„As-salämu ‚alaikum – Friede sei mit Ihnen“, mit diesen Worten beginnt Redzo Sekic sein Grußwort zur Tagung der Evangelischen Gefängnisseelsorge. Sekic ist hauptberuflicher muslimischer Seelsorger in fünf bayerischen Justizvollzugsanstalten: Niederschönenfeld, Gablingen, Neuburg-Herrenwörth, Regensburg und Straubing. Rund 80 TeilnehmerInnen aus dem Bundesgebiet, Dänemark, den Niederlanden, Österreich und der Tschechei hören dem Gast im Bildungszentrum Erkner bei Berlin aufmerksam zu.

Gruppe von GefängnisseelsorgerInnen mit dem muslimischen Seelsorger zu Besuch in der Kuppel des Bundestages.
Im Namen Gottes, des Allerbarmers, des Barmherzigen, beginne ich mit einem Vers aus dem Koran – Sure Al-i Imran, Vers 64: „O Leute der Schrift, kommt zu einem Wort, das uns gemeinsam ist: dass wir nur Gott dienen, Ihm nichts beigesellen und niemanden zu Herren nehmen außer Ihm.“ Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen in der Seelsorge, ich danke Ihnen herzlich für die Einladung und freue mich, Sie im Namen der muslimischen Gefängnisseelsorge zur 76. Jahrestagung begrüßen zu dürfen.
Knast geprägt von Grenzerfahrungen
Das diesjährige Motto „Bunter Vogel Freiheit“ berührt tief- gerade in unserem gemeinsamen Arbeitsfeld, das geprägt ist von Grenzerfahrungen: Schuld und Umkehr, Begrenzung und Hoffnung, Isolation und Beziehung. Freiheit – so erkennen wir – ist mehr als die Abwesenheit von Mauern. Es ist die Freiheit des Herzens, der Gedanken, des Gewissens – eine Freiheit, die sich aus Würde, Glaube und Verantwortung speist. Auch im Islam ist diese innere Freiheit zentral: Der Glaube selbst lebt aus der freiwilligen Entscheidung des Menschen – nie aus Zwang. Unsere seelsorgerliche Begleitung sucht daher nach Räumen der Reifung, des Innehaltens, der Sinnfindung. Wir begleiten – wie Sie – Menschen auf Wegen der Selbstreflexion, der Reue, manchmal der Neuorientierung.
Eine Vielfalt von Perspektiven
In dieser Aufgabe sind wir als Seelsorgende verschiedener religiöser Traditionen zutiefst verbunden. Die Vielfalt unserer Perspektiven ist kein Widerspruch, sondern eine Stärke – wenn wir sie im Geist gegenseitiger Achtung und gemeinsamen Lernens leben. Ich danke der Evangelischen Konferenz für Gefängnisseelsorge für den Raum, den sie dem interreligiösen Austausch gibt. Er ist ein Zeichen von Offenheit, Vertrauen und dem gemeinsamen Willen, den Menschen in Haft in all ihrer Verschiedenheit gerecht zu werden. Ich wünsche gute, ehrliche Begegnungen, inspirierende Impulse und vor allem: den Mut, gemeinsam an einer Praxis zu arbeiten, die Freiheit nicht nur verkündet – sondern erfahrbar macht.
Redzo Sekic | 76. Jahrestagung Evangelische Konferenz für Gefängnisseelsorge in Deutschland