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Momentaufnahme: Leben hinter Gittern in Coronazeit

11. September 2020

Äußerlich gesehen hat sich in den Corona-Zeiten in der JVA Herford kaum etwas geändert. Bedienstete kommen und gehen, junge Männer werden inhaftiert oder nach ihrer Haftzeit entlassen. Doch hinter den Mauern hat sich ein sensibles fast unsichtbares Netz aus Hygienevorschriften gespannt. Desinfektionsspender, Abstandsmarken, ein freundliche Zuwinken statt Händeschütteln, Besprechungen mit vorgegebenen Plätzen, die die Abstände im Alltag wie selbstverständlich festlegen. Die Coronaschutz-Vorschriften für die Bediensteten und Angestellten der JVA sind in den Routinebetrieb übergegangen. Da und dort nervt es, wenn man in alte Gewohnheiten zurückfällt. Dies gilt auch für die derzeit ca. 240 jungen Männer, die im Jugendvollzug in Untersuchungs- oder Strafhaft einsitzen im Prinzip auch.

Der umgebaute Besucherraum mit Trennwänden aus Plexiglas und Sprechanlage.

Doch schmerzlich wird es an den Stellen, wo sie mit der Welt draußen in Berührung kommen. Anfangs, in der Zeit des Lock down, musste ihnen erst einmal erklärt werden, was draußen los ist: Unvorstellbar, dass die Geschäfte zu hatten, die Straßen leer waren und alle sich, wenn möglich zu Hause aufhalten sollten. Wer über die neu eingeführte Möglichkeit von Skype oder per Telefon in Kontakt mit seiner Familie war, konnte das Unglaubliche sich bestätigen lassen. Spürbar und schmerzlich wurde es, als die Besuchertermine der Angehörigen auf Grund der Coronschutz-Bestimmungen abgesagt und bis auf weiteres ausgesetzt wurden. Über Wochen blieb die Besuchsabteilung verweist. Erst zögerlich, dann aber mit klaren Regelungen sind private Besuchstermine wieder möglich.

Die Besuchsabteilung wurde provisorisch umgebaut, sodass man hinter Plexiglas und mit Telefon, wie man es aus amerikanischen Gefängnissen meint zu kennen, seine Familie wiedersehen kann. Noch ist die Besuchsdauer eingeschränkt, um möglichst allen jungen Männern diese Art der Kontaktaufnahme zu ermöglichen. Berührungen sind dabei aber ausgeschlossen. Auch hier hat sich Routine breit gemacht. Hauptsache man könne seine Familie mal wiedersehen, wird in den Gesprächen oft gesagt. Und die Kontaktaufnahme per Skype hat für manchen auch etwas positives, bekommt man doch mal wieder einen Eindruck von zu Hause.

Wer heute inhaftiert wird, verbleibt für 14 Tage auf einer Quarantäneabteilung. Im wahrsten Sinne des Wortes geht hier die JVA auf Nummer sicher. Dies betrifft auch die zuständigen Bediensteten der JVA. Nur mit entsprechenden Abständen und Schutzausrüstung findet der Kontakt statt. Erst dann beginnt für die jungen Männer der Haftalltag. Alle scheinen mittlerweile mit der Situation ihren Frieden gemacht zu haben. Doch dies nicht ohne da und dort zu erleben, welche Härten die Coronaschutz-Bestimmungen mit sich bringen: ein junger inhaftierter Vater, der sein Kind nicht auf den Arm nehmen kann; Bedienstete, die gerade in den ersten Tagen der Inhaftierung mit den jungen Männer nicht das ausführliche Gespräch suchen können; und die Verunsicherung bei allen, man könnte selber infiziert sein oder infiziert werden. So alltäglich der Umgang mit Corona scheint, so sehr bewegt das Thema auch hinter den Mauern und Gittern die Menschen, die diesen Alltag meistern müssen. Am Ende ist die JVA Herford auch in dieser Hinsicht ein Spiegel unserer Gesellschaft.

Stefan Thünemann | JVA Herford

 

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