Bayerische Strafgefangene dürfen gemäß Artikel 35 BayStVollzG Absatz 1 nur ,,in dringenden Fällen” mit ihren Angehörigen telefonisch in Kontakt treten. Diese „dringenden Fälle” beschränken sich laut Rechtsprechung auf Todesfälle, Fristen oder ähnliche Ausnahmesituationen, in denen ein Brief nicht ausreichen würde. Mit anderen Worten: erst muss ein Familienmitglied sterben, bevor der Häftling mit einem verbliebenen Angehörigen telefonieren darf. Einzig im bayerischen Strafvollzug hält man noch im Jahr 2020 an der Praxis der Isolierung fest und diskriminiert dabei ganz offen bayerische Strafgefangene, indem man ihnen den wichtigsten Aspekt der Resozialisierung vorenthält, nämlich den effektiven Kontakt zu Familie, Kindern und Freunden.
Damit verletzt der bayerische Strafvollzug einige seiner eigenen Gesetze, wie Teile des Artikel 5 und Artikel 26 des BayStVollzG sowie Teile des Artikel 1, 3 und 6 des Grundgesetzes (GG). Die Gefangenen der JVA Straubing sind aufgrund der stark beschränkten Telefonpraxis gezwungen, bei den zweimonatlichen Telefonaten zwischen Sozialkontakten zu entscheiden, so dass zwangsläufig die meisten Kontakte vernachlässigt werden und somit verkümmern, während nur einige Kilometer entfernt in angrenzenden Bundesländern jeder Strafgefangene beliebig mit seiner Familie telefonieren darf. Die JVA Straubing lässt ihre Häftlinge die keinen Besuch erhalten, nur alle 2 Monate für ca. 20 Minuten ein Telefonat mit einem direkten Familienmitglied führen und behauptet, dies würde ausreichen, um einer Entfremdung der Gefangenen zu ihren Familien entgegen zu wirken.
Petition zu Telefongesprächen
Gemäß § 115 der Verfassung des Freistaates Bayern (Bayerisches Petitionsgesetz) wird eine Änderung des Artikels 35, Absatz 1 des Bayerischen Strafvollzuggesetzes gefordert. Von: „Gefangenen kann in dringenden Fällen gestattet werden Ferngespräche zu führen“ in: „Gefangenen kann gestattet werden, Ferngespräche zu führen“.
In anderen Anstalten der Sicherheitsstufe 1 wie Brandenburg an der Havel, Oldenburg, Tegel sowie Werl – um nur einige zu nennen – gibt es bereits die Haftraumtelefonie, in der JVA Hohenleuben sowie Oldenburg nutzen die Gefangenen ein Haftraum – Mediasystem, mit dem sie fernsehen, telefonieren, unter Überwachung E-Mails versenden sowie auf ausgewählte Internetseiten zugreifen können. Bei der hiesigen Praxis müssen sich Häftlinge an vorgeschriebene Zeiten halten, in denen sie telefonieren dürfen. In der Regel sind das Werktage vom Montag – Donnerstag zwischen 18 Uhr und 20.30 Uhr. Jedoch führen diese vorgeschriebenen Zeiten sehr häufig zu Frustrationen unter den Gefangenen, da ihre Gesprächspartner zum Großteil berufstätige Personen sind, die zu den oben genannten Zeiten schlichtweg noch nicht zuhause sind.
Insbesondere die Langzeithäftlinge mit teilweise zehn, fünfzehn oder mehr Jahren Haftzeit, entfremden sich bei dieser Praxis von den Familien, Frauen, Kindern und Freunden. Sie verlieren den Rückhalt und Anschluss einer normalen Welt, in die sie eines Tages entlassen werden sollen, um nützliche Mitglieder der Gesellschaft zu sein. Deshalb organisiert die Gefangenen Mitverantwortung (GMV) diese Petition und fordet, dass freier mit der Familien kommuniziert werden kann. Ohne regelmäßige Gespräche – wofür Briefe heutzutage nicht ausreichen, um Kontakte am Leben zu halten – fällt für Gefangene dieser soziale Empfangsraum unwiederbringlich weg. Damit geraten Menschen nach der Haftentlassung in noch größere Vereinsamung und sozialen Notstand.
Der Gesetzgeber schreibt eine Mindestbesuchsdauer von 60 Minuten im Monat vor und selbst die sind, wie Inhaftierte oder Besucher bestätigen können, sehr schnell verstrichen. Das sind 720 Minuten im Jahr, die einem Gefangenen an Kontakt von Rechts wegen zustehen und das absolute Minimum darstellen, um das Vollzugsziel der Resozialisierung und Wiedereingliederung “sicher” zu stellen. Es ist also schlichtweg nicht möglich mit 120 Minuten Telekommunikation im Jahr bei einer mehrjährigen Haftstrafe weiterhin Teil der Familie und dem sozialen Gebinde zu bleiben. Gerade bei Kindern werden die Inhaftierten früher oder später lediglich zu einer gesichtslosen Stimme, die alle 2 Monate für 20 Minuten anruft und immer dieselben Fragen stellt.
Empfehlungen des Europarates
Vollkommen ignoriert wird die bereits 2018 veröffentlichte Empfehlungsliste des Ministerkomitees des Europarates, das zur Stärkung der Rechte von Kindern inhaftierter Elternteile beitragen sollte. Zu diesen Empfehlungen gehören neben dem Recht des Kindes auf regelmäßigen, wöchentlichen Kontakt zu inhaftierten Eltern bei persönlichen Treffen auch alternative Kommunikationsmöglichkeiten wie beispielsweise Video-Gespräche (Skype), Telefon- sowie Internetsysteme – einschließlich Webcams und Chatfunktionen. Eine entsprechende Infrastruktur sei hierfür bereit zu stellen. Der bayerische Strafvollzug steht diesen Empfehlungen evident gleichgültig gegenüber, während er von Familienwert und Zusammenhalt spricht. Was soll aus Menschen werden, die jahrelang im Gefängnis vereinsamen und dann in eine Welt entlassen werden, in der sie niemanden mehr kennen, weil Briefe nicht ausreichen um eine funktionierende Beziehung aufrecht zu erhalten. Besonders betroffen von dieser Praxis sind Gefangene, die vollständig auf Briefe als einzige Kommunikationsform angewiesen sind.
- Dazu zählen Gefangene, die keinen Besuch erhalten, weil die Besucher entweder zu finanzschwach oder körperlich nicht in der Lage sind, die Fahrt zum Gefängnis auf sich zunehmen. Oder ausländische Gefangene, deren Angehörige manchmal tausende Kilometer weit weg leben. Diese Menschen haben keine Möglichkeit den Gefangenen zu besuchen. Was dazu führt, dass Familien in manchen Fällen ein Jahrzehnt lang auf Briefverkehr angewiesen sind.
- Die Postzustellung funktioniert in einigen Ländern nicht immer gut, so dass Häftlinge oft in optimalen Fällen bis zu drei Monate auf eine Antwort warten müssen. Leider stellt sich sehr häufig heraus, dass die Briefe bei den Familien überhaupt nicht ankommen.
- Am schlimmsten ergeht es Personen mit Einschränkungen (bspw. Analphabeten oder Legastheniker). Sollen diese Menschen ihre Briefe mit ihren Gedanken von anderen Häftlingen oder Sozialarbeitern schreiben und lesen lassen?
2 Rückmeldungen
Und trotz des “Schutzes der Familie” und des Gedanken des Widereingliederns in die Gesellschaft, wird in Bayern mit aller Kraft an der Verhinderung dieser Ziele gearbeitet.. Die Beamten, eigene Aussage, freuen sich schon darauf, wenn das “elende Telefonieren” endlich wieder ein Ende hat!
Wir reden hier von 2 x 20 Minuten pro Monat, die aufgrund der eingeschränkten Besuchsmöglichkeiten momentan gewährt werden. Nach Corona gibt es dann wieder 1 Stunde Besuch pro Monat, hurra! ( Achtung Ironie ) Welche Beziehung hält dies über Jahre aus? Sicher, i.d.R. sind die Inhaftierten nicht ohne Grund im Gefängnis, aber wenn eine Anstaltspsychologin einem weinenden 10 Jährigen den Satz “Hör auf zu plärren, einmal pro Monat besuchen reicht, wir sind hier nicht auf dem Ponyhof!” mit auf den Heimweg gibt, dann stinkt der Fisch auch noch an ganz anderen Stellen!
…aber wie heist es so schön: Man kriegt was man zahlt und Bayern zieht sich somit einen nicht enden wollenden Nachschub an gefährlichen, asozialen, Straftätern heran. Aber vielleicht ist es ja so gewollt, in diesem ach so christlichen Land.
In den Justizvollzugsanstalten der Bundesländer dürfen Gefangene sicher nicht beliebig telefonieren. Schon vor Coronazeit sind im Justizvollzug offiziell Möglichkeiten der Telefonie für Inhaftierte mit entsprechender Überwachung geschaffen worden. Die Corona-Pandemie und damit das einhergehende strikte Besuchsverbot hat den Vollzug neue Wege beschreiten lassen. So gibt es in einigen Gefängnissen nicht nur die Notlösung, per Skype zu telefonieren, sondern es wird auch nach der Pandemie fortgeführt. In einem selben Bundesland sind die Regelungen schon in den einzelnen Justizvollzugsanstalten sehr unterschiedlich. In den Vollzugsgesetzen der Länder ist der “familienorientierte Vollzug” beschrieben. Die Haftzeit ist eine besondere Ausnahmesituation – sowohl für den Inhaftierten, als auch für seine Angehörigen. Die Familie kann während der Haftzeit eine unverzichtbare Unterstützung für den Inhaftierten sein, und ist wichtiger Ansprechpartner für Bedienstete und Fachdienste.