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Dezentral gesicherte Wohngruppen sind besser

8. Juni 2020

Eine blühende und heile Welt gibt es in Sachen Resozialisierung nicht. Doch es gibt durchaus Alternativen zum Justizvollzug.

Das Gefängnis, wie wir es heute kennen, nützt letztlich niemandem – zumindest erfüllt es nicht den Zweck, den wir ihm zuschreiben. Es eignet sich nicht dazu, potenzielle Straftäter wirksam abzuschrecken. Es eignet sich nicht dafür, die Kriminalitätswahrscheinlichkeit seiner Insassen zu verringern. Es eignet sich nicht einmal dazu, Kriminalität insgesamt wirksam zu reduzieren. Es eignet sich nicht für einen menschenwürdigen Umgang mit Straffälligen. Und es eignet sich nicht dazu, die Bedürfnisse der Opfer von Straftaten zu befriedigen. Thomas Galli in seinem Buch „Weggesperrt – Warum Gefängnisse niemanden nützen.“

Selbst zur Befriedigung eines allgemeinen Vergeltungsbedürfnisses eignet es sich nur bedingt, denn die Mehrheit der Bevölkerung spricht sich zum Beispiel bei Vermögensund Eigentumsdelikten gegen eine Freiheitsstrafe aus. Gefängnisse kosten viel Geld, sie vergrößern die Rückfallwahrscheinlichkeit der Straftäter und sind einer aufgeklärten und humanen Gesellschaft nicht mehr würdig. Eine Überwindung der Gefängnisse, wie wir sie derzeit kennen, wäre nur zu unser aller Vorteil.

Thomas Galli, Weggesperrt S. 180, 213 und 224

Verlagerung der Schwerpunkte

Für die Strafe der Zukunft kommt es darauf an, die Schwerpunkte in mehrfacher Hinsicht zu verlagern:

  1. im Umgang mit Kriminalität von einer Bestrafung auf eine langfristig orientierte Prävention;
  2. hinsichtlich strafender Interventionen ausschließlich auf schwerere Kriminalität;
  3. von der rückwärtsorientierten Vergeltung von Schuld auf die zukunftsorientierten Ziele von Strafe wie Resozialisierung und Erhöhung der langfristigen Sicherheit;
  4. vom passiven Erdulden einer Strafe auf die Pflicht zur aktiven Wiedergutmachung und damit von einer Zufügung von Leid weg und hin zur Möglichkeit einer Heilung;
  5. von der Bestrafung der Täter auf die Bedürfnisse der Opfer.

Vollzug in freier Form hat seine Grenzen

Täter, die sich für schwere oder sexuelle Gewalt zu verantworten haben, müssen in aller Regel weiterhin stärker bewacht untergebracht werden. Die Sicherheit der Opfer oder möglicher neuer Opfer muss gewährleistet werden; zu beachten ist letztlich auch die erhöhte Fluchtgefahr angesichts der Dauer der zu verbüßenden Strafe.

Doch ich plädiere dafür, dass auch diese Täter nicht mehr zu Hunderten in geschlossenen Anstalten untergebracht werden, sondern in dezentralen, gesicherten Wohngruppen. Auch diese Täter werden alle früher oder später wieder in die Freiheit entlassen. Wir müssen daher dafür Sorge tragen, subkulturelle Einflüsse während der Haft und die totale Entfremdung von der freien Gesellschaft zu reduzieren.


 

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