parallax background

Haben Kloster und Knast Gemeinsamkeiten?

30. März 2019

Schwester Johanna Domek OSB besuchte am Tag der Inhaftierten die Justizvollzugsanstalt Köln und feierte einen Gottesdienst mit ca. 50 inhaftierten Frauen. Johanna Domek OSB (* 1954) war Priorin des Benediktinerinnenklosters von der Ewigen Anbetung in Köln-Raderberg. Sie trat 1974 in das Kloster ein und wurde 1986, erst 31-jährig, zur Priorin gewählt.

Aus gesundheitlichen Gründen legte sie ihr Amt 1992 nieder, übernahm es aber nach dem Rücktritt ihrer Nachfolgerin 1996 wieder und hatte es bis Juli 2010 inne. Johanna Domek verfasste zahlreiche Vorträge und Veröffentlichungen zu Themen der Spiritualität und Lebenshilfe. Sie gab Zeugnis von ihrem eigenen Leben, das sie zwar freiwillig „auf der Zelle“ führe, aber stets eine große Prüfung bleibe.

Mit Worten der Wüstenväter legte sie dar, wie man im „monasterium carcer“, dem „offenen Gefängnis“ (Gregorio Penco) sich selber aushalten und begegnen müsse. Das sei Voraussetzung dafür, dass man auf der Zelle mitten im „Sturm der Gedanken“ (Einsiedler Antonius) auch die Nähe Gottes erfahren könne. Die Geschichte Gottes mit seinem Volk zeige, wie inmitten von Feuer und Wüste Gott dem Menschen begegnen könne. Ob im Kloster oder im Gefängnis hänge es auch von der inneren Erfahrung ab, ob die Zelle zu einem Ort des Schreckens oder des Friedens werde.

Das Leben in einem Gefängnis hat viele Parallelen zum Klosterleben. Es gibt eine Mauer, eine Einheitskleidung und eine Zelle. Zudem gibt es klare Regeln, die von oben nach unten transportiert werden. Ebenso eine eigene Sprache und die Annahme eines neuen Namens. Und doch ist das Klosterleben freiwillig gewählt. Schwester Johanna Domek macht nicht den Eindruck, dass sie gefangen sei. Eher im Gegenteil: Sie fühle sich frei „den Dienst für Gott zu tun.“ Sie will Christus ein Gesicht geben.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Im Jahr 1960 lebten in Deutschland 93.000 Ordensfrauen. Heute sind es 15.000, davon sind rund 85 Prozent über 65 Jahre alt. Zahlen, über die man nicht hinweggehen kann. Nicht mehr. Denn sie haben gravierende Folgen. „Zum ersten Mal ist das Sterben nicht nur eine Erfahrung von Einzelnen, sondern betrifft ganze Gemeinschaften“, sagt Schwester Johanna Domek OSB, Beauftragte des „Netzwerks alternde Orden“. Und in der Tat haben von den 437 Mitgliedern der Ordensobernkonferenz hundert Kongregationen weniger als zehn Mitglieder.

Die Ordenslandschaft hat sich über viele Jahrhunderte immer wieder verändert. „Es gab Epochen, da lebten vielleicht drei oder vier Ordensleute in einem Kloster. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts gab es den Trend, bei dem sehr viele Kongregationen entstanden.“ Das hielt bis in die sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts an. „Dass wir von dieser uns historisch noch bewussten Fülle in relativ kurzer Zeit in die heutige Situation gekommen sind, ist schon extrem“, sagt Schwester Johanna. Es bedeutet, dass Ordensgemeinschaften sterben werden. Aber sterben wird nicht die Sehnsucht nach Gemeinschaft, betont die Ordensfrau.

Nach dem Gottesdienst gab es bei Kaffee und Plätzchen (die es auch im Kloster selten gibt) die Gelegenheit, Fragen zu stellen, das Thema zu vertiefen und sich über die unterschiedlichen und doch manchmal sehr ähnlichen Lebenswelten auszutauschen. Die Begegnung war für beide Seiten sehr beeindruckend.

Winfried Kelkel | JVA Köln

 

Feedback 💬

Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert