Gerade war Mohamedou Ould Slahi (Tahar Rahim) noch auf einer Familienfeier, da steht die Polizei plötzlich vor der Tür. Die Amerikaner wollen ihn sprechen. Jahre später sitzt er immer noch im geheimen Gefängnis in Guantanamo, weil ihm zur Last gelegt wird, an den Vorbereitungen für die Anschläge am 11. September 2001 beteiligt gewesen zu sein. Konkrete Beweise gibt es nicht, was aber niemand davon abhält, ihn weiter auf Guantanamo auf Kuba isoliert zu inhaftieren – ohne jegliche Rechte. Als die Anwältin Nancy Hollander (Jodie Foster) davon erfährt, setzt sie es sich zum Ziel, gemeinsam mit ihrer Mitarbeiterin Teri Duncan (Shailene Woodley) für ein faires Verfahren zu sorgen. Gleichzeitig steht der Militärstaatsanwalt Oberstleutnant Stuart Couch (Benedict Cumberbatch) unter Druck, endlich eine Verurteilung zu erwirken, egal auf welche Weise…
In den letzten Jahren hat das Ansehen der USA weltweit bekanntlich gelitten. Ob nun der mangelnde Klimaschutz, der Umgang mit der Corona-Pandemie, die exzessive Polizeigewalt, Rassismus oder auch die starken antidemokratischen Tendenzen: Da durfte man aus der Ferne schon des Öfteren die Hände über den Köpfen zusammenschlagen. Dabei zeigte man schon knapp zwei Jahrzehnte zuvor, dass im Zweifel Recht und Ordnung keinen Bestand haben. So geschehen nach den verheerenden Anschlägen vom 11. September 2001. Tief traumatisiert von dem Terror wurde nicht nur unter fadenscheinigen Ausreden ein Krieg angezettelt. Ohne jede Skrupel folterten Geheimdienste und Militär zudem Verdächtige, in der Hoffnung, auf diese Weise die Wahrheit herauszubekommen – oder wenigstens einen Schuldigen zu finden.
Über die Folter an sich wurden bereits einige Filme gedreht, allen voran Zero Dark Thirty und The Report, die auf schockierende Weise deutlich machten, wie wenig ein Menschenleben wert ist. “Der Mauretanier” greift dieses Thema ebenfalls auf, schildert es jedoch durch die Augen eines Opfers. Waren diese in den obigen Filmen nur Randfiguren, ein Mittel zum Zweck, rückt hier mit Mohamedou Ould Slahi jemand in den Fokus, der diese ganze Tortur erdulden musste, viele Jahre lang. Das macht eine solche Geschichte natürlich noch einmal ein ganzes Stück emotionaler. Wo es bislang nur um das Prinzip einer solchen Rechtslosigkeit gegangen war, da wird das Publikum dieses Mal auch zu einer persönlichen Anteilnahme aufgefordert.
Sympathieträger und unmöglicher Mörder
Regisseur Kevin Macdonald (State of Play – Stand der Dinge) hat seinen Film dann auch zu einem großen Teil auf seinen Protagonisten zugeschnitten. Die allgemeine Rechtslage erfährt man hier nur beiläufig. Stattdessen geht es in “Der Mauretanier” in erster Linie um einen jungen Mann, der auf skandalöse Weise misshandelt wird und keine Möglichkeit hat, sich zu verteidigen. Schließlich ist das interne Urteil bereits gefällt, alles andere hat sich dem unterzuordnen. Das ist auch deshalb so erschreckend, weil Hauptdarsteller Tahar Rahim nach seinem kurzen Zwischenstopp als Serienmörder (Die Schlange) hier wieder als absoluter Sympathieträger auftritt. Mit seinem unwiderstehlichen Lausbubencharme ist es praktisch ausgeschlossen, dass er tatsächlich ein Mörder sein könnte. Und wenn doch möchte man das gar nicht so genau wissen.
Die schauspielerischen Leistungen sind es dann auch, die “Der Mauretanier” zu einem sehenswerten Film machen. Neben Rahim, der für seine Darstellung des Opfers sowohl für einen Golden Globe wie auch einen BAFTA nominiert war, ist es natürlich vor allem Foster, die im Mittelpunkt des Interesses steht. Schließlich ist die preisgekrönte Charakterdarstellerin inzwischen ein recht seltener Gast auf der großen Leinwand. Sie überzeugt dann auch als Anwältin, die felsenfest davon überzeugt, dass selbst die größten Verbrecher, Mörder und Terroristen Gerechtigkeit verdienen, da ansonsten das gesamte Rechtssystem seine Legitimität verliert.
Bewährt und beeindruckend
Dieser prinzipiell interessante Gedanke wird zwar mehrfach wiederholt, aber insofern relativiert, indem Mohamedou zu keiner Zeit als Schuldiger wirklich in Frage kommt. Das hätte die im Grundsatz für jeden verständliche Ansicht natürlich noch einmal erschwert. Überhaupt ist “Der Mauretanier” kein Film, der sich sonderlich viel mit Ambivalenzen aufhält. Am ehesten gilt das noch für Stuart Couch, der einzige auf der Gegenseite, der so etwas wie ein moralisches Gewissen zu haben scheint. Auch sonst scheut Macdonald jedwedes Wagnis, sondern hält sich strikt an die üblichen Abläufe eines solchen Dramas, verlässt sich auf das, was bewährt ist. Das mag man dann bedauern, ändert aber nichts daran, dass der Beitrag der Berlinale 2021 Eindruck hinterlässt – zwischen Wut, Schrecken und Erleichterung.
Mit freundlicher Genehmigung: film-rezensionen.de
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Auch die verheerenden Anschläge auf die Türme des World Trade Center in New York am 11. September 2001 berechtigt kein Staat mit barbarischen Mitteln mutmaßliche Täter zu bestrafen. Vor allem nicht im angeblich rechtsfreien Raum auf Guantanamo. Das Buch “Das Guantanamo Tagebuch” von Mohamedou wurde anfangs zensiert. Manches Mal hat man den Eindruck, dass Amerika in solch einem Fall gleichzusetzen ist mit “Bananenrepubliken”. Das Land der Demokratie hält keine Rechtsstaatlichkeit ein. In einigen Bundesstaaten gibt es noch die Todesstrafe. Präsident Joe Biden hat die Vollstreckung von Todesstrafen auf der Ebene des US-Bundes jetzt gestoppt. Ein guter Schritt.
Man kann nicht mit den selben Mitteln wie die der Täter zurückschlagen. Dass der zu Unrecht einsitzende Mohamedou erst nach 7 Jahren nach seinem Freispruch wirklich entlassen wird ist ein Skandal. Insgesamt saß er 14 Jahre ohne klare Beweise, ob er nun beteiligt war oder nicht. Nichtdestotrotz zeigt dieser keine Rachegefühle, sondern vergibt. Auch wenn er beteiligt gewesen wäre, darf es keine Folterungen geben. Der Ruf nach härteren Strafen werden in Deutschland immer wieder laut bis dahin, dass man die Strafmündigkeit auf 12 Jahre herunter setzen will. Der Film rüttelt auf und zeigt schonungslos, welche Machenschaften im Rahmen des “Guten” laufen können, die menschenverachtend sind. Nur gut, dass es da Menschen wie der Chefankläger gibt, der dies nicht mit seinem Glauben und seinem Gewissen vereinbaren kann. Nur gut zu wissen, dass es Anwälte gibt, die trotz allem ihre Aufgabe der Verteidigung ernst genug nehmen.