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Sein letztes Buch ist geschrieben: Petrus Ceelen ist tot

14. März 2024

Am 11. Februar fei­erte Petrus Ceelen seinen 81. Geburtstag. Schon lange davor sagte er von sich: „Ich lebe immer noch. Und ich schreibe immer noch, ich hatte noch so viel zu sagen“, sagte der gebürtige Belgier. Nach seiner Pensionierung begleitete er weiterhin Menschen in der Trauer und gestaltete Beerdigungen. Obwohl er selbst todkrank war und star­ke Schmerzen hatte, wollte der ehemalige Gefängnis- und Aids­-Seelsorger, Trauerredner und Au­tor den Menschen Trost spenden und Lebensmut geben.

Ceelen hatte Lungenkrebs, Metastasen in der Wirbelsäule und einen Tumor auf der Blase. Auch wenn die Ärzte schon vor Jahren sagten, er habe nicht mehr lange zu leben, schrieb Ceelen weiterhin „sein letztes Buch“ – und es waren einige davon. „Ich weiß dass ich sterben werde, viele sind schon vor mir gegangen“, sagt er bei einer Trauerfeier seines Gefängnisseelsorge-Kollegen, Josef Rüssmann, im hessischen Münzenberg im August 2023. Seine Frau starb „am selben Lungenkrebs“ erzählte Ceelen. In seinem Leben hat er Menschen am Rande begleitet: Im baden-württembergischen Justizvollzugskrankenhaus (JVK) Hohenasperg und später als erster Aids-Seelsorger in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Er hatte keine Angst vor Todgeweihten. In seinen Büchern und Traueransprachen spricht Ceelen vom „unfairem Leben“ und von der Hoffnung, die in jedem lebt. Eine Antwort kannte Petrus nicht. Vielmehr hörte er verständlich zu und nahm den Menschen an, wie er ist.

Wirklichkeiten benennen

Da der Zö­libat eines Priesters nichts für ihn war, studierte er Religionswissenschaften. Über das Europaseminar in Maastricht kam der Belgier nach Deutsch­land, wo er Theologie studierte und in Berlin ein Studium der Erziehungswissenschaften an­schloss. In den 70er Jahren kam der Laientheologe nach Schwie­berdingen und Möglingen und begann 1975 als Gefängnisseel­sorger auf dem Hohenasperg. In den 80er Jahren kam die Krank­heit HIV und Aids auf. Bis ins Jahr 2005 wirkte Cee­len als Aids-Seelsorger im Raum Stuttgart. Dass dies in der katholischen Kirche und der Gesellschaft damals wie heute nicht einfach war, davon berichtete er oft. Ceelen benannte viele Male die Scheinheiligkeit seiner eigenen Kirche zur Sexuallehre. Er nahm kein Blatt vor den Mund. Seine Worte erreichten die Menschen. Erzählend und deutend konnte er Wirklichkeiten benennen und Kritik üben. Daneben war sein Sprechen wie ein Hoffnungsschimmer in einer Welt, in der das Schicksal zuschlagen konnte.

Schlimm ist, nicht gelebt zu haben

In der Traueransprache für seinen Gefängnisseelsorge-Kollegen sagte Ceelen das, was man ihm selbst jetzt nach seinem Tod mit seinen eigenen Worten zusprechen kann: „Wir auch tief traurig. Denn wir werden Dich niemals mehr sehen, niemals mehr durch die Tür hereinkommen sehen. Wir werden Deine vertraute Stimme niemals mehr hören. Du wirst uns niemals mehr anschauen. Wir werden uns niemals mehr berühren können. Es ist dieses Nie-mals mehr, dieses Endgültige, das es uns schwer macht, Dich gehen zu lassen. Dein Tod hat uns klar gemacht, dass wir alle das nötige Alter haben. Es gibt es kein happy end. Denn um den Tod kommt keiner herum. Aber es ist nicht schlimm, dass wir sterben müssen. Schlimm ist nur, sterben zu müssen, ohne gelebt zu haben, ohne unser Leben gelebt zu haben. Du hast deinen Beruf, deine Berufung gelebt, uns vorgelebt, was Nachfolge Jesu für Dich bedeutet. Du warst ein Christ in der Gegenwart. Glaubwürdig.“, sagt Ceelen sinngemäß zu seinem verstorbenen Kollegen. Jetzt ist Ceelen selbst den Weg gegangen. Sein „letztes Buch“ ist geschrieben. Doch es wird weiter geschrieben in all den Erinnerungen der Menschen, die ihn kannten, die mit ihm sprachen, die weiter seine Bücher lesen.

Titelfoto mit freundlicher Genehmigung: Jörg Fiedler

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4 Rückmeldungen

  1. Andreas Bär sagt:

    Anstelle eines Stehkaffees – Petrus Ceelen möge jetzt im Festsaal seinen Platz erhalten haben!

    „Auf einen Espresso“ – so lautet der Titel eines der Bücher von Petrus Ceelen. Kurze inhaltlich tiefgreifende Texte, die zwar während eines schnellen Espressos gelesen sein mögen, aber genügend Nahrung für einen ganzen Tag bieten – so erlebte ich die Haltung, die aus den Büchern von Petrus Ceelen heraus strahlte.

    Keine Studientagung der Katholischen Gefängnisseelsorge und auch manch anderen Veranstaltungen, bei denen die Bücher dieses Theologen aus Belgien, der sich hier bei uns heimisch gefühlt hat, als wertvolles Geschenk an Referentinnen oder Referenten und verdiente Personen überreicht worden ist. Auch an den Schriftenständen war die Nachfrage nach seinen Büchern ungebrochen.

    „Auf einen Espresso“ hat den Charakter eines „Zwischendurch“ und für unser Leben in dieser Welt kann der Bezug zu Gott auch immer nur etwas Vorläufiges bleiben. Jetzt aber, wo Petrus aus diesem Lauf der Zeit herausgetreten ist, wünsche ich ihm, dass er bei Gott nicht nur zu einer kurzen Stippvisite erscheinen kann, sondern einen festen (Ehren-)Platz an dem Tisch erhalten darf, an dem die Nähe zu Gott ununterbrochen sein möge.

    Danke für die vielen wertvollen Gedanken, Beiträge und Dein segensreiches Engagement für diejenigen, die gern übersehen werden und an den Rändern der Gesellschaft leben müssen! Möge Gott Dir das vielfach vergelten, was Du an Wertvollem in diesem Leben geschenkt hast!

  2. Hans-Gerd Paus sagt:

    Lieber Petrus,

    Allein dein Name! „Auf dir will ich meine Kirche bauen!“ – las ich in Verbindung mit diesem Namen… Ich kenne nur zwei, die diesen Namen tragen. Du hast Kirche gebaut und gelebt. Du warst Sprachrohr und Stimme und Ohr. Dein Namensvetter wird mit einem Schlüssel dargestellt. Und auch dich könnte man so darstellen mit Fug und Recht.
    Ihr beide habt Türen aufgeschlossen und Herzen. Den Weg frei gemacht für das Land ohne Mauern. Ich danke dir für deine Inspirationen. Für deinen Weitblick in der Enge. Für dein unter uns sein.

  3. Ute Müller-Dieterle sagt:

    Auch wenn ich ihn nie persönlich kennengelernt habe, hat mich seine Art, das Evangelium zu leben, sehr beeindruckt und hat meine Arbeit stark beeinflusst und geprägt.

  4. 📚 Michael King sagt:

    Petrus, wir sind uns 1994 persönlich begegnet im Aids-Hospiz im badischen Oberharmersbach. Du warst gerade 2 Jahre als AIDS-Seelsorger unterwegs. Damals wusste ich noch nicht, dass ich Jahre später in der Gefängnisseelsorge tätig sein werde. Damals hast Du Dich, wie Jahre zuvor im JVK Hohenasperg, für die Menschen „am Rande“ eingesetzt. Inhaftierte Menschen, das konnte man noch verstehen, aber sich für AIDS Erkrankte und HIV positive Menschen einzusetzen, ging für einige in der Diözese Rottenburg-Stuttgart zu weit. Trotzdem warst Du da für drogenabhängige, homosexuell liebende Menschen und die, die „anders“ zu schein scheinen. Du gabst ihnen eine Stimme. Du nahmst sie an, wie sie sind, nicht in den Fokus gerückt und mit Mitleid überhäufend. Nein, Du nahmst sie auf Augenhöhe ernst. Dafür war Dir Deine Kritik an der eigenen Katholischen Kirche, Deinem Anstellungsträger, nicht zu schade. Du brachtest in vielen Veröffentlichungen und persönlich zu Sprache, was die Menschen bewegt: Klar, kompromisslos und eindeutig. Immer wieder den Widerspruch aushaltend, den Du selbst erlebtest.

    Du hast sets Erfahrungen aus Deinem Leben geschrieben und wie nahe Dir die Menschen „von außerhalb“ mit ihren Erfahrungen kamen. In den letzten Jahren waren wir wieder näher im Kontakt, immer ankündigend Dein „letztes Buch“, woraus dann doch noch einige Neuerscheinungen mehr wurden. Du hattest etwas zu sagen, das Hand und Fuß hat. Bis zuletzt hast Du Menschen begleitet, Angehörige nach Suizid, Menschen, die gestrauchelt sind, die Dir vertrauten und nicht der Kirche. Deine Worte waren zutreffend, prägnant und klar. Du gabst nie Antworten vor, sondern hast Hoffnung vermittelt in allen Dunkelheiten und Abgründen. Petrus, Du warst der Fels in der Brandung für die Menschen. Danke Dir für die Gespräche, Begegnungen, Deine Sichtweisen und Deine Art, Dinge anders zu sehen. D A N K E.

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