Die mit der Pandemie verbundenen Einschränkungen des öffentlichen religiösen Lebens treffen nicht nur Christen. Fast zeitgleich mit den Kartagen trafen sie auch die jüdischen Gemeinden, die vom 8. bis 16. April mit Pessach eines ihrer bedeutendsten Feste feierten. Das Gedenken an den rettenden Auszug aus der Sklaverei verbindet uns bis heute, nicht nur wegen der Bezüge zum Gründonnerstag. Jetzt treffen diese Einschränkungen unsere muslimischen MitbürgerInnen. Für sie hat am Abend des 23.4. der Fastenmonat Ramadan begonnen, der in ihrem Leben eine ebenfalls herausragende Stellung einnimmt. Das im Ramadan praktizierte Fasten bildet eine der fünf Säulen des Islam und unterstellt das muslimische Leben mit einer neuen Entschiedenheit der barmherzigen Größe und Schönheit Allahs.
Mit dem Dialog der Religionen gibt es eine lange und bewährte Tradition interreligiöser Begegnung und Zusammenarbeit. Seit über 15 Jahren treffen sich regelmäßig VertreterInnen fast aller in Aachen ansässigen Religionsgemeinschaften. Wir kennen uns und wir schätzen uns. Wir vertrauen einander und wir stehen füreinander ein. Wir fühlen uns dem Wohl der Stadt und dem friedlichen Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Kulturen und Religionen verpflichtet.
Kontakte nicht abreißen lassen
Aus diesem Geist haben wir in der Woche vor Ostern und mit Blick auf die bevorstehenden religiösen Feste mehrerer Gemeinschaften eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht. Mit ihr verpflichten sich alle am Dialog der Religionen beteiligten Gemeinschaften zu verantwortungsbewusstem Handeln und zum Einhalten der zum Schutz der Gesundheit jetzt notwendigen Maßnahmen. Doch nicht nur das. Wir versprechen uns, auch in diesen schwierigen Zeiten zusammenzuhalten und unsere Kontakte jenseits der sonst üblichen Gastbesuche nicht abreißen zu lassen und zu pflegen.
Aus dieser Verbundenheit ahne ich zumindest, welche Herausforderung es für muslimische MitbürgerInnen bedeutet, wenn sie sich in den Tagen und Wochen des Ramadan nicht wie gewohnt zum gemeinsamen Gebet in der Moschee und zum Fastenbrechen in den vielen Haus- und Freundesgemeinschaften treffen können. Und, ehrlich gesagt, ich werde auch die fast schon gewohnten und sehr geschätzten Einladungen zur Teilnahme und zur Mitfeier dieser wunderbaren Festlichkeiten vermissen. Umso mehr liegt mir daran, die muslimischen FreundInnen und Partner heute zu grüßen und Ihnen zu sagen: In Gedanken und im Gebet sind wir miteinander verbunden.
Als Christ bin ich dankbar für das wunderbare und beeindruckende Zeugnis, das die Muslime einer säkularisierten und oft so gott–vergessenen Gesellschaft gerade jetzt in den Tagen und Wochen des Ramadan geben.
Ja, Gott ist wirklich groß! Er ist schön und barmherzig! Und es ist gut und weise, unser Leben immer wieder neu auf IHN auszurichten! In diesem Sinne: Ramadan Mubarak!
Religiöse Grundüberzeugungen fördern notwendigen Zusammenhalt
In diesem Jahr können sich muslimische Gläubige nicht zum gemeinschaftlichen Gebet in ihren Moscheen versammeln. Die Moschee-Gemeinden von Aachen haben deshalb die städtischen Behörden um Zustimmung gebeten, während des Ramadans jeweils abends zur Zeit des Fastenbrechens öffentlich den Gebetsruf “Adhan” auszurufen. Mit diesem Ruf wollten sie ihre Solidarität mit unserer derzeit geplagten Gesellschaft zum Ausdruck bringen und ihre Gläubigen zu Gebet und Fasten motivieren. Es ist also ein ähnliches Zeichen wie das täglich um 19.30 Uhr stattfindende Glockengeläut der christlichen Kirchen. Die Vertreter der christlichen Kirchen und Gemeinschaften haben das Anliegen der Muslime gerne unterstützt, die Stadt hat diesem Wunsch aber nur für den ersten Freitag stattgegeben.
Als Christ und Vertreter der regionalen katholischen Kirche im Dialog der Religionen hätte ich mir da mehr Großzügigkeit und Mut gewünscht. Die hier lebenden Muslime und ihre Religion gehören schließlich auch zu Aachen. Umso mehr bitte ich alle MitchristInnen, diesem Vorgang mit Respekt zu begegnen und ihn gegebenenfalls anderen BürgerInnen zu erklären und – falls nötig – auch gegenüber Diffamierungen in Schutz zu nehmen. In Krisenzeiten bewähren sich ethische und religiöse Gemeinsamkeiten. Auch religiöse Grundüberzeugungen fördern den gerade jetzt notwendigen Zusammenhalt. Ich bin froh und dankbar, wenn die Religionen – bei allem Respekt vor bleibenden Unterschieden – zusammenstehen und daran erinnern, dass wir eben „nicht vom Brot allein“ leben (Dtn 8,3).
Pastoralreferent Dietmar Jordan | Bistum Aachen