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Sorge um Angehörige in Corona-Zeit besonders groß

24. November 2020

In jedem Jahr packt die Gefängnisseelsorge im niedersächsischen Emsland Weihnachtstüten. In diesem Corona-Winter könnte das Geschenk auch ein wichtiges Signal sein, denn viele Inhaftierte fühlen sich isoliert – jetzt noch mehr als sonst. Kaffee, Tabak, Schokolade, Kuchen, Orangen und eine Karte mit einem lieben Gruß: Damit füllen der Meppener Gefängnisseelsorger Heinz-Bernd Wolters und seine Kollegen im Dezember 600 Weihnachtstüten.

Kurz vor Heiligabend verteilen die Seelsorger diese Geschenke an die Gefangenen der vier emsländischen Justizvollzugsanstalten (JVA) – vor allem an diejenigen, die nicht viel Geld, keine Familie oder auch sonst kaum Kontakt „draußen“ haben. Finanziert wird die Aktion aus Spenden. 6000 bis 7000 Euro braucht die Gefängnisseelsorge dafür und das Team hofft, dass das Geld trotz der Corona-Krise dafür wieder zusammenkommt. Denn die Gefangenen freuen sich nach Worten des Pastoralreferenten sehr darüber. „So mancher hat Tränen in den Augen, wenn er die Tüte auspackt.“ Weil er sonst kein Präsent bekommen würde und weil jemand an ihn gedacht hat.

Kaffee, Gebäck und Süßes packt Gefängnisseelsorger Heinz-Bernd Wolters in die „Weihnachtstüten“ für Inhaftierte. Foto: Privat

Im Gefängnis isolierter als je zuvor

Und in diesem Jahr könnte dieses Geschenk noch eine höhere Bedeutung haben, denn inmitten der Corona-Krise fühlen sich viele Inhaftierte nach Wahrnehmung der Seelsorger noch isolierter als ohnehin. Wolters erzählt von den Kontaktbeschränkungen, die den Alltag in der Haftanstalt seit Frühjahr prägen. Zu Beginn durften die Insassen zeitweise gar keinen Besuch empfangen, danach höchstens eine Person und Kinder erst ab 14 Jahren – und alles nur mit Maske und Trennscheibe. Wolters kennt mehrere Väter, die ihre Kleinen seit März nicht mehr gesehen haben. „Die würden dafür sogar hinterher in eine Quarantäne gehen.“ Video-Anrufe per Skype müssen dann die Kontakte ersetzen oder ein Telefonat aus der Zelle. Wolters ist froh über die „Haftraumtelefonie“ in Niedersachsen. Letztere kostet aber Gebühren „und die kann sich nicht jeder leisten.“

Während des Lockdowns jetzt gilt nach seinen Worten wieder ein Besuchsverbot. Auch die Ehrenamtlichen, die die Inhaftierten regelmäßig besuchen, dürfen nicht in die JVA. Wolters kann die Regeln mit Blick auf die Infektionsrate gut nachvollziehen. „Es gibt viele Risikogruppen unter den Gefangenen“, sagt er und mag gar nicht daran denken, was passiert, wenn das Virus in einer Haftanstalt die Runde machen sollte. „Und das verstehen die Leute. Sie nehmen wahr, dass das alles ihrem Schutz dient.“

Handschlag als Zeichen des Respekts wird vermisst

Auch die Gefängnisseelsorge muss ihre Arbeit anpassen. „Wir müssen achtsam sein“, sagt der Pastoralreferent. „Wir kommen von draußen hinein, wir könnten eine Gefahr sein.“ Maske, Desinfektion, Abstand und Trennscheiben sind selbstverständlich. „Wir sitzen in unseren Büros weit auseinander und in der Zelle stehen wir in verschiedenen Ecken.“ Gottesdienste finden statt, aber ohne Eucharistie, um Risiken zu minimieren. „Außerdem müsste Pfarrer Kribber dann von Anstalt zu Anstalt fahren und im Moment bleibt jeder aus unserem Team in seiner JVA“, erklärt Wolters.

Was auch nicht geht – sich zur Begrüßung und zum Abschied die Hand geben. Und das vermissen sowohl Bedienstete als auch Inhaftierte schmerzlich. „Das hat hier einen ganz anderen Stellenwert.“ Für die einen zeigt diese Geste Verbundenheit, anderen gilt sie als Zeichen des Respekts. „Es hat etwas damit zu tun, sich auf Augenhöhe zu begegnen.“ Natürlich drehen sich die Gespräche, die Wolters und seine Kollegen führen, oft auch um das Thema Corona: vor allem um die Sorge um die Angehörigen „draußen. Wenn die Familien in einem Gebiet mit hohen Infektionszahlen leben, würden die Leute am liebsten jeden Tag da anrufen oder sie sehen“. Genau das eben nicht zu können, „das tut ihnen schon weh. Ich kann mir vorstellen, dass mancher nachts eine Träne verdrückt“. Auch dass die Inhaftierten in der Regel derzeit nicht zu einer Beerdigung fahren könnten, wenn Eltern oder Geschwister gestorben sind, sei eine große Belastung.

Das Thema „Weihnachten“ treibt  die Menschen in den Gefängnissen um – besonders die Frage, ob Besuche erlaubt sein werden. Die Seelsorge und der Sozialdienst wollen „auf jeden Fall“ versuchen, eine Weihnachtsfeier zu organisieren. „Das müssen wir aber anders als gewohnt machen“, sagt Wolters und ist froh, dass es bei der Anstaltsleitung „eine große Offenheit gibt, „über solche Dinge nachzudenken“. Eins wird sicher Bestand haben für diese Feier: die Hilfe vieler Frauen aus Wolters Heimatort Stavern. Die backen seit Jahren leckere Kuchen und Torten für dieses Treffen. „40 Stück an der Zahl – es sieht dann bei uns aus wie in einer großen Konditorei.“

Petra Diek-Münchow | Kirchenbote Osnabrück

 

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