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„In vielen Fällen ein Anstoss…“, sagen JVA Bedienstete

20. Juli 2022

Im Berliner Jugendknast kennen viele Häftlinge den Autor ­Jonas Seufert – als Teil von „Zweidrittel FM„, einem Podcast über den Alltag in Jugendhaft. Bei ihm und dem Fotograf ­Jonas Ruhs hinterlässt der Besuch im Knast gespaltene Gefühle. Eine klare ­Antwort dazu, was Strafe bringt, sehen sie jedoch nicht. Ihnen und dem Co Autor Fabian Grieger treiben ­diese Fragen um: Ist es richtig, Menschen mit Haft zu bestrafen? Und wenn ja, wen und wie? Was bringt Strafe überhaupt? Bedienstete und der Anstaltsleiter der Jugendstrafanstalt (JSA) Berlin in Charlottenburg-Wilmersdorf berichten über Taten, Vertrauen und Rückfallquoten.

Der Bewegungs­drang der Insassen ist groß. Beliebt ist Fitness: Eine gestählte Figur verschafft Respekt. Foto: Jonas Ruhs

Sebastian Brunzendorf

49 Jahre, Sportbeamter

Sport ist unglaublich wichtig für die Jugendlichen. Sie haben sogar einen gesetzlichen Anspruch darauf: zwei Stunden pro Woche. Es gibt eine Turnhalle, einen Raum mit Fitnessgeräten, draußen mehrere Fußballplätze. Die Hafträume der Insassen haben nur etwa acht Quadratmeter, der Bewegungsdrang ist groß. Besonders beliebt sind Fußball und natürlich Fitness. Ein bisschen Klischee: Ein dicker Oberarm, eine gestählte Figur, die machen unter den anderen Insassen Eindruck, verschaffen Respekt. Wir bemühen uns aber, die Insassen konditionell zu fordern oder auszupowern. Wenn wir Intervalltraining ausschreiben, haben wir in kurzer Zeit bis zu 70 Bewerbungen. Wir bauen dann Stationen auf, 45 Sekunden Belastung, eine Minute Pause, ­Koordination, Ausdauer, Beweglichkeit, davor eine anspruchsvolle ­Erwärmung. Die Ergebnisse tragen wir in Excel-Tabellen ein und hängen sie aus. Der Wettbewerb soll Ansporn sein.

Sport ist auch Frustabbau, im positiven Sinne. Wenn die Insassen sich eine Stunde beim Fußball auspowern, dann sind sie zufrieden, kaputt, gehen duschen und ins Bett. Das macht den Job auch für meine Kollegen auf den Häusern einfacher, das ist eine Win-win-Situation. Manchmal versuchen Insassen beim Sportunterricht, verbotene Gegenstände zu tauschen. Gerade wenn wir draußen auf den Sportplätzen sind oder beim Laufen, kann es sein, dass mal etwas über die Mauer fliegt. Wir unterbrechen dann sofort, ein Beamter beaufsichtigt die Gruppe, der andere konfisziert das Päckchen. Wenn ein Insasse hinrennt, liegt die Vermutung nahe, dass es für ihn bestimmt war. Vollzugslockerungen haben sich dann meist erledigt.

Sport heißt auch: Regeln einhalten. Für viele zum ­ers­ten Mal, sie sind ja im Gefängnis, weil sie Grenzen überschritten haben. Ich finde, es braucht auch im Alltag mehr Sanktionen. Wenn man eine Grenze überschreitet, sollte man dafür die Konsequenzen tragen. Früher gab es bei Fehlverhalten schneller einen Einschluss, ein, zwei, drei Tage auf Zelle. Heute liegt der Fokus auf Gesprächen, ­einer zweiten Chance. Ich glaube, manchmal ist eine ­Strafe ­besser, als alles auszudiskutieren.

Reinhard Fenske

53 Jahre, Werkstattleiter

Wir reparieren Motorräder und wechseln Auto­reifen. Sieben Inhaftierte, mein Kollege und ich, in einer gut ausgestatteten Werkstatt. Ich bin jetzt seit 15 Jahren hier, vorher habe ich als Kfz-Meister in einem großen Betrieb gearbeitet. Am Anfang war es ein komisches Gefühl. Du musst jede Tür aufschließen und hinter dir wieder zuschließen, du schließt dich quasi selbst ein. Aber du gewöhnst dich daran. Ich hatte einen guten Mentor. Er sagte: Du kannst zwar die Akten der Inhaftierten lesen – aber du kannst auch die jungen Männer nach der Arbeit beurteilen, die sie bei dir leisten. Das mache ich bis heute so. Ich habe in noch keine einzige Akte geschaut.

Natürlich gibt es im Gefängnis eine Art Zwang zur Arbeit. Deshalb ist es wichtig, dass die Gefangenen die Wende hinkriegen, vom „Du musst das machen“ zum ­ „Du machst das für dich selbst“. Wir haben viele junge Männer, die null an sich glauben. Und dann reparieren sie zum ersten Mal einen Motor. Da sind die stolz wie sonst was! Sie schaffen mit ihren Händen etwas, das bleibt. Viele erleben zum ersten Mal eine ­Wertschätzung für ihre Arbeit. Der beste Moment ist, wenn die ­Kunden ihr Motorrad abholen und sich bei den Gefangenen ­bedanken. Da leuchten ihre Augen wie Kerzen am Weihnachtsbaum!

Die Rückfallquoten sind hoch, viele junge Männer sehe ich wieder. Aber meine Erfahrung ist auch: Wer drinnen eine Ausbildung abschließt, hat es draußen viel leichter. Insgesamt haben in 15 Jahren sieben Leute bei mir einen Abschluss gemacht. Einer leitet sogar eine eigene Werkstatt. Oft ist die Haftdauer zu kurz, um eine Ausbildung abzuschließen. Draußen wird es dann für viele schwer: Allein jeden Tag aufstehen, pünktlich sein – da scheitern viele. Vor der Entlassung wette ich mit den Jugendlichen: Wenn du draußen deine Ausbildung fertig machst, lade ich dich zum Essen ein, Lokal deiner Wahl. Bisher hat das keiner geschafft.

Ich arbeite gern mit Straftätern, aber manchmal ­wünsche ich mir, dass man den Opfern von Straftaten mindes­tens genauso viel Aufmerksamkeit schenkt. Bei meinen Nachbarn wurde mal eingebrochen, das hat sie total aus der Bahn geworfen. Der Polizist, der kam, hat zwar angeboten, sie weiter zu begleiten. Aber er hat das in seiner Freizeit gemacht, weil er in der Nachbarschaft wohnte. Ich bin erschrocken, wie sehr sie auf sich gestellt waren. Ein Kollege sagte mal, dass man an etwas glauben muss, wenn man im Gefängnis arbeitet. Ich glaube nicht an Gott. Aber ich glaube, dass man etwas zurückkriegt, wenn man in jemanden investiert. Und wenn es nur ist, dass ein Gefangener am Auto seiner Mutter die Reifen wechseln kann. Der deutsche Staat gab 2020 rund 3,7 Milliarden Euro für Gefängnisse aus, das sind 174 Euro pro Tag und Inhaftiertem. Gefängnisse sind Ländersache, die Budgets variieren. Das Land Berlin zahlt am Tag im Schnitt 217 Euro pro Gefangenem.

Wer drinnen eine Ausbildung abschließt, hat es draußen leichter, sagt der Werkstatt­leiter Reinhard Fenske. Foto: Jonas Ruhs

Jörg Eilermann

60 Jahre, Justizbeamter

Wer den Schlüssel hat, hat die Macht, heißt es. Das stimmt, ich schließe Leute ein. Aber ich habe deswegen kein schlechtes Gewissen. Ich schließe ja auch wieder auf. Ich führe die Erstgespräche bei Zugängen. Viele Jugendliche sind gerade festgenommen worden und kommen in Untersuchungshaft. Ich sage ihnen: Bei mir gilt die Unschuldsvermutung. Was draußen passiert ist, das beurteilen Rechtsanwälte, Polizisten, Richter, da mische ich nicht mit. Viele fassen dann Vertrauen.

Ich erkläre ihnen, wie das hier abläuft und frage nach ihren Lebensumständen: Eltern, Schule, Drogenabhängigkeit, wirtschaftliche Verhältnisse. Für viele Raucher ist Tabak wichtig. Wir können hier auch mal eine Zigarette anbieten, wir nennen das Kriseninterventionstabak. Strafe muss sein, keine Frage. Ohne Strafe würde ich auch eine Bank überfallen. Ob sie aber etwas bringt? Viele fallen nach der Haft in ihre alte Welt zurück – und es geht weiter wie zuvor. Frustrierend finde ich das nicht. Man darf die Erwartungen nicht zu hoch schrauben. Resozialisierung ist leider oft mehr Theorie als Praxis, das haben mir meine Kollegen früh in meiner beruflichen Laufbahn gesagt. Ich bin in meinem Berufsleben zweimal angegriffen worden, das ist schon lange her. Einmal hat mich ein Insasse mit einer Gabel angegriffen und am Hals gestreift. Das zweite Mal haben wir einen Insassen in einen besonders gesicherten Haftraum gebracht. Das ist ein Raum im Keller, da gibt es nicht viel, nur eine Liege. Wir nutzen ihn meist bei akuter Suizidgefährdung – um sicherzustellen, dass sich der Gefangene nicht selbst verletzt. Auf dem Weg in den Keller hat sich der Gefangene plötzlich auf mich geschmissen. Es gab ein Handgemenge, dann hatten wir die Situation wieder unter Kontrolle. Jahre später habe ich den Gefangenen draußen wieder getroffen. Er hat sich entschuldigt.

Draußen gibt es wenig Interesse an meinen Beruf. Nicht mal meiner Frau erzähle ich viel. Manchmal fange ich an, von „meinen Jungs“ zu sprechen, wenn ich über die Gefangenen rede. Das sind nicht „deine Jungs“, sagt sie dann. Das sind Knackis. Es gibt sicher härtere Kollegen als mich. Aber wenn alle so wären wie ich, würde der Laden nicht laufen. Ich bin seit 36 Jahren Justizbeamter, das ist ein großer Teil meines Lebens. Aber nächstes Jahr ist Schluss, dann gehe ich in Pension. Was wir anders machen könnten? Ich finde, wir machen schon ganz schön viel. Man kann Deutsch lernen, zur Schule gehen, eine Ausbildung anfangen, Theater machen. Wichtig wäre eine Unterstützung nach der Haft. Viele sind alleine aufgeschmissen. Aber das ist nicht unser Auftrag, für den Knast ist das mit der Entlassung abgeschlossen. Die Rückfallquote innerhalb von zwölf Jahren beträgt unter erwachsenen Gefangenen 67 Prozent, unter Jugendlichen 84 Prozent. Jeder dritte Erwachsene landet erneut im Gefängnis, bei den Jugendlichen jeder zweite. Die höchsten Rückfallquoten gibt es bei Diebstahls- und Raubdelikten.

Im Gefängnis sind sie raus aus dem Teufelskreis, der ihnen nicht guttut, sagt Anstaltsleiter Bill Borchert. Foto: Jonas Ruhs

Bill Borchert

50 Jahre, Anstaltsleiter

Ein Gefängnis ist eigentlich kein guter Ort. Aber wenn ich mir die Biografien unserer jungen ­Männer anschaue, dann bringt die Strafe oft, dass sie rausgenommen werden aus einem Teufelskreis, der ihnen nicht guttut. Wir versuchen, ihnen eine andere Perspektive aufzuzeigen. Wenn Sie den Justizvollzug in Deutschland statistisch betrachten, können Sie sagen: Wir müssen den Laden dichtmachen. Die Rückfallquoten sind sehr hoch, aber man muss sich auch die Straftaten ansehen. Für mich ist es ein Teilerfolg, wenn ein junger Mann, der als Intensivtäter wegen massiven Körperverletzungsdelikten verurteilt wurde, fünf Jahre nach der Entlassung mit kleineren Delikten auffällt – mit einem Kaufhausdiebstahl oder Schwarzfahren. Bei vielen jungen Männern hat ein Mangel an Erziehung zur Straftat geführt. In gewisser Weise müssen wir das hier nachholen.

Ich betrachte das Gefängnis als ­Lebensraum für alle, für die Bediensteten und für die ­Gefangenen. Ich will, dass wir uns wohlfühlen – bei allen Schwierigkeiten. Ich will versuchen, dass wir die Trennung zwischen Bediensteten und Gefangenen ein Stück weit überwinden. Es geht mir nicht um eine Verbrüderung – aber zum Beispiel darum, dass man als Bediensteter in den Gefangenen nicht immer nur Straftäter sieht. Das Schöne an unserem Rechtssystem ist ja, dass mit der Verhängung des Strafurteils der Anspruch an den Verurteilten abgegolten ist. Die Strafe ist der Freiheitsentzug. Die Strafe ist nicht, dass wir es besonders ungemütlich machen. Der Ton ist manchmal rau, machen wir uns nichts vor. Das haben Sie aber auch in Schulklassen: dass es Grüppchen­bildung gibt, dass Schwächere verhöhnt werden.

Seit ich in der Jugendstrafanstalt bin, denke ich immer wieder darüber nach, was meine Eltern mir mitgegeben haben und was den Leuten fehlt. Ein einfaches Beispiel: An meinem Geburtstag gab es einen Geburtstagstisch mit Kuchen. Oder wer nimmt einen mal in den Arm, wenn es einem schlecht geht? All das fällt hier aus. Einige sagen, man lernt im Gefängnis im Schlechten von den anderen. Das wird immer wieder passieren, die Subkultur kriegen wir nicht ganz weg. Aber meine Erfahrung ist: Je mehr es eine Perspektive gibt, desto weniger Regelbrüche gibt es. Mit steigender Lockerungsquote müssen wir deutlich weniger Disziplinarmaßnahmen verhängen. Ich glaube, dass insgesamt erfolgreich ist, was wir ­machen. Aber: Im Schnitt sind die Leute nur 18 Monate hier. Wie viel schafft man in dieser Zeit? Das ist vielleicht ein Lernprozess – ein Anstoß, aber in vielen Fällen kein Abschluss.

Jonas Seufert, Fabian Grieger | Quelle: chrismon 7.2022

 

1 Rückmeldung

  1. Dennis Riehle sagt:

    In Zeiten der Inflation werden für uns alle die Lebenshaltungskosten teurer. Und da verwundert es kaum, dass auch die Beschaffung von Lebensmitteln für Menschen in Gefängnissen nicht günstiger wird. Ganz im Gegenteil: Während beispielsweise Patienten in Krankenhäusern Verpflegung für rund acht Euro pro Tag bekommen, sind es für Straffällige gerade einmal gut drei Euro. Wir wissen aus unserem eigenen Alltag: Mit solchen Summen ist keine vollwertige Ernährung auf einem würdigen Existenzniveau möglich. Stattdessen heißt es für Häftlinge immer öfter: Sie müssen von Mahlzeiten zehren, deren Kalorienzahl weit unter dem liegt, was für einen erwachsenen Menschen als notwendig betrachtet wird, um die Gesundheit nicht zu gefährden. Der Satz von „Wasser und Brot“ gewinnt damit eine neue, gleichsam realistische Dimension. Und da Personen hinter „Schwedischen Gardinen“ oft keine Stimme und kaum Lobby in der Gesellschaft haben, leiden sie still vor sich hin.

    Arbeit in Haftanstalten für 2 Euro
    Solche Zustände sind in einem demokratischen Rechtsstaat des 21. Jahrhunderts nicht hinzunehmen und widersprechen elementaren Grundrechten eines reichen westlichen Industrielandes, das durch Aufklärung und Ethik gelernt haben sollte: Menschen, die straffällig geworden sind, haben ein Recht auf Resozialisierung und Rückkehr in die Zivilisation. Sie sind nicht Bittsteller für die grundständige Versorgung, sondern besitzen einen Anspruch auf eine ordnungsgemäße Behandlung. Wenngleich noch immer die Devise gilt: „Aus den Augen, aus dem Sinn“, können wir den Blick vor den Zuständen in deutschen Haftanstalten eben nicht verschließen. Bis heute entsprechen die Gegebenheiten nicht den Anforderungen internationaler Konventionen, das beginnt schon allein am Lohn für die zwangsweise Arbeit, welcher die Haftgefangenen nachgehen müssen: Während sich Arbeitgeber in Deutschland über 12 Euro Mindestlohn echauffieren, schuften die Straffälligen in den Justizvollzugsanstalten für eine mickrige Entschädigung von nur wenig über zwei Euro. Wie unter den Vorzeichen ein angemessenes Dasein gelingt, bleibt fraglich.

    Würdevolle Behandlung
    Über Jahre und Jahrzehnte wurden die Verpflegung und Versorgung im deutschen Strafvollzug nicht an humane Maßstäbe angepasst. Viel eher werden die Häftlinge regelmäßig vergessen, wenn es um Erhöhung von Bezugsgrößen geht. Es verwundert daher kaum, dass sich in vielen Fällen weder Reue noch Einsicht einstellen. Schlussendlich ist ein Staat, der stiefmütterlich mit seinen Gefangenen umgeht, kein vertrauenswürdiger Partner, um Wiedereingliederung in die Gesellschaft ermutigend und reizvoll zu gestalten. Haftbedingungen hängen unmittelbar mit der Bereitschaft zu Versöhnung und Veränderung des Verurteilten zusammen. Niemand erwartet einen Fünf-Sterne-Vollzug. Es geht allein um würdevolle Behandlung von Menschen, die sich durch schwere Fehlverhalten schuldig gemacht, gleichzeitig aber eine Chance der Gemeinschaft auf einen Neustart verdient haben. Das hat nichts mit übermäßiger Gnade, Nachsicht oder Laissez-faire zu tun.

    Verständigung sind Treiber einer gelungenen Integration
    Viel eher zeigt sich am Zustand der Gefängnisse und ihrer Insassen die Seelenbeschaffenheit eines ganzen Landes. Wer diejenigen vernachlässigt, die im Namen des Volkes ihrer Freiheit entzogen wurden, hat diesen gegenüber ein ganz besonderes Verantwortungsbewusstsein. Hungernde Haftinsassen sind ein Gratmesser und Ausdruck von sozialer Verrohung einer gesamten Nation, an vorderster Stelle der Politik, die eine Fürsorgepflicht gegenüber Strafgefangenen besitzt und ihr derzeit nicht gerecht zu werden scheint. Ja, Häftlinge haben ein bedingungsloses Recht auf eine Minimalversorgung, die nicht mit Tagessätzen gewährleistet werden kann, mit der heutzutage nicht einmal ein Frühstück finanzierbar ist. Selig sind gerade nicht diejenigen, die sich mit ihrer Tadellosigkeit und weißer Weste brüsten und über jene zu erheben vermögen, die zweifelsohne schwere Last auf sich geladen haben. Man möchte nicht allzu biblisch werden, um aber festzustellen, dass es Straffällige gewesen sind, denen aus Demut die Füße gewaschen wurden. Der Maßstab, an dem wir uns orientieren müssen, ist der Umgang mit denen, die wir wegsperren.

    Sühne und Verständigung sind Treiber einer gelungenen Integration von Verurteilten, die ins Leben zurückgeführt werden sollen. Ihr Antrieb für eine schuldlose Zukunft wird vor allem aus der Erinnerung gespeist, wie die Öffentlichkeit und die Justiz mit ihnen in Haft verfahren sind. Nur, wer dort den Sinn für Gerechtigkeit verspürt und eine respektvolle Behandlung wahrgenommen hat, wird sich ertüchtigt sehen, seine Rückkunft in das Miteinander geregelt und angepasst zu gehen. Allein der Umstand, dass Haftinsassen keinen Fürsprecher für sich haben, darf die Politik nicht aus der Verpflichtung entlassen, gerade den Strafvollzug immer wieder neu auf den Prüfstand zu stellen und an das moralische und normative Wachstum einer Gesellschaft anzugleichen. Dass man mit diesem Thema wohl kaum Stimmen bei der nächsten Wahl gewinnen kann, entlässt die Verantwortlichen nicht aus ihrer Aufgabe, ein existenzielles Minimum für all diejenigen herbeizuführen, die sich in ihrer Lage nicht gegen Missstand und Ungerechtigkeit wehren können. Schon das Gewissen muss uns leiten, auch Gefangene als unsere Nächsten zu begreifen.

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