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Mittwochs-Themen hätten hohe Zuschauerquoten

23. August 2020

Was haben Asche, Buße, Verrat und die Erschaffung der Gestirne gemeinsam? Sie haben mit einem Mittwoch zu tun. Weil sie mittwochs stattfindet, heißt sie Mittwochsgruppe. Fünfzehn Gefangene der Justizvollzugsanstalt Bochum nehmen daran teil. Es handelt sich um eine seelsorgliche Gesprächsgruppe, themenzentriert. Der Bogen zwischen Leben und Glauben wird sehr weit gespannt. Ausgegangen wird vom Leben, von aktuellen Fragestellungen. Besonders „fromm“ ist die Gruppe nicht. Aber christliche Bezüge gibt es immer. Würden die Redebeiträge live und ungekürzt gesendet, hätte die Veranstaltung eine hohe Zuschauerquote.

An drei Tagen im Jahr, drei Mittwochen, braucht nicht eigens nach Themen gesucht zu werden. Sie stehen fest. Es geht um die geprägten Mittwoche, den Aschermittwoch, den Kar-Mittwoch und den Buß- und Bettag. Sie hängen miteinander zusammen. Am Aschermittwoch ist das Thema ganz einfach die Asche. Von außen nach innen gehen wir an die Sache heran. Jeder kann etwas beitragen. Die Aschentonne wird genannt, der Ascheplatz, die Vulkanasche, aus der wieder fruchtbare Böden entstehen können. Von der Asche als Reinigungsmittel wird gesprochen, als Düngemittel. Von der Asche bestimmter Bäume als Geschmackszugabe berichtet ein inhaftierter Wurstfabrikant. Warum man oft Geld als Asche bezeichnet, kann nicht geklärt werden. Schließlich die unvermeidliche Frage, wo denn die Asche biblisch vorkommt. Einige weisen hin auf Buß- und Notzeiten, in denen Einzelne oder das Volk in Sack und Asche gingen oder Asche auf ihr Haupt streuten. Und sich ändern und bessern wollten.

Asche – verbrannte Erde und Träume

Zentraler Punkt am Aschermittwoch ist immer der Blick auf Aschezeiten im eigenen Leben, auf verbrannte Pläne und Träume. Und darauf, ob und wie aus solchen Aschezeiten hinterher noch etwas Gutes hervor gehen kann. Plötzlich ist die Aschermittwochsasche sehr aktuell. Und die Einladung zum Empfang des Aschekreuzes am Sonntag darauf wird nicht als unpassend empfunden. Sechs Wochen später folgt der Mittwoch in der Karwoche. Die orthodoxe Kirche erinnert an dem Tag immer daran, dass Judas den Meister verraten und verkauft hat. Damit steht das Thema am Kar-Mittwoch fest, der Verrat. Fast jeder der Inhaftierten kann eine Geschichte erzählen vom Verraten-werden. Wie er „verpfiffen“ wurde, wie er „weggezinkt“ wurde. Wie der Mittäter „gesungen“ hat, „ausgepackt“ hat. Der Paragraph 31 spielt eine Rolle, die Strafverkürzung bei vollem Geständnis und Nennung der Beteiligten der Straftat. Bei Staatsanwaltschaften ist der Paragraph beliebt, in den Vollzugsanstalten ist er verhasst. Die Meinung des Seelsorgers, dass es aus christlicher Perspektive das Beste ist, die Wahrheit zu sagen, dringt nicht so richtig durch.

Strafe verbüßen – Reue?

Schließlich steht auch das Thema am Mittwoch vor dem letzten Sonntag im Jahreskreis fest, dem evangelischen Buß- und Bettag. Buße, Reue, Strafe – was heißt das für die Männer? Alle verbüßen eine Strafe. Ist sie am Ende auch verbüßt? Bereut man oder sitzt man nur ab? „Ich habe Schuldgefühle gegenüber meiner Tochter. Das geht durch fünf Jahre Knast nicht weg.“, sagt einer. „Nach vielen Jahren Haft bereue ich nichts mehr. Die Schuldgefühle verschwinden. Ich habe keinen Bezug mehr zur Tat“, erwidert ein anderer. Jeder versucht die Begriffe zu füllen an diesem vorletzten Mittwoch im Kirchenjahr. Einen biblischen Mittwoch gäbe es auch noch. Der kam aber als Thema noch nicht vor in der JVA. Es ist der Mittwoch der Schöpfungsgeschichte, nach dem ersten Buch Moses der Tag vier der Schöpfung, der Mittwoch. Da schuf Gott die Gestirne, die Sonne, den Mond, die Sterne. Exegeten sehen darin eine Polemik gegen die Astralreligionen, die Gestirne selber für Götter halten. Der biblische Gott steht darüber. Er ist am Schöpfungsmittwoch der Schöpfer der Himmelslichter.

Emmanuel Kant fällt einem ein. Zwei Dinge, so sagt er, erfüllen ihn mit Bewunderung und Ehrfurcht. Zuerst „der bestirnte Himmel über mir“, Hinweis auf die Größe und Schönheit der Schöpfung und auf die Kleinheit des Menschen. Wir sind nur kleine Lichter, könnte man sagen. Aber hier kommt das Zweite hinzu, das in Kant höchste Ehrfurcht auslöst, „das moralische Gesetz in mir“. Das unterscheide ihn von den Tieren und hebe unendlich den Wert der menschlichen Person. Mit diesen Gedanken zum Schöpfungs-Mittwoch sind wir wieder bei den Inhalten der anderen geprägten Mittwoche. Die haben alle ernsten Appellcharakter: Ändere mitten in der Woche, mitten im Leben, jetzt, direkt – sagt der Kölner, was geändert werden muss!

Alfons Zimmer | JVA Bochum

 

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