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Perlenschnur unheilvoller Erklärungen aus Rom

22. März 2021

Das Nein der vatikanischen Glaubenskongregation zur Möglichkeit der Segnung homosexuell liebender Menschen löst in Deutschland heftige Kritik aus. Nach Ansicht des Theologen Matthias Sellmann von der Universität Bochum lässt der Vatikan mit seiner Entscheidung sowohl die Bischöfe als auch die Gläubigen im Stich. Es ist einer der Tiefpunkte, an denen die kirchlichen Beziehungen zwischen dem Vatikan und der deutschen Ortskirche angekommen sind.

Vor einigen Wochen hat uns das Winterhoch namens „Margarethe“ fest im Griff. Eisige Temperaturen herrschen da, wo eigentlich Frühling angesagt wäre. Metaphorisch ausdrucksstark lässt sich diese meteorologische Situation auf den klimatischen Tiefpunkt beziehen, an dem die kirchlichen Beziehungen zwischen dem Vatikan und der deutschen Ortskirche angekommen sind. Die Erklärung der vorigen Woche mit dem Verbot von Segnungen homosexueller Partnerschaften hat die diplomatische Temperatur noch einmal um etliche Grade in den Keller sinken lassen.

Soll Autorität Roms neu etabliert werden?

Wissen die Akteure in Rom und wissen die sofort aufspringenden Claqueure eigentlich, was sie da anrichten? Wissen sie, dass sie den Segen Gottes zu ihrem Selbsterhalt instrumentalisieren? Wissen Sie, dass Verbote nur dann etwas Positives bewirken, wenn das Gegenüber sich dabei gesehen und geachtet fühlen kann? Die Glaubenskongregation lässt besonders die deutschen Bischöfe in einzigartiger Weise im Stich. Man muss es so hart sagen. Das jüngste Papier reiht sich wie auf einer Perlenschnur unheilvoller Erklärungen auf. Sie alle haben den Zweck, die deutschen Bischöfe in die Enge zu treiben. Man liest sie als Voten des Misstrauens und der Missbilligung. Der Synodale Weg soll diskreditiert, die Reformgegner sollen gestärkt, die Autorität Roms soll neu etabliert werden.

Solches Vorgehen erhöht schuldhaft die Gefahr einer Beschädigung der gesamten katholischen Kirche. Die vor Spaltung warnen, machen sie wahrscheinlicher. Verbote wie das der vorigen Woche provozieren Unverständnis, Enttäuschung, Zorn und Widerstand – gegen den Inhalt wie gegen den Stil. Rom scheint die pastorale Situation in Deutschland entweder nicht zu kennen oder einer Theologie zu folgen, der es gleichgültig ist, was verdiente Seelsorgerinnen und Seelsorger, Priester und Laien, Räte und Verbände, Theologinnen und Theologen und eben auch Bischöfe in breitester Übereinstimmung für verantwortlich halten.

Unmissverständliche Solidarität beweisen?

Die Bischöfe werden nun weiter zerrieben zwischen den pastoralen Dynamiken an der Basis, den massiven Anfragen der Gesellschaft und der Loyalität zu Rom als dem Zentrum der katholischen Christenheit. Niemand, der Autorität beanspruchen und zum Wohle aller einsetzen will, bringt die seiner Führung Anvertrauten in solche Bedrängnis. Diplomatie bedeutet auch im kirchlichen Binnenverhältnis, dass man wechselseitig auf Gesichtswahrung bedacht ist. Wer diesen Grundsatz außer acht lässt, macht sich an den einsetzenden Abwehrreaktionen mitschuldig.

Wie man es aber dreht und wendet: Die Liebe schulden wir Christinnen und Christen einander immer (Röm 13,8) – sogar vor allem dann, wenn man sich nicht respektiert fühlt. Die Liebe zur Weltkirche in den deutschen (Erz-)Bistümern wird sich in diesen Wochen an dreierlei beweisen: an der unmissverständlichen Solidarität zu homosexuell lebenden Menschen; an einer neuen energischen Investition in einen kreativen und proaktiven Dialog mit den römischen Behörden und dem Papst Franziskus; an der beharrlichen Weiterarbeit an den fälligen Reformen hierzulande, die uns allen niemand abnehmen kann und soll.

Die Heilige Margaretha ist, übrigens als sexuell missbrauchte Frau, eine der 14 Nothelferinnen. Ihr Name möge am Ende nicht nur meteorologisch für Frost stehen, sondern kirchenklimatisch für Tauwetter.

Matthias Sellmann | Quelle: katholisch.de Porträtfoto: © Martin Steffen

Matthias Sellmann ist Leiter des Zentrums für angewandte Pastoralforschung (zap) und Inhaber des Lehrstuhls für Pastoraltheologie an der Ruhr-Universität Bochum. Er ist Mitglied der Synodalversammlung des Synodalen Wegs.

 

2 Rückmeldungen

  1. Unterschriften der Initiative #mehrSegen entgegen genommen
    Die Vorsitzenden des Forums „Leben in gelingenden Beziehungen“ des Synodalen Weges der Kirche in Deutschland, Birgit Mock (Zentralkomitee der deutschen Katholiken, ZdK) und Bischof Dr. Helmut Dieser (Deutsche Bischofskonferenz), haben am 27. März 2021 in Bonn mehr als 2.600 Unterschriften der Initiative #mehrSegen entgegengenommen. Die Unterschriften von SeelsorgerInnen von einem der Initiatoren, Pfarrer Burkhard Hose (Hochschulgemeinde Würzburg), übergeben. Die Initiative #mehrSegen, die Pfarrer Hose gemeinsam mit Pfarrer Bernd Mönkebüscher (Erzbistum Paderborn) gegründet hat, wirft einen kritischen Blick auf die am 15. März 2021 von der Kongregation für die Glaubenslehre veröffentlichte Note zum bleibenden Verbot der Segnung von Verbindungen gleichen Geschlechts. „Als Initiatoren bringen wir die Aktion bewusst in den Prozess des Synodalen Weges ein“, sagte Burkhard Hose bei der Übergabe in Bonn.

    Stopp-Schilder helfen nicht
    Bei der Unterschriftenübergabe erklärte Birgit Mock: „Es wird auch weiterhin notwendig sein, die Debatte um die Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften zu führen. Stoppschilder helfen hier nicht weiter. Wir müssen die theologische Auseinandersetzung redlich führen. Hierfür liefert uns auch der verstorbene Theologe Eberhard Schockenhoff in seinem letzten Werk umfassende Ausarbeitungen. Uns ist es ein Anliegen, in der Lehre der Kirche Sexualität als positive Kraft zu verankern. Paare in Liebesbeziehungen, die in Treue und wechselseitiger Wertschätzung leben, zu einer Negierung ihrer Sexualität als Paar zu zwingen, entspricht nicht unserem Menschen- und Gottesbild. Diese offizielle kirchliche Neubewertung von Sexualität ist uns als ZdK auch deswegen wichtig, damit Seelsorgende in Zukunft nicht nur nach ihrem Gewissen entscheiden müssen, wenn sie gleichgeschlechtliche Paare segnen. Als ZdK setzen wir uns dafür ein, dass ein solches Segensritual für alle deutschen Bistümer entworfen wird.“

    Vielfältige Dimensionen und Veränderungen
    Bischof Dr. Helmut Dieser sagte: „Mitten im synodalen Bemühen hat die römische Stellungnahme für Irritation und Verärgerung gesorgt. Mein Bemühen, sie in das synodale Suchen und Ringen bei uns einzuordnen, entspricht meiner bischöflichen Verantwortung, für die Einheit aller zu sorgen. Gerade in unserem Forum debattieren wir diese hoch aktuelle Thematik, deren Inhalte wir nach Rom tragen werden. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass gerade pastorale MitarbeiterInnen vor Ort derzeit in einer heftigen Zerreißprobe stehen. Wir möchten ihnen Mut machen, sich an der theologischen Debatte zu beteiligen. Eine Anerkennung der Sexualität mit ihren vielfältigen Dimensionen und Veränderungen im Lebensverlauf kommt letztlich auch der Würdigung einer sakramental geschlossenen Ehe von Mann und Frau zugute.“

    Birgit Mock und Bischof Dieser betonen gemeinsam: „Die heute erhaltenen mehr als 2.600 Unterschriften von SeelsorgerInnen sind uns Mahnung und Auftrag für die weitere Auseinandersetzung auf dem Synodalen Weg, für die pastorale Realität in Deutschland Verantwortung zu übernehmen und ihr Anliegen in unsere Forums-Debatten aber auch hoffentlich bald in Gespräche mit römischen Stellen einzubringen. Der Dialog muss weitergeführt werden.

  2. Anonym sagt:

    Zum doch recht moderaten Widersprechen und der Unterschriftenliste der Initiatoren des Hochschulpfarrers Bernhard Hose aus Würzburg und Pfarrer Bernd Mönkebüscher aus Hamm zum Verbot des Segnens gleichgeschlechtlicher Paare möchte ich anmerken, dass es traurig ist, dass es überhaupt noch mündige Menschen mit Herz und Verstand gibt, die ihr Leben auf allen Ebenen selbst bestimmen und meistern, sich noch ein Problem zu solchen Aussagen der Glaubenskongregation machen. Das ist verschwendete Energie an falscher Stelle. Längstens ist doch die Praxis, dass privat gesegnet wird, unter Freunden und Freundinnen, bei Eheversprechen jeglicher Art sowohl als auch bei Geburt von Kindern oder was und wen auch immer. SEGNEN können und dürfen ALLE Menschen, egal welcher Konfession, ohne zu fragen, ob das richtig oder falsch, gültig oder gar verboten sei. Und SEGNEN ist übrigens wirksam und gültig… Und so wundert es mich auch, dass die Bitte zur Unterschrift gegen dieses römische Dekret ausschließlich an Menschen mit beruflich-theologischem Hintergrund geschickt wird. Aber das ist wohl der Glaubenskongregation „geschuldet“… und damit schon wieder angepasst leise. Warum die Proteste so piepsig überhörbar und nicht laut/er sind, kann ich nur erahnen. Jedenfalls zum Thema SEGNEN sollten ALLE Insider lauter werden dürfen, ohne irgendeine Konsequenz innerhalb ihrer Arbeitgeberin Kirche be-fürchten zu müssen.

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