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Viaje de vuelta a casa desde Santiago. Eine Reise zurück

22. Juli 2020

Mit dem Flixbus nach Paris, weiter mit dem Zug bis zur französischen Grenzstadt Saint Jean Pied de Pont. Anschließend über dreieinhalb Wochen zu Fuß über 700 km bis zum Wallfahrtsort Santiago de Compostela. Warum tut man sich das an? Hans-Gerd Paus, Gefängnisseelsorger der JVA Geldern beantworte diese stumme Frage mit dem Hinweis, dass er „mal wieder den Pilger-Camino“ gehen will. Morgens hatte er Dienst in der JVA und schon war der Pilger unterwegs. Wie bereits im Jahr 2008 und so viele Male auf anderen Pilgerwegen. Er ist eben Wanderer durch und durch. In seinen WhatsApp Nachrichten berichtet er von seiner Reise: Prägnant, humorvoll und voller Leben. Die gesamte Rückreise mit dem Bus ist dennoch anstrengender als der Pilgerweg zu Fuß.

In Santiago de la Compostela angekommen überkam es mich wieder, wie beim letzten Mal. Es gab keine Gewohnheit, sondern nur Ergriffenheit. Der Weg vom französischen Saint Jean Pied de Pont bis ins spanische Santiago zu Fuß mit all den Erlebnissen liegt hinter mir. Ich hatte vergessen, wie schön der beschauliche Ort meiner Pilgerreise des Anfangs ist. Jeden Tag 40 bis 50 Kilometer Wegstrecke, allein oder mit wenigen Mitpilgern, die ich unterwegs traf. Nachdem ich die Zeit am Zielort vor der Kathedrale in Santiago genieße und dies durch das Anschauen meiner Fotos belege, plane ich meine Rückreise.

Konzelebration in einer Kirche in Santiago de Compostela mit 40 Pilgern.

Morgens gibt es das Credecial, das ist der Pilgerpass (in spanisch: Credencial del Peregrino). Er gehört für alle Pilger auf dem Jakobsweg zur unverzichtbaren Ausrüstung. Und natürlich die Pilgermesse. Ansonsten mit hunderten Pilgern feierlich in der Kathedrale, heute in einer kleinen Kirche mit 40 Pilgern und die Orgel spielt vom Band. Ein asiatischer Priester fragt mich, ob ich nicht mit ihm zusammen zelebrieren wolle, und ich habe mich breit schlagen lassen. Somit darf ich sagen, in Santiago de Compostela bereits die offizielle Pilgermesse zelebriert zu haben. Arbeit war es, mit Maske vor der Nase, ständig beschlagener Brille englische Gebete sprechen zu müssen, die hinter dem Nebel auf meiner Brille eher verschwammen. Aber es hat Freude gemacht.

Freude machte es mir im Bus der Rückreise auf andere Art wieder: „Ihre Gesundheit liegt uns am Herzen, darum bitten wir Sie von Anfang an bis zum Ende der Fahrt einen Mund-Nasenschutz zu tragen, beim Einsteigen die Abstandsregeln einzuhalten, sich am Einstieg die Hände zu desinfizieren und die Sitzplätze zu belegen, die eine grüne Kennzeichnung haben.“ Das hervorragende Sicherheitskonzept. Das mit dem Abstand hat nicht so ganz geklappt. Drängen und Schupsen um die besten Plätze. Da flutscht einer am Checkin vorbei an den Fahrer ohne Mund- Nasenschutz. Der Fahrer mahnt ihn, der Flutscher erwidert den Schutz vergessen zu haben. „Ja dann – aber sie müssten“ und schon ist er drin. Deutsche und Ausländer, Schwarze und Weiße, Alte und Junge, Männer und Frauen, geschätzt 80 an der Zahl, haben alle etwas gemeinsam: sie atmen. Die Mund- Nasenschutze hängen bei den meisten irgendwo am Kinn, dann schnarcht es sich auch besser.

Laufen wäre mir lieber gewesen

ALSA (so eine Art spanischer Flixbus) bringt mich in 23 Stunden 😝 Fahrt zurück nach Paris. Dort schlendere ich dann unbestimmt durch die Stadt der Liebe und werde vergebens hoffen… Ich stinke, und die Klamotten wurden die letzten Wochen nur mit der Hand in kaltem Wasser durchgewaschen. In der französischen Hauptstadt steige ich wenige Stunden später ungeliebt in den grünen Kumpel und Froschbus, der mich flix 8 Stunden nach Düsseldorf bringen soll. Dort warte ich auf den ersten Zug am Donnerstag morgen. Dann ist es nur noch ein Stündchen bis Geldern. Laufen wäre mir fast lieber gewesen.

„Ihre Gesundheit liegt uns am Herzen, darum bitten wir Sie von Anfang an bis zum Ende der Fahrt einen Mund- Nasenschutz zu tragen, beim Einsteigen die Abstandsregeln einzuhalten, sich am Einstieg die Hände zu desinfizieren und nur die Sitzplätze zu belegen.“ Das mit dem Abstand hat nicht so ganz geklappt. Drängen und Schupsen um die besten Plätze. Da flutscht einer am Checkin vorbei an den Fahrer ohne Mund- Nasenschutz. Der Fahrer mahnt ihn, der Flutscher erwidert den Schutz vergessen zu haben. „Ja dann – aber sie müssten“ und schon ist er drin. Die Mund-Nasenschutz hängen bei den meisten irgendwo am Kinn, dann schnarcht es sich auch besser.

San Sebastian – 23.15 Uhr

„Todos los pasajeros ahora cambian a los autobuses que van a su ciudad de destino.“ Ich verstehe kein Wort. Der Fahrer kann mir viel erzählen. Hat er in den letzten 11 Stunden auch gemacht und es war jedes Mal der Hinweis, dass wir eine kurze Pause machen für die menschlichen Anliegen. Ich blieb also sitzen, hatte kein menschliches Anliegen. Es wunderte mich schon, dass ich plötzlich alleine im Bus saß. Den Fahrer wunderte es auch und er fing an in fließendem Spanisch auf mich einzureden. Warum nur hatte ich das Gefühl, dass es mich dieses mal sehr wohl etwas anging? Aber ich verstand immer noch nicht.

Ich wies mit dem Finger auf den Boden des Busses und fragte: Bus – Paris? Und erhielt zugleich die Antwort: Nix Paris. Er wies ganz meiner Manier folgend mit seinem Finger auf die Tür und sagte „Paris“ vermutlich sollte ich erst einmal aussteigen, um eine realistische Chance habe nach Paris zu kommen. Also raus. Draußen ging es vielen Menschen wie mir. Menschen, die aus anderen Bussen vor die Tür gesetzt worden waren. Egal wen ich ansprach, Englisch verstand keiner. Könnte ein Hinweis darauf sein schon Frankreich erreicht zu haben, aber ich wusste doch im Busterminal von San Sebastian zu sein. Das hatte mir Google Map verraten. Nun standen ca. 40 Menschen einfach nur rum. Eine gewisse Nervösität hatte die meisten beschlichen. Die anderen wussten vermutlich, was los war.

Dann kam endlich ein Kümmerer in gelber Tarnweste. Hinter auf dem Rücken stand dick und fett: INTERCAMBIADOR. Es ist ein WÄRMEAUSTAUSCHER verrät mir Google und ich denke sofort „nein, das will ich nicht!“ Aber er macht trotz aller Hektik unter den Wartenden einen freundlichen Eindruck. Ich schließe mich der Gruppe an, die ihm das Wort „Paris?“ an den Kopf werfen. Dieses mal nicht nur mit dem Finger gestikulierend, sondern mit dem ganzen Oberkörper. Die Schultern werden nach oben gezogen und die Hände in die Luft gestreckt. „Yoga im Busterminal“ denke ich nur. Schade, dass es nicht synchron läuft, könnte nett aussehen. Der Wärmeaustauscher, ein total schlanker Mann (kein Wunder, wenn der jede Nacht so einen Stress hat) benutzt jetzt nur den Finger, zeigt an die Wand und deutet unmissverständlich an, wir sollen uns da an die Wand stellen. Dann zeigt er mit dem selben Finger auf den Fußboden was ich als „und da bleiben sie erst mal stehen“ interpretiere. Wir Unwissenden brechen unser Yoga ab und stellen uns allesamt brav an die Wand.


Der Wärmeaustauscher verschwindet. Jetzt stehen wir da. Einer älteren Frau wird es zu viel und will sich auf eine kleine Stufe setzen (ich sitze da schon). Sie kommt aber nicht runter. So biete ich ihr meine Hilfe an. Es waren noch zwei Männer von Nöten diese 1,60 Meter große Frau auf den Boden (naja, die Stufe hatte ca. 20 cm) zu setzen. Mir schoss durch den Kopf “ dein Vertrauen in Ehren, und wenn wir dir nicht mehr helfen hochzukommen weil der Bus kommt?“ Sie sprach auf spanisch ununterbrochen auf mich ein. Mein „no espanol“ interessierte sie nicht wirklich. Irgendwann gab sie auf. Ruhe war. In der Zwischenzeit erschien der Wärmeaustauscher wieder und als er sah, dass die meisten noch an der Wand standen und zwei Menschen auf dieser kleinen Stufe saßen, die eigentlich die Busbucht vom Fußvolk trennt, war er zufrieden und telefonierte fleißig vor sich hin. Ich notiere mir, wenn er telefoniert macht er auch Yoga: Schultern hoch und runter und auch die freie Hand zum Himmel und um sich weisend. Der letzte Bus im Terminal war inzwischen abgefahren. Aber er, der Wärmeaustauscher strahlte mit seinen 1,70 Meter Größe und einer Kleidergröße von 38 soviel Autorität aus, dass wir immer noch brav stehen, bzw. sitzen blieben.

Krisenintervention und Kümmerer

Dann fuhr ein Bus ein. Die Menschenansammlung wurde merklich unruhig. Die Frau, die bis dato brav auf ihrer 20 cm Stufe saß, auf die wir sie zu Dritt gesezt hatten, schaute sich zunächst irritiert um, fing dann an mit den Armen zu rudern. „Du hast keine Chance da alleine hoch zu kommen“, dachte ich. Stand dann selber auf, griff ihr unter die Arme. Aber auch dieses Mal reichte ich nicht. Ihr Bodymaßindex war unvorteilhaft für diese Aufstehübung. Wieder waren zwei weitere Personen notwendig, sie aufzurichten. Als sie stand, verschwand sie ohne Worte mit ihrem Rollköfferchen. Sie merkte dann aber wohl, dass sie gar nicht wusste, wohin sie denn sollte, zwei weitere Busse waren ins Terminal gefahren. Sie ruderte zurück. Der Wärmeaustauscher stand genau zur Stelle und wies uns an – mit Hilfe seines Fingers – wir mögen zu dem Bus gehen, auf den er zeigte.

Die Reihe an der Wand wurde zur Weintraube am Bus. Ticketkontrolle. Einer war dabei, der hätte sich besser nicht mit in unsere Reihe gestellt, der Herdentrieb hatte ihn angelockt und Sicherheit gegeben. So war sein Bus schon abgefahren. Der Wärmeaustauscher erwies sich erneut als Kümmerer. Telefon. Yoga und der Irrläufer stieg in unseren Bus (wird später an einer Tankstelle einem anderen Bus übergeben). Wir stiegen alle ein und fragten uns, woher der Kümmerer diesen Bus denn aufgetrieben hatte. Ungeputzt und nach fünf Minuten bis auf den letzten Platz besetzt. Ein Fernseher läuft und zeigt uns irgendeinen Ballerfilm. Ich gucke aber nicht hin. Wir stehen noch. Ganze Dramen spielen sich ab. Pärchen werden getrennt auf die Plätze positioniert und Einzelfahrer erhoffen die anderen täuschen zu können, indem sie ihr „Handgepäck“ auf den Nachbarsitz stellen. Das haben die nun davon. Jetzt stehen die 10 kg Handgepäck auf ihrem Schoß.

Eine Frau dreht durch. Schreit in einer mir unverständlichen Sprache wild durch die Gegend. Sie findet damit auch kein Ende. Schreit Mitreisende an. Ich sitze zum Glück in sicherer Entfernung. Mein „no espanol“ hätte sie vermutlich eher handgreiflich werden lassen als beruhigt. Der Fahrer weigert sich zu fahren solange die Frau tobt. Interessiert sie nicht. Zum Glück kümmern sich andere. Eigentlich sogar sehr viele, was auf mich keinen sehr deeskalierenden Eindruck macht. Krisenintervention sieht anders aus. „Wir kommen hier nie weg“, dachte ich nur, als die Hälfte der Belegschaft sich lauthals um die Frau kümmert. Die andere Hälfte ist – wie ich – vermutlich der Sprache nicht mächtig. Plötzlich ist Ruhe. Ganz plötzlich. Mir vollkommen unverständlich. Ich sollte meinen Kriseninterventionsansatz noch einmal überdenken. Die Türen schließen und der Fahrer fährt los. Ich versuche jetzt erst einmal zu schlafen. Gesamtes Pilgerbuch…

 

1 Rückmeldung

  1. Paus sagt:

    Der Camino öffnete in Spanien wieder am 1. Juli 2020. Die Folgen von Corona waren überall noch zu spüren. Die Maskenpflicht galt noch in ganz Europa und die Menschen blieben auf Abstand. Flugverbindungen waren zum Teil noch ganz gestrichen oder sehr stark eingeschränkt.
    Nie habe ich den Camino so leer erlebt, wie in diesem Jahr. Mir begegnete an vielen Tagen kein einziger Pilger. Ohnehin hatte ich den Eindruck, dass der Weg in diesem Jahr stark „männerlastig“ war. Zudem fehlten vollkommen die Pilger aus Asien und Amerika. Oft war ich der Einzige in einer Herberge. In diesen waren die Gemeinschaftsküchen gesperrt, was auch bei Anwesenheit mehrerer Pilger das abendliche gemeinschaftliche Kochen – das ich überaus liebe – ohnehin unmöglich gemacht hätte.
    In den Schlafräumen galt: je Pilger einen neuen Papierbettbezug für die Matratze und das Kopfkissen. Schon bei der Ankunft wurden die Schuhe desinfiziert und der Rucksack in einen Plastikbeutel verstaut. Was ich nie wirklich ganz verstanden habe, da spätestens im Schlafraum jeder Pilger an seinen Rucksack musste, keiner trug ihn zum Spaß mit sich herum. Es gab noch vieles was fremd war, manches ärgerte, manches belustigte.

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