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Königliche Würde zeigt sich nicht in einer Überheblichkeit

20. November 2025

Empörung und Spott sind oft Teil eines öffentliches Fitnessprogramm. Das begegnet einem beim Spazierengehen („Immer diese Hundebesitzer!“), im Internet in Bewertungsportalen („Wer auch immer dieser Ärztin die Prüfung abgenommen hat!“) oder im Supermarkt („Es kann doch nicht so schwer sein…“). Man trainiert dabei Muskeln, die man gar nicht haben möchte: Häme, Überheblichkeit, das Gefühl, alles besser zu wissen…

Ich habe daran denken müssen, als ich eine biblische Geschichte gelesen habe. Es ist keine schöne oder wohlige Geschichte. Drei Menschen am Kreuz. Drei Menschen kurz vorm Sterben. In der Mitte hängt einer, der bei seiner Geburt schon „König“ genannt wurde und jetzt wieder, aber damals wie jetzt, am Ende seines Lebens aussieht wie wie das Gegenteil. Kein Gold, kein Glanz, keine Krone. Nur Spott. Ein König, den niemand ernst nehmen kann. Ein bisschen wie ein Politiker, dem alle auf X erklären, wie er seinen Job zu machen hat.

Was eine Krone ist

Und doch: Genau in diesem Moment – hilflos, ausgeliefert – zeigt Jesus, was eine Krone ist. Aber sein Königtum ist keines, das man in Militärparaden abnimmt. Es ist die unschlagbare Macht, die heute fast völlig aus dem öffentlichen Leben verschwunden ist: die Macht, nicht zurückzuschlagen. Nicht mit gleicher Münze heimzuzahlen. Die Macht, sich nicht durch den Hass der anderen definieren zu lassen. Die Macht, in einem Menschen in seinem schlechtesten Moment mehr zu sehen als nur seine Fehler. Der eine Verbrecher am Kreuz passt gut in unsere Zeit: „Wenn du der Sohn Gottes bist, dann rette dich selbst und steig herab!“ Wir kennen diese Sätze. Man hört sie auf Elternabenden („Sie sind doch die Lehrerin!“), in Fernsehdebatten, in diesen unsäglichen Kommentarspalten. Der Glaube, dass Stärke bedeutet, sich ständig zu behaupten. Der andere Verbrecher scheint mir hingegen der wirklich moderne Mensch zu sein. Der, den wir dringend bräuchten. Er sagt so etwas wie: „Ich hab wirklich Mist gebaut. Aber ich hoffe trotzdem.“ Das ist heute nahezu revolutionär. Entweder ist man unfehlbar – oder erledigt.

Zukunft zusprechen

Jesus reagiert nicht mit Zynismus, nicht mit einem Lebensratgeber, nicht mit einer gesellschaftspolitischen Analyse. Er macht etwas, das wir wohl zunehmend verlernen: Er spricht einem Menschen Zukunft zu. „Heute noch. Bist du im Himmel.“ Ohne Bedingung. Ohne Kostenstelle. Ohne dass erst ein moralisches Assessment-Center durchlaufen werden muss. Krass, oder? Das ist seine Macht. Keine sichtbare, keine laute, aber eine, die Menschen verändert: Jesus nimmt Hoffnung nicht als Belohnung, nicht als Gratifikation, sondern als Ausgangspunkt. Er ist ein König, der nicht herrscht, sondern hält. Festhält. Aufhält. Die Stange hält. Und ehrlich gesagt: Diese Art Macht bräuchten wir heute dringender als jemals zuvor. In der Kirche, die sich oft lieber selbst bespiegelt als die Menschen Vertrauen und Hoffnung zu lehren. In der Politik, wo Kompromisse fast schon als Verrat gelten. Jesu Krone wirkt schwach, aber sie macht Schluss mit der Logik der Welt: Du bist mehr als der Spott, der auf dich niedergeht. Mehr als dein Fehler. Sein Königtum ist nicht Überheblichkeit, sondern so etwas wie – nennen wir es „Unterheblichkeit.“ Drunter gehen -und aufheben. Hoffnung statt Häme.

Peter Otten

 

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