Die lebenslange Freiheitsstrafe gilt weithin als alternativlos. Selbst KritikerInnen der Sanktion sind vielfach der Auffassung, dass unter den gegebenen Bedingungen eine Abschaffung unrealistisch wäre, weil „ein System, das von vornherein nur zeitliche Strafen kennt, wäre der Öffentlichkeit zum jetzigen Zeitpunkt nicht vermittelbar.“
Gegen menschenrechtliche Bedenken wird gerne ins Feld geführt, Lebenslang sei längst – spätestens seit Einführung des § 57a StGB (Strafaussetzung zur Bewährung nach Mindestverbüßungsdauer) – nicht mehr lebenslang, sondern de facto eine Zeitstrafe. BefürworterInnen der lebenslangen Freiheitsstrafe betonen gerne den „normfestigenden Charakter“ der Sanktion. Die ultimative Strafe sei unverzichtbar, um den besonderen Wert der durch sie ‚geschützten‘ Rechtsgüter zu verdeutlichen. Lebenslang gilt hier als „Flaggschiff“ des Strafrechts und „zumindest derzeit noch unerlässlich für die Verwirklichung der Kommunikationsaufgabe, die das Strafrecht hat.“
In den Empfehlungen der vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz ins Leben gerufenen Expertenkommission zur Reform der Tötungsdeliktsnormen heißt es sogar, die lebenslange Freiheitsstrafe sei „sozialethisch gleichsam die ‚Leitwährung‘ des Strafrechts.“ Die Strafverteidigervereinigungen sehen dies anders: Die lebenslange Freiheitsstrafe ist eine Vernichtungsstrafe. Als Totalverfügung des Staates über den von ihr betroffenen Bürger macht sie ihn zum Objekt von Strafe. Sie fügt damit den von ihr Betroffenen wie auch dem Rechtssystem einen anhaltenden und schwer zu heilenden Schaden zu. Aufgrund ihres grenzenlosen Charakters passt sie nicht in das Strafe begrenzende System des Schuldstrafrechts.
Anstoß für ein neues Leben“, so heißt die bundesweite Initiative der Sepp-Herberger-Stiftung zur Resozialisierung jugendlicher Strafgefangener.
Die lebenslange Freiheitsstrafe macht das Leben nicht sicherer. Vor allem im Bereich der Tötungsdelikte zeigt sich die völlige Wirkungslosigkeit der generalpräventiven Abschreckung durch Strafe. Und: Die lebenslange Freiheitsstrafe ist keineswegs alternativlos. Die Strafverteidigervereinigungen sind daher der Ansicht, dass die lebenslange Freiheitsstrafe abgeschafft werden muss. Die lebenslange Freiheitsstrafe ist als Ersatz für die Todesstrafe eingeführt worden, ursprünglich zum Zwecke, härter als mit dem Tode strafen zu können. In Deutschland wird die lebenslange Freiheitsstrafe (LL) in fast 95% aller Fälle für Mord verhängt. Der aus der Nazizeit übernommene „Mörderparagraph“ des Strafgesetzbuches (§ 211 StGB) definiert als einziger den Täter statt die Tat („Mörder ist, wer…“). Es hält sich hartnäckig das Gerücht, LL bedeute „nur“ 15 Jahre. Die Praxis zeigt jedoch ein ganz anderes Bild. 15 Jahre sind die Mindesverbüßungsdauer, 22 Jahre ist die Durchschnittsverbüßungszeit, viele sitzen daher länger als 30 Jahre ein. Für ca. 1/5 bis 1/6 der Täter (Täterinnen gibt es bei Mord verhältnismäßig sehr wenige) bedeutet LL auch real lebenslänglich: sie sterben im Knast. Ständig befinden sich rund 1200-1300 Personen mit dem Urteil LL in Haft. Die durchschnittlichen Verbüßungsdauern sind seit Einführung der Schuldschwereklausel (die „Schwere“ der Schuld und die „Gefährlichkeitsprognose“ entscheiden über Haftfortsetzung nach 15 Jahren) länger statt kürzer geworden, vergleicht man die Haftdauern mit den Haftzeiten, die z.Zt. der Gnadenpraxis üblich waren.
Quellen: Strafverteidigungsvereinigungen, Netzwerk Friedenskooperative Bonn