Ursprünglich war es eine Idee, jetzt wurde sie umgesetzt. Acht Gefängnisseelsorger und eine Gefängnisseelsorgerin des Erzbistums Paderborn fliegen von Dortmund ins polnische Kattowitz. Von dort geht es in die Stadt Krakau. Josef Tyc und Alexander Glinka von der JVA Dortmund übernehmen die Planung und Durchführung. Sie haben polnische Wurzeln. Auf dem Programm steht das Gefängnis Montelupich in Krakau sowie der Besuch der ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz und Birkenau (siehe Teil II).
Titelbild von links nach rechts: Georg Becher (JVA Detmold und Bielefeld-Senne), Hubertus Schmidt (JVA Attendorn), Johannes Lange (JVA Hagen und Castrop-Rauxel), Alexander Glinka und Josef Tyc (JVA Dortmund), Daniela Bröckl (JVA Bielefeld-Senne), Winfried Grohsmann (JVA Werl). Unten: Michael King (JVA Herford), Jürgen Wiesner (JVA Hamm und JVK Fröndenberg).
Gefängnis mit Geschichte
Damit ist diese Studienreise geprägt von einer dunklen Geschichte, als auch von aktuellen Eindrücken vom gegenwärtigen polnischen Strafvollzug. Die erste Station ist das Krakauer Gefängnis Montelupich. Dieses ist Ende des 19. Jahrhunderts errichtet worden. Zwei der acht Gebäude des Ensembles stehen unter Denkmalschutz. Das Gefängnis wurde im Zweiten Weltkrieg von der Gestapo genutzt, in der Nachkriegszeit vom Innenministerium der UdSSR. Oskar Schindler wurde hier um die Jahreswende 1941/42 nach einer Denunziation von der Gestapo festgenommen. Im November 1944 kam Schindler nach seiner Verhaftung erneut in das Gefängnis Montelupich. In diesem Jahr erfolgte die gelungene Flucht eines anderen Häftlings aus diesem Gefängnis. Das Ereignis wird heute im Innenhof mit einer großflächigen Wandzeichnung anschaulich dargestellt. Eine aus Bayern geschenkte Marienstatue ist darin integriert.
Aus Zelle kein Blick nach draußen
Die Gruppe wird nach den üblichen Kontrollen von einer Psychologin und einem uniformierten Bediensteten empfangen. Das Gefängnis hat 690 Haftplätze mit einer Krankenabteilung von 20 Betten. Überwiegend sind es Untersuchungs-Häftlinge. Ein kleiner Teil davon sind Frauen. Etwa 100 Strafgefangene arbeiten in der Küche oder sind handwerklich im Haus tätig. Die Haftraum-Fenster sind mit einer matten Sichtschutzscheibe von außen bedeckt. Aus den Zellen mit einer Belegung von 6 bis zu 10 Inhaftierten, die in Doppelstockbetten schlafen, kann man nicht hinausschauen. Am Ende des Hofes trifft die Gruppe auf eine Gedenktafel mit einem schwarzen Kreuz. Sie erinnert an den im Jahr 1949 außerhalb der Mauern erschossenen Geistlichen. Im Jahr 1988 wurde das letzte Todesurteil innerhalb der Mauern an dieser Stelle vollstreckt. Vieles aus der Zeit der Gestapo und danach zur sowjetischen Zeit bleibt im Dunkeln.
Deutliche Distanz zu Bediensteten
Die deutschen Gefängnisseelsorgenden werden auf die Abteilung 4 gebracht. „Manche der Gefangenen arbeiten tagsüber außerhalb des Gefängnisses in der Grünanlage des Verwaltungsgebäudes“, erklärt der Bedienstete. Besonders auffällig sind die gelben Telefone im Flur. „Die Inhaftierten können einmal am Tag sieben Minuten nach draußen telefonieren“, berichtet die Psychologin. „Das wurde während der Pandemie eingeführt“, fügt sie erklärend hinzu. Josef Tyc aus Dortmund hat alle Mühe, die reichhaltigen Inhalte vom Polnischen ins Deutsche zu übersetzen.
Heute will das Gefängnis europäische Standards erfüllen. Die über 600 Bediensteten haben neue Uniformen bekommen. „Nichtsdestotrotz bleibt eine große Distanz zwischen den Bediensteten und den Gefangenen. Dass ein Beamter bei der Entlassung eine Tasche des Gefangenen trägt, ist hier nicht möglich“, erzählt der zuständige polnische Priester. 90 % der Inhaftierten seien katholisch. Ein orthodoxer Priester kommt ab und zu in die Anstalt. In Polen gibt es (noch) keine LaientheologInnen, die in diesem Bereich tätig sind.
Fotos: Michael King und Katarzyna Dudek
Eindrücke im Gefängnis Montelupich
Bunt-traditionelle Minikapelle
In der Mitte des Stockwerks befindet sich die Kapelle. Eine schwere Holztür wird geöffnet. Die Gäste aus Deutschland findet sich in einem runden engen Raum wieder, in dem Kunstwerke des auferstandenen Christus, der Gottesmutter Maria und den zwei Päpsten, Franziskus und Johannes Paul II platziert sind. Neben verschiedenen Sprachen lesen sie in deutsch das Psalmwort „Lobet den Herrn alle Völker“ zwischen den Darstellungen. „Vor zehn Jahren wurden die Bilder von einem Dollarfälscher gemalt“, schmunzelt der Vinzentinerpater Jerzy Berdychowski. Drei Gefangene, die sich im Raum befinden, werden höflich, aber deutlich klar hinausgebeten. Seit fünf Jahren arbeitet der Ordensmann mit 50 % Arbeitspensum hinter Gittern. Ihm sind vor allem die Gespräche mit den Gefangenen in der kleinen Kapelle wichtig. Im Gegensatz zur Gefängnisseelsorge in Deutschland hat er keine Schlüssel. Der Strafvollzug ist in Polen zentral von Warschau aus organisiert.
Bei Kaffee und Keksen außerhalb des Verwaltungsgebäudes erzählt der Priester von seinem Seelsorgekonzept. Täglich wird in der Kapelle eine Messe gefeiert, an der bis zu zehn Inhaftierte teilnehmen können. Für Gespräche wird eine Namensliste von interessierten Gefangenen erstellt, die ihm über die Bediensteten zukommt. Berdychowski zieht einen Holzrosenkranz und ein Gebet-Büchlein aus seiner Tasche und demonstriert, dass ihm diese zwei Dinge die wichtigsten Materialien im Gefängnis sind. „Noch nie habe ich in der Gemeinde erlebt, dass so viele Menschen bei mir beichten wollen“, betont er mit einem lachenden und ernsten Gesicht.
Krakau – Stadt des Papstes Johannes Paul II
Beim abendlichen Gang in die Altstadt von Krakau, bestaunen die Teilnehmer auf dem Hauptplatz die majestätische Marienbasilika mit den ungleichen Türmen. Es ist eine besondere Atmosphäre mit den Pferdekutschen, dem Basar und den vielen Restaurants. Ein Trompetenruf ertönt vom Turm der Marienbasilika. Jede Stunde wird dieser in Erinnerung an einen tapferen Trompeter gespielt, der im 13. Jahrhundert die Stadt vor einem Tatarenangriff warnte. Der im Jahr 2005 verstorbene Papst Johannes Paul II war Erzbischof von Krakau. Sein Erbe ist in der Stadt präsent. Auf dem großen mittelalterlichen Marktplatz Europas merkt man wenig davon.
Immer wieder sprechen junge Damen einzelne Männer an und machen Werbung für einschlägige Bars in den Kellergeschossen der Innenstadt. Seriöse AnwerberInnen laden ein, in ihren Restaurants zu essen. Einen Abend genießt die Studiengruppe das Restaurant „Piano Rouge“, einem Lokal tief unten in Kellergewölben. Mit Live-Klaviermusik und dem Gesang einer Sängerin werden die Eindrücke der Stadt an der Weichsel mit dem jüdischen Viertel ausgetauscht.
Michael King
Fortsetzung: Besuch in der Gedenkstätte Auschwitz und Birkenau Teil II