Anfang September ist die Knastkrippe der JVA Herford in das RELÍGIO Museum in Telgte bei Münster für die Krippenausstellung abgeholt worden. Gut verpackt in Holzkisten sind die geschnitzten Figuren aus Lindenholz des Holzbildhauers Rudi Bannwarth im Münsterland angekommen. Dort ist die Knastkrippe des Jugendvollzuges bis Ende Januar 2025 präsentiert worden.
Laut Aussage der Museumsleiterin, Dr. Anja Schöne, haben in der Zeit etwa 10500 Menschen die Ausstellung besucht. Neben dem Museumseingang konnte das Kulissenbild des Gefängnistores und auf der anderen Seite ein Haftraum mit Bett angeschaut werden. Besonders Schulklassen haben sich mit pädagogischen Aufgaben an die etwas andere Krippendarstellung hinter den Mauern herangetastet. Das Motiv der Knastkrippe ist auf den Katalogen, Plakaten und Bannern zu sehen. Manche der BesucherInnen vermissten das Kind in der Krippe. Das Kind ist ein jugendlicher Inhaftierter auf dem Bett in seinem Haftraum, der von seinem Großvater (Josef) und seiner etwa 40 Jahre alten Mutter (Maria) besucht wird.
Weihnachtsgeschichte in einem anderen Licht
Jesus wird Mensch und zeigt sich durch Menschen heute. „Das Kind in sich bewahren und eben nicht kindisch zu sein“, so drückt sich ein jugendlicher Gefangener aus. „Manche sind wirklich Kinder im Vollzug“, kritisiert der aus Bulgarien stammende junge Mann. Tatsächlich befinden sich die Inhaftierten, wie Jugendliche und junge Erwachsene draußen ebenso, in der Entwicklungsphase. Sie haben hier und da delinquente Verhaltensweisen an den Tag gelegt und sind zu einer Haftstrafe verurteilt worden. An diesem Ort zeigt sich die Weihnachtsgeschichte in einen anderen Licht mit anderen Gesichtern. Die Botschaft bleibt dieselbe: Hoffnung keimt auf am dunklen Ort, der Stern schlägt regelrecht in die Szenerie ein. Eine Richterin als Besucherin wundert sich über die Frau in schwarzer Robe. „Sie soll eine Königin sein? Als Richterin werde ich oft nicht als solch jemand gesehen“, sagt sie. Als weiter KönigIn ist ein Bediensteter und eine Freundin oder Sozialarbeiterin mit einer Krone auf einem Kissen tragend zu sehen.
Abteilung Knastkrippe
Fast unbedeutend die Darstellung der kartenspielenden Jungs auf dem Freistundenhof des Knastes. Sie zeigen die Hirten, die damals weder lesen oder schreiben konnten. Die Botschaft kommt bei einfach Leuten an, wie sich Jesus später sich für die Menschen „am Rande“ einsetzt. Der Typ mit Malerkleidung gibt sich cool und wird als Engel mit Flügeln dargestellt. „Solche Gefangen gibt es im Vollzug. Sie haben einen guten Kern. Viele Geschichten gibt es zu erzählen, wie sich so jemand als Engel erweisen kann“, berichtet einer der Gefängnisseelsorger. Diese haben Post bekommen, indem sich ein anonymer Schreiber oder Schreiberin für die Knastkrippe und deren Bedeutung herzlich bedankt. „Es ist toll, dass das Leben und die Erfahrungen hinter Gittern in Telgte ausgestellt wurden“, heißt es in dem Brief, der an die „Abteilung Knastkrippe“ der JVA Herford adressiert ist.
Leben sucht sich seinen Weg
Nun ist die Krippe wieder an dem Ort, an dem sie von Gefangenen und dem Holzbildhauer gedanklich entworfen wurde. Sie ist zurück im Alltag des Jugendvollzuges. Das Spiegelbild des Geschehens der Krippe kann die Wirklichkeit durchdringen. Sie ermutigt, sein Leben immer wieder neu zu überdenken. Der Fußball, der im Sicherungszaun der JVA hängen bleibt, kann die menschlichen Geschichten, Abgründe und Neuanfänge symbolisieren. Dieses Detail des Balles haben Inhaftierte dazu gemacht. Ebenso wie das „Pendel“, dass aus Toilettenpapier zusammengerollt gefertigt ist und für die Tabakübergabe an den vergitterten Haftraumfenstern genutzt wird. „Das Leben sucht sich seinen Weg“, sagt ein Besucher, der sich die Krippe beim Vortrag der beiden Gefängnisseelsorger während der Ausstellungszeit ansah. Besser kann man die Weihnachtsgeschichte nicht erzählen…
Michael King