Die Gefängnisseelsorge gehört zu den ursprünglichen Feldern des pastoralen Handelns der Kirche. Die Präsenz der Kirche(n) im Justizvollzug will die Vermittlung der frohen Botschaft von der Befreiung leisten, so die deutschen Bischöfe in ihrem Schreiben mit dem Titel „Der Auftrag der Kirche im Gefängnis“ (Nr. 84, S. 7). Die SeelsorgerInnen in den Justizvollzugseinrichtungen und Unterbringungseinrichtungen für Ausreisepflichtige (UfA) auf dem Gebiet des Erzbistum Paderborn haben jetzt dazu ein eigenes institutionelles Schutzkonzept zur Prävention erstellt und verabschiedet.
Die Kirche(n) targen eine besondere Verantwortung für den Schutz der anvertrauten Menschen im seelsorglichen Dienst und in den Einrichtungen des Justizvollzuges. „Mit diesem Institutionellen Schutzkonzept wirken wir mit am Aufbau einer Kultur der Achtsamkeit und zeigen, dass die Präventionsarbeit integraler Bestandteil unseres Handelns in allen Bereichen ist“, so eine Formulierung. Somit erfüllt die Diözesankonferenz der Gefängnisseelsorge im Erzbistum Paderborn diesen Auftrag und konkretisiert das Institutionelle Schutzkonzept für die Seelsorge in den verschiedenen Vollzugs- und Unterbringungseinrichtungen. Es dient zu weiterer Klärung und Kooperation mit allen Beteiligten in der Gefängnisseelsorge und darüber hinaus. […]
Schutz- und Risikoanalyse
Die Arbeit in der Gefängnisseelsorge zeichnet sich durch ein hohes Maß an persönlichen Kontakten, Verschwiegenheit und Vertrautheit aus. Zu den Hauptaufgaben dabei gehört neben regelmäßigen Gottesdienstangeboten die seelsorgliche Begleitung und Unterstützung der Inhaftierten1 während der Haft und in der Übergangsphase danach. Während der Inhaftierung ist das seelsorgliche Einzelgespräch für die Gefangenen oft die einzige Möglichkeit, in der sie sich öffnen und persönliche Themen im Rahmen des Seelsorge- und Beichtgeheimnisses ansprechen können, ohne disziplinarische, vollzugsrechtliche oder strafrechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen. So hat die Gefängnisseelsorge die Aufgabe, einen geschützten und vertrauten Raum zu ermöglichen, ohne die Gefangenen der Gefahr sexualisierter Gewalt auszusetzen. Die Seelsorgenden haben die Verantwortung, jede Seelsorgebeziehung so zu gestalten, dass auf der einen Seite professionelle Nähe möglich ist und auf der anderen Seite weder Abhängigkeiten entstehen noch grenzüberschreitendes Verhalten ausgeübt wird oder eine private, sexuelle Beziehung daraus erwachsen kann. Dies gilt insbesondere im Kontakt mit Inhaftierten, da diese sich aufgrund ihres Alters, ihrer geschlechtlichen Identität, bestimmter Persönlichkeitsstrukturen oder psychischer Erkrankungen, ihrer Haftsituation und ihrer bisherigen Lebensgeschichte häufig in einer besonders vulnerablen Position befinden.
Gefängnisseelsorgende können keine vollzuglichen Entscheidungen treffen, dennoch haben sie durch ihren unabhängigen Status und ihr Zeugnisverweigerungsrecht eine große Gestaltungsmacht: Wo, wann und wie oft werden Einzelgespräche geführt? Wie wird mit den Themen Schuld und Verantwortung umgegangen? Welches Gottesbild wird verkündigt? Wie wird mit den Gefühlen des Gefangenen umgegangen? Wird körperliche Nähe (z.B. Umarmungen) in bestimmten Momenten zugelassen? Welche Rolle wird eingenommen (Vater, Mutter, bester Freund/Freundin, Onkel etc.)? Wird das „Nein“ eines Gefangenen zu einem bestimmten Thema akzeptiert? Diese besondere Nähe und Vertrautheit, die untrennbar mit der seelsorglichen Begleitung und Beziehung verbunden ist, muss durch Gefängnisseelsorgende professionell gestaltet werden, wobei neben den eigenen die persönlichen Grenzen eines Inhaftierten zu jeder Zeit wahrgenommen und akzeptiert werden müssen. […]
Verhaltenskodex
Für die seelsorgliche Begleitung sind die Beziehungsgestaltung sowie ein vertrauensvolles Verhältnis elementar. Die Gefängnisseelsorgenden ermöglichen dabei professionelle Nähe, in dem sie einerseits ein hohes Maß an Selbstreflexion mitbringen, ihre eigene Wahrnehmung und Haltung überprüfen und einen offenen kollegialen Austausch pflegen. Andererseits gewährleisten konkrete Verhaltensregeln angemessene professionelle Nähe in der seelsorglichen Begleitung. Konkrete Verhaltensregeln sind:
- Gefängnisseelsorgende benutzen keine sexualisierte Sprache.
- Gefängnisseelsorgende sind sich bewusst, dass es Einvernehmlichkeit zu sexuellen Kontakten mit Inhaftierten nicht geben kann.
- Eine seelsorgliche Betreuung nach der Inhaftierung findet nur auf ausdrücklichen Wunsch des (Ex-)Inhaftierten statt.
- Gefängnisseelsorgende verhalten sich beim Betreten der Hafträume respektvoll und wahren generell die Intimsphäre der Inhaftierten.
- Gefängnisseelsorgende setzen angemessenen Körperkontakt nur dann ein, wenn er vom Gegenüber ausdrücklich angefragt wird, oder das Angebot dazu in der betreffenden Situation angemessen erscheint.
- Gefängnisseelsorgende nehmen keine teuren und unangemessenen Geschenke an. Geschenke an Gefangene sind stets anlassbezogen und angemessen.
- Persönliche Abhängigkeiten und Bevorzugungen sind in allen Grundvollzügen des Dienstes (caritativ, spirituell, pastoral) zu vermeiden.
- Private Kontaktdaten werden nicht weitergegeben.
Regelmässige Überprüfung
Seitens der Rechtsträger ist sichergestellt, dass alle Mitarbeitenden in der Gefängnisseelsorge entsprechend ihres Arbeitsfeldes, ihrer Aufgabe und ihrer Rolle über die Prävention gegen sexualisierte Gewalt informiert bzw. geschult werden. Die Inhalte von Informations- und Schulungsangeboten werden auf Grundlage des diözesanen Curriculums definiert, dabei wird auf das Schulungskonzept BasisPlusschulung zurückgegriffen. Für die Mitarbeitenden in der Gefängnisseelsorge gilt es, ihre Achtsamkeit für ihr eigenes Handeln weiterzuentwickeln und entsprechend einzusetzen. Dabei sollen sie auch die Erfahrungen und Rückmeldungen der Begleiteten mit sexualisierter Gewalt und Grenzverletzungen achten. Diese persönlichen Entwicklungen und Erfahrungen können auch in der verpflichtenden Gruppensupervision angesprochen werden. Um die Nachhaltigkeit und die Qualität des Themas und der Prävention zu gewährleisten, ist eine regelmäßige Auffrischung und Vertiefung der Inhalte der entsprechenden Schulungs- und Qualifizierungsangebote nach der Präventionsordnung des Erzbistums Paderborn nach § 9 erforderlich. Diese werden für die Gefängnisseelsorge spezifiziert. In Zusammenarbeit mit der Diözesanbeauftragung, der Leitung Bereich Pastorale Dienste – Abteilung Pastoral in verschiedenen Lebensbereichen und der Personalabteilung des Generalvikariates der Erzdiözese Paderborn wird der Bedarf, die Durchführung und die Auswertung sichergestellt. Die Präventionsfachkraft der Gefängnisseelsorge trägt Sorge dafür, dass dieses Institutionelle Schutzkonzept regelmäßig, mindestens aber alle fünf Jahre oder nach einem Vorfall, überprüft und gegebenenfalls angepasst und weiterentwickelt wird. Gesamtes Dokument…