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Prävention sexualisierter Gewalt im Justizvollzug

4. Juni 2020

Die Konferenz der Katholischen Gefängnisseelsorge im Erzbistum Paderborn hat mit den KollegInnen der forensischen Klinikseelsorge zur Fortbildung „Prävention sexualisierter Gewalt“ mit dem Referent Werner Meyer-Deters eingeladen. Meyer-Deters weiß, dass sexualisierte Gewalt ein schwieriges Thema ist, vor allem im Bereich der Kirche(n). In der MHG¹-Studie heißt es: „Das Risiko sexuellen Missbrauchs von Kindern innerhalb der Strukturen der katholischen Kirche ist kein abgeschlossenes Phänomen. Die Problematik dauert an und verlangt konkrete Handlungen, um Risikokonstellationen zu vermeiden bzw. so weit wie möglich zu minimieren.“

Sexualisierte Gewalt gehört zu den schlimmsten Verbrechen, die Menschen einander antun können. Sexueller Missbrauch ist eine Straftat und ein schweres Verbrechen an der körperlichen und seelischen Gesundheit eines Menschen. Jeder Fall verursacht großes Leid bei Opfern und ihren Angehörigen. Der Sozialpädagoge arbeitet seit über 20 Jahren mit Opfern, aber auch Tätern von Missbrauchsfällen. Um richtig mit diesem Tatbestand umgehen zu können, sei es wichtig zu klären, was sexualisierte Gewalt eigentlich sei: jede Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung.

Der Missbrauch sei für Betroffene eine persönliche Katastrophe. Für Klinik- und GefängnisseelsorgerInnen, die in geschlossenen Systemen des Justiz- oder Maßregelvollzuges sowie forensischen Kliniken arbeiten, ist es besonders schwierig. Zum einen haben die MitarbeiterInnen an diesen Orten konkret mit Sexualstraftätern zu tun und bekommen aufgrund ihrer Verschwiegenheit sexuelle Übergriffe mit, die ihnen anvertraut werden. Daher müssten alle geschult und sensibilisiert werden, denn das Schlimmste sei, sagte Referent Meyer-Deters, Vorfälle zu verschweigen.

Die Betroffenen sind wichtig

Der Experte gab Tipps, wie man sich selbst den Beschuldigungen entzieht, aber auch, wie man Fehlverhalten von Bediensteten erkennt. Es sollte unbedingt vermieden werden, jegliche Kommunikation zu „sexualisieren“, so könne ein alltäglicher Spruch schnell missverstanden werden. Der sexuelle Missbrauch hinterlasse im Gegensatz zu körperlicher Gewalt häufig keine offensichtlichen Spuren. Viele vermeintliche Symptome könnten auch andere Ursachen haben. Der einzige erste wichtige Beweis sei die Aussage des Opfers, betonte der Referent. Da das „Selbstbeschämungspotenzial“ enorm sei, sei eine Aussage meist die Quelle zur Wahrheit. Indirekte Hinweise könnten eine Verhaltensänderung in kürzester Zeit sein, aber auch auffälliges Verhalten wie die Imitation von sexuellen Handlungen.

Nicht nur mit den Geschichten von Inhaftierten, die selbst Missbrauch in Familien erleben mussten, sensibel umgehen, sondern auch mit falschen Beschuldigungen müssen die MitarbeiterInnen zurecht kommen. Grenzverletzendes Verhalten zu erkennen und sich selbst präventiv im Umgang mit Schutzbefohlenen verhalten, ist Aufgabe und Haltung zugleich. „Ich klopfe an der Haftraumtür an, warte kurz und schließe dann erst auf. Ich weiß ja nicht, in welcher Situation ich einen Inhaftierten in seiner Zelle vorfinde“, sagt ein Gefängnisseelsorger.

Wie gehe ich mit Inhaftierten um?

Wie gehe ich mit Inhaftierten professionell und respektvoll um? Kumpelhaft oder als ein Gegenüber? Die Person des Seelsorgers ist das Medium der Seelsorge: Die Fähigkeit, mit Themen von Schuld, Strafe, Leid, Versöhnung und Zuspruch umzugehen bedeutet, Nähe zuzulassen und zugleich Distanz aufzubauen. In dieser Hinsicht sind Inhaftierte erfinderisch, um manipulativ und einflussnehmend auf die Person des Seelsorgers einzugehen. Es braucht einen angemessenen Umgang mit Ohnmacht und Macht, mit Sprachlosigkeit und aktiver Intervention sowie vermittelnder Tätigkeiten angesichts versteckter und geäußerter Erwartungen von „außen“ und „innen“. “ Laut der MHG-Studie war jeder 23. Kleriker ein Täter“, sagt Meyer-Deters. „Die kirchlichen (katholischen) Strukturen begünstigen die Missbrauchsfälle in der Kirche, sie sind aber nicht monokausal. Es sind viele Faktoren, die dazu führen“, erklärt der Experte weiter.

Bild: Werner Meyer-Deters Werner Meyer-Deters ist Dipl. Sozialpädagoge und Gewaltberater, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft zur Prävention und Intervention bei Kindesmisshandlung und -vernachlässigung (DGfPI). Er ist seit 20 Jahren Mitarbeiter der Bochumer ärztlichen und psychosozialen Beratungsstelle gegen Misshandlung, Vernachlässigung und sexuellen Missbrauch von Kindern sowie seit in der Leitung der Abteilung Ambulante Rückfallvorbeugung für sexuell übergriffige Minderjährige (Neue Wege Caritas) tätig. Aktiv im Schwerpunktbereich Fortbildung, Vorträge, Einzel- und institutionelle Fachberatung, Supervision und Vernetzungsarbeit bei sexuellem Kindesmissbrauch und der Arbeit mit minderjährigen Sexual(straf)tätern.

 

¹ Die MHG-Studie ist ein interdisziplinäres Forschungsverbundprojekt zur Thematik Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz. Aufgrund der Kürzel der Institutsstandorte der Konsortiumsmitglieder (Mannheim, Heidelberg, Gießen) wurde dem Forschungsprojekt das Akronym „MHG-Studie“ verliehen.

 

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