„Schöne Pfingsten“ wünschen sich die Leute und meinen eine hoffentlich erholsame Zeit über die Feiertage. Was Pfingsten in den christlichen Kirchen gefeiert wird, bleibt derweil für die meisten Menschen ein Geheimnis. Weihnachten und Ostern sind noch einigermaßen zu erklären, was aber bedeutet dieses Fest mit dem „Heiligen Geist“? Womöglich ist die eigentliche Bedeutung dieses Festes nicht nur für nichtchristliche Menschen, sondern auch für manche Christgläubige ein Geheimnis.
Das ist gar nicht so verkehrt, denn die Wirklichkeit Gottes ist nun mal ein Geheimnis: jeder Zugriffsmöglichkeit unseres rationalen Denkens entzogen, unbegreiflich und unberechenbar – und zugleich unmittelbar, bedingungslos sich verschenkend, uns näher als jedes Bild, das wir von uns selbst haben. Wie soll das zu erklären sein? In kirchlicher Liturgie, in Katechese, Gebeten und Liedern sind wir viele Etiketten gewohnt, wie und wo der Heilige Geist vorkommt, doch unter ihnen stellt sich nicht automatisch ein Erlebnis dieser geheimnisvollen Wirkung Gottes ein.
Hebräisch die „ruach“
Wir können sie nur erfahren, wo wir offen sind auch jenseits unserer Glaubensbilder und -bekenntnisse, wo wir bereit sind, uns überraschen zu lassen und den Mut haben, das eigene Leben, die Welt und Gott selbst unvoreingenommen, wie ganz neu anzusehen. Denn die Wahrheit, die Gott ist, können wir nicht in Dogmen oder festgelegten Naturgesetzen fassen, sie ist eine von Gott herkommende Bewegung, die längst nicht endet, nur weil wir denken, es sei uns alles klar. „Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen“, ist von Jesus im Johannesevangelium zu hören. „Kommt aber jener, der Geist der Wahrheit, so wird er euch in aller Wahrheit führen“. Erst im Verzicht auf alle Festlegung und im sich aufmachen mit der Bereitschaft, sich führen zu lassen ins Unvorhersehbare, kann diese Geisteskraft Gottes erfahren werden. Im Beginn der Schöpfung nennt sie die Bibel hebräisch die „ruach“, die aus dem Chaos Leben schaffende Kraft Gottes. So gilt es, persönliche Erfahrungen zu achten, besonders an den Stellen, an denen wir an Grenzen kommen, wo wir nicht mehr weiterwissen, wo unsere Selbstsicherheit ins Wanken gerät und der Zweifel uns in neues Suchen und Fragen bringt.
Offener Himmel
Das sind Situationen, in denen unser gewohntes System plötzlich aufbricht und nach oben hin den offenen Himmel durchscheinen lässt. Ohne zu wissen, was folgen wird, lassen wir Licht und neues Leben in uns, bereit, womöglich ganz neue Wege zu gehen. Es geschieht, wo sich ein Mensch auch entgegen seinen Ansprüchen der Stimme des Herzens überlässt, wo es gelingt, aus dem Gefängnis des Egoismus herauszutreten, wo ohne irgendwelche Worte der Behauptung das Mitgefühl einfach fließen darf. Da ist ein Mitschwingen in der geheimnisvollen Bewegung des Heiligen Geistes. Du kannst es weder machen noch festhalten, nur empfangend spüren im Aufatmen. Das Johannesevangelium erzählt von einem angehaucht sein von Jesus und der überraschenden Verbundenheit vieler völlig unterschiedlicher Menschen, die nun einander verstehen.
GeistIn weht wo er/sie will
Vieles in unserer Welt und in unseren Kirchen zeugt von einer anderen Wirklichkeit. Da sind Selbstbehauptungen, Schuldzuschreibungen, Machtübernahmen, Herrschaft, Diskriminierung bis hin zu Ausgrenzung und Krieg. Geistlos sind solche Handlungen. Vielleicht entstehen sie aus einer Angst vor dem Unberechenbaren und dem nicht im Griff-haben des Lebens, letztlich aus einer Angst vor dem Heiligen Geist oder Geistin. Der/die aber, Gott sei Dank, weht, wo er/sie will.
Christoph Kunz