Mit großer Betroffenheit haben wir die Nachricht vom plötzlichen Tode des ehemaligen Gefängnisseelsorgers und Vorsitzenden der damaligen “Konferenz der Katholischen Seelsorger bei den Justizvollzugsanstalten in der Bundesrepublik Deutschland mit Berlin (West)”, Josef Rüssmann, aufgenommen. Im hessischen Jugendvollzug der JVA Rockenberg war er jahrelang als Gefängnisseelsorger tätig.
Im Wendejahr 1989 wurde Rüssmann zum Vorsitzenden der genannten Konferenz gewählt. Zu dieser Zeit war der Zusammenschluss von Katholischen Gefängnisseelsorgern schon nicht mehr nur mit Pfarrern zusammengesetzt. In seinem ersten Grußwort nach seiner Wahl zum Vorsitzenden schrieb er: “Es unsere Aufgabe, die Veränderung in der Zusammensetzung unserer Konferenz, auf die der jetzt zurückgetretenen Prälat Theo Schwerdt in seinem Papier hingewiesen hat, zur Kenntnis zu nehmen. Die Tatsache, dass bald die Hälfte aller SeelsorgerInnen an den Justizvollzugsanstalten ‚LaienInnen‘ sind, wird sehr verschieden gewertet. Wahrscheinlich wäre es mit der Gefängnisseelsorge schlecht bestellt, wenn es diese neuen Kräfte in unserer Kirche nicht gäbe. Wir müssen diese Entwicklung in ihrer Bedeutung für die Gefängnisseelsorge und für die Kirche erfassen, reflektieren und uns in unserem praktischen Dienst darauf einstellen. Unbeschadet der Leitungskompetenz der Diözesanbischöfe ist daher eine Stärkung und Orientierung der einzelnen Seelsorgenden aus der Gemeinschaft der Bundeskonferenz heraus unverzichtbar”, so Rüssmann damals. Er hat das Fundment zur Weiterentwicklung zum jetzigen gemeinnützigen und kanonischen Verein der Katholischen Gefängnisseelsorge in Deutschland e.V. gelegt.
32 Jahre Gefängnisseelsorger im Justizvollzug
Bis 1997 war Josef Rüssmann Vorsitzender der “Bundeskonferenz der Katholischen Seelsorge(r) an den Justizvollzugsanstalten in der Bundesrepublik Deutschland”. 8 Jahre prägte er die die Diskussionen und Entwicklungen der Gefängnisseelsorge im wiedervereinigten Deutschland. So wurde das “r” aufgrund der dazukommenden Kolleginnen im Titel “Seelsorge” der Personenkörperschaft weggelassen. Rüssmann war 32 Jahre lang im Justizvollzug tätig. Dabei hatte er immer jeden einzelnen jungen Menschen im Blick. Schon während der Studienzeit engagierte sich Josef Rüssmann ehrenamtlich im Mainzer und Wiesbadener Gefängnis und erkannte früh seinen Wunsch, als Seelsorger für inhaftierte Menschen da zu sein. Nach Kaplansjahren in Mainz-Weisenau, Darmstadt, Bad Nauheim und Ruhlkirchen wurde Josef Rüssmann 1976 Pfarrer in Münzenberg und gleichzeitig Seelsorger in den JVAen Rockenberg und Gießen; zeitweilig übernahm er zusätzlich die vakante Seelsorgestelle in der JVA Butzbach. Im Jugendstrafvollzug Rockenberg, wo er sich schwerpunktmäßig engagierte, wurde er für unzählige Gefangene eine wichtige väterliche Vertrauens- und Autoritätsperson.
Aufgrund seiner Professionalität im Umgang mit jungen Straftätern, aber auch wegen seines wertschätzenden und vorurteilsfreien Umgangs mit jedem, der ihm begegnete, war er gleichermaßen bei Inhaftierten, deren Angehörigen und beim Gefängnispersonal geschätzt und beliebt. Josef Rüssmann war ein profunder Kenner der Situation in Gefängnissen, kannte die Sorgen und Nöte von Inhaftierten gleichermaßen wie die Schwachstellen des Justizwesens. Auf Landes- und Bundesebene hat er in eindrucksvoller, engagierter Weise die Anliegen der Gefängnisseelsorge vertreten und sich unaufhörlich dafür eingesetzt, jugendliche Straftäter nicht nur wegzusperren, sondern ihnen ihre Würde und die Chance zu geben, ihr Leben zum Guten zu wenden. Er tat dies im tiefen Glauben an den liebenden und verzeihenden Gott, im Glauben an das Gute im Menschen und stets mit großer Gelassenheit, Zuversicht und einem trockenen, ansteckenden Humor.
Lebensgeschichte
Josef Rüssmann wurde als fünftes von sieben Kindern am 21. Februar 1942 in Grünberg/Schlesien geboren. 1945 musste die Familie aus der Heimat fliehen und kam über Bautzen, Sebnitz und Halle an der Saale schließlich 1950 nach Köln, wo sein Vater ein Jahr später seinen Kriegsleiden erlag. Josef Rüssmann absolvierte nach der Schulzeit zunächst eine Lehre als Textilgroßhandelskaufmann. Mit 24 Jahren bestand er das Abitur am Erzbischöflichen Abendgymnasium in Neuss am Rhein und trat 1966 in das Mainzer Priesterseminar ein. Nach dem Studium der Katholischen Theologie in Mainz und Freiburg wurde er am 15. Juli 1972 durch Bischof Hermann Volk im Hohen Dom zu Mainz zum Priester geweiht. Seinen großen Einsatz und seine Verdienste in der Pastoral würdigte Kardinal Lehmann 1988 mit der Ernennung zum Geistlichen Rat.
Im Jahr 2008 wurde Pfarrer Rüssmann von der Seelsorge im Jugendstrafvollzug Rockenberg in die Pension entlassen. Er blieb jedoch Pfarrer von Münzenberg und übernahm zusätzlich bis 2016 die Leitung der Pfarrei in Gambach. In den letzten Jahren nahmen die körperlichen Einschränkungen und Erkrankungen, verbunden mit Krankenhausaufenthalten und operativen Eingriffen, zu. Mit klarem Verstand, Tapferkeit und Disziplin hat er viele Herausforderungen angenommen und seinen Optimismus, gepaart mit unerschütterlichem Glauben, bis zum Lebensende behalten. Am 3. August 2023 starb Pfarrer Josef Rüssmann. Petrus Ceelen, ehemaliger Gefängnisseelsorger des Justizvollzugskrankenhauses (JVK) Hohenasperg und erster Aids-Seelsorger in Baden-Württemberg, wird die Trauerfeier gestalten. Er ist ein langjähriger Kollege und Freund Rüssmann´s.
Todeanzeige verfasst von Klaus Baum, Personalreferent Bistum Mainz
Michael King | Titelfoto: Trauerfeier am 11. August 2023 mit Petrus Ceelen in Münzenberg