Hand, sondern das Wort Gott fasst unsere Erfahrung, dass wir uns selbst nicht in der Hand haben, zusammen. Damit ist zunächst keine Sinndeutung verbunden, wohl aber eine Erschließung dessen, was wir meinen, wenn wir ‚Gott‘ sagen: Unser Leben ist nicht in unserer Hand, sondern in ihm erfahren wir einen Mit- und Gegenspieler, der zuweilen und meistens unauffällig bleibt, dessen Gegenwart wir beschweigen, der sich zuweilen aber zerstörerisch meldet und alle unsere Pläne durchkreuzt.

Und dann stellt sich angesichts der Sinnlosigkeit und Unverständlichkeit die Frage nach dem Sinn, als Frage, wie man sich einen Reim auf das Ganze machen kann. Gerade die Vielfalt der Auswirkungen, der vielen negativen, der katastrophischen und der zuweilen auch individuell positiven Auswirkungen (Entschleunigung!), die das Virus hat, erlaubt keine eindeutigen Antworten – erlaubt in der Tat keine Deutung als Strafe oder als Versuchung oder als Prüfung oder als Geschenk, erlaubt auch keine Reduktion auf ethische Anweisungen. Wir erfahren uns als einer Macht ausgesetzt, aber wir wissen nicht, worauf das Ganze hinaussoll und womit wir rechnen müssen. Die Christen sprechen hier nicht nur von Gott, sondern von der Verborgenheit und Uneindeutigkeit seines Willens. Sie erkennen den Gott, von dem sie zu sprechen gewohnt sind und den sie im individuellen und gottesdienstlichen Gebet ansprechen, in diesem dunkel wirkenden Willen nicht wieder. Der in Christus offenbare Gott, der das Leben will, schweigt und verhüllt sich.

Ein großes Trotzdem

Der christliche Glaube hat keine kleinteiligen Deutungskompetenzen, so dass wir eindeutig sagen könnten, wozu dies Ereignis und wozu jenes gut ist. Allerdings spricht der Glaube in besonderer Weise von Gott: gegen die Erfahrung und im Vertrauen auf den in Christus offenbaren Willen Gottes zum Menschen und zur Gemeinschaft. Der Glaube verkündet diesen Willen als Ziel aller Wege Gottes, auch der verborgenen und dunklen. Dass Gott ‚ein Freund des Lebens‘ ist, wie eine Denkschrift sagt, ist, für sich genommen, eine Aussage von falscher Eindeutigkeit. Das ist nicht ohne weiteres so. Gott handelt ebenso im Tod, in der Krankheit, in Katastrophen. Der Mit- und Gegenspieler wirkt das alles, schweigend, gleichgültig und unwiderstehlich. Dass die Kirche angesichts dessen von Gott als dem ‚Freund des Lebens‘ spricht, ist Ausdruck des Vertrauens auf das Offenbarwerden Gottes in Christus – ein großes ‚Trotzdem!‘

Den Tod neben dem Leben, die Krankheit neben strotzender Gesundheit, die vernichtende Katastrophe neben der Güte der Natur erfahren alle Menschen – und die meisten Menschen geben diesem Gegenspieler einen Namen, in den vielen Verschwörungstheorien und Schuldzuweisungen, die mitnichten nur von politisch Rechten vollzogen werden. Die Anhänger theistischer Religionen widersprechen diesen Schuldzuweisungen, indem sie von allen menschlichen Handelnden einen Mit- und Gegenspieler des Lebens unterscheiden und nach seiner Absicht fragen. Und jedenfalls die Christen unter diesen Anhängern theistischer Religionen halten daran fest, dass Gott in seinem verborgenen Willen all das wirkt, aber letztlich nicht mit der Krankheit, dem Tod und der Vernichtung paktiert, sondern auch im Tod und durch den Tod hindurch auf das Leben hinauswill, durch die Gottverlassenheit zur Auferstehung, durch die Aufhebung der Gemeinschaft zur Wiederherstellung. Dass Gott zuletzt und endlich das Leben will, widerspricht der Lebenserfahrung auch der Anhänger Jesu unter dem Kreuz – und doch verkünden sie dies: er ist auferstanden.

Gemeinschaft in der Natur der Insel Wangerooge. Foto: Hartmann

Die Aussage des Vertrauens

In diesem Sinne ist Gott ein Freund des Lebens. Das ist keine Feld-, Wald- und Wiesen-Theologie, die sich an die schönen Seiten der Wirklichkeit hält und zu den Übeln nichts mehr zu sagen weiß, sondern das ist eine Aussage des Vertrauens, das sich angesichts der Erfahrung der Machtlosigkeit, des Kreuzes und des Todes an das Wort von der Auferstehung hält, das den Tod nicht aufhebt, ihm aber eine Richtung gibt: auch der Tod, die Krankheit, die Katastrophe ist getragen von Gottes Freundschaft zum Leben. Das Leben in seiner Fülle, das dem Nächsten nicht nur digital, sondern mit Seele und Leib zugewendete und verbundene Leben ist das Ziel der Wege Gottes, auf das auch sein verborgenes Handeln ausgerichtet ist. Angesichts des verborgenen und dunklen Handelns Gottes auf diese Zusage zu vertrauen und diesem Willen zum Leben zu dienen – das ist Glaube.

Diese Deutung hat dabei eine sehr klare orientierende Funktion, denn sie stellt uns vor die Aufgabe, zu unterscheiden zwischen dem offenbaren und dem verborgenen Handeln Gottes, zwischen der Faktizität des Todes und dem Vertrauen auf den Willen zum Leben. Und diese Deutung stellt uns vor die Aufgabe, zu verstehen, was Leben – die Behauptung, dass Gott das Leben will – eigentlich bedeutet. Einige Beispiele: Ist es wirklich so, dass das Leben der Güter höchstes ist? Klaus Mertes vom Canisiuskolleg hat in der Gegenwart diese Frage Friedrich Schillers gestellt; ich nehme sie auf. Selbstverständlich ist es eine Aufgabe, Leben zu retten – aber das physische Leben hat nach christlicher Überzeugung eine Bestimmung zur Gemeinschaft. Wir reden nicht einfach vom Leben, das der Wille Gottes ist, sondern wir reden vom zur Gemeinschaft bestimmten Leben, das dem in Christus offenbaren Willen entspricht. Der Schutz des physischen Lebens muss geleitet sein von der Einsicht, dass unser Leben zur Gemeinschaft bestimmt ist und ohne Gemeinschaft auf die Dauer genauso zerstört wird wie durch Krankheit und Tod. Hier stehen die Christen, so scheint mir, auf unterschiedlichen Ebenen wirklich vor der Aufgabe, die Gesellschaft immer wieder daran zu erinnern, dass in der – zeitweilig möglicherweise unverzichtbaren – Isolierung von Alten oder Kindern die Frage nach der Bestimmung des menschlichen Lebens nicht vergessen werden darf.

Gott will die Gemeinschaft

Es darf nicht sein, dass gerade die Alten isoliert und nicht einmal seelsorgerlich begleitet werden oder – das kam durchaus vor – im Sterben nicht begleitet werden. Und halbstündige Treffen mit einzelnen Angehörigen oder die Kommunikation durch eine Glasscheibe dürfen jedenfalls nicht auf Dauer gestellt werden, so dass Menschen unter diesen Bedingungen ihre letzten Monate verbringen. Gott will die Gemeinschaft mit den Menschen und unter den Menschen – und zwar al leibliche Gemeinschaft! Das manifestiert sich in der Menschwerdung Gottes, und das hat die antidoketische Tradition der Kirche immer festgehalten: Gott tritt durch einen Leib in die menschliche Gemeinschaft; und der Schöpfungssegen gilt der körperlichen Gemeinschaft von Liebespaaren. Dass dies und nicht die resignierte Feststellung, dass es nach Corona nie wieder so sein werde wie vorher, der Wille Gottes ist und die Botschaft der Kirchen sein muss, scheint mir unverzichtbar zu sein. Davon müssen wir reden, die Hoffnung auf volle Gemeinschaft müssen wir wachhalten; wir dürfen uns nicht in der Prüderie des Digitalkontaktes und des Waschzwangs einrichten, sondern die Kirchen haben die Aufgabe, angesichts des unverzichtbaren Schutzes des physischen Lebens festzuhalten und zur Geltung zu bringen, dass dieses Leben leibhaftig gemeinschaftsbezogen ist, und sie muss auf der Rückkehr zum gemeinschaftsbezogenen Leben bestehen. Digitale Gemeinschaft ist besser als nichts, aber sie ist kein Ersatz auf Dauer, sondern eine Notlösung!

Schweigen zu Syrien und Mali

Es gibt andere lebensbedrohliche Gefahren. Es kann nicht sein, dass die Kirche – wie geschehen – angesichts der uns auf den Leib gerückten Bedrohung so tut, als gebe es die vielen anderen Bedrohungen menschlichen Lebens, gegen die sie sich bis Januar 2020 eingesetzt hat, plötzlich nicht mehr. Es mag sein, dass einer säkularen Gesellschaft unter einer Bedrohung die Grenzen Europas oder des eigenen Landes zur Grenze der Blickschärfe werden – aber das im März eingetretene Schweigen der Kirchen zur Situation in Syrien oder in Mali oder an den Grenzen Europas ist ohrenbetäubend! Das öffentliche Gebet ist unverzichtbar. Die Bitte nicht nur um das physische Überleben, sondern um das Leben im Vollsinn menschlich-leiblicher Gemeinschaft muss in öffentlichen Gebeten laut werden, in denen Gott gegen sein dunkles Handeln auf seine Verheißung angesprochen und bei ihr behaftet wird: dass der Mensch zur leiblichen Gemeinschaft bestimmt ist und dass auf dieser Gemeinschaft Gottes Segen liegt.

Prof. Dr. Notger Slenczka | Systematische Theologie Dogmatik, Humboldt Universität zu Berlin

Drucken

 

Feedback 💬

Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert