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Fastenbrechen als Anlass Versöhnung umzusetzen

10. April 2024

Die Gebetsteppiche, das Vorbeter-Podest und kleine Süßspeisen sind vorbereitet. Das Fastenbrechen am Ende des Fastenmonates Ramadan kann frühmorgens um 7.40 Uhr beginnen. Der Ort des Gebetes ist die Anstaltskirche im Jugendvollzug der JVA Herford. Marian Drees kommt als Imam des Verbandes Shems eigenständig in die Kirche. Er hat einen Durchgangsschlüssel.

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Der Ramadan und das Fastenbrechen gehören hinter den Mauern ebenfalls dazu. In den letzten Wochen haben einige der derzeit 224 inhaftierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf das Essen und Trinken sowie das Rauchen tagsüber verzichtet. Im Ablauf einer Justizvollzugsanstalt ist dies nicht immer einfach. So muss das Mittagessen bis zum Abend im Haftraum aufbewahrt werden. Die Einschlusszeiten waren dieses Jahr so, dass zumindest einige der Fastenden ihr Essen auf der Abteilungsküche warm machen konnten. Viele der Gefangenen behelfen sich mit einem Wasserkocher, um beispielsweise darin Nudeln zu kochen. Neben den Gefängnisseelsorgern nehmen SozialarbeiterInnen und Orhan Simsek, ein Bediensteter teil. „Normalerweise ist die Planung und Durchführung dem Integrationsdienst angegliedert. Ich helfe als Bediensteter des Allgemeinen Vollzugsdienstes (AVD) nur aus“, sagt der deutsch-türkische Vollzugsmitarbeiter. Er kennt sich aus, vermittelt er doch seit vielen Jahren die Kontakte zur Türkisch Islamischen Gemeinde zu Herford e.V. (DITIB).

Breit gefächertes muslimisches Angebot

Geleitet wird das muslimische Gebet allerdings von Marian Drees vom islamischen Verband Shems. Die türkische Gemeinde Herford spendet für das Fastenbrechen Baklava und Lokum, eine Süßigkeit auf Basis eines Sirups, Stärke und Zucker. Das muslimisch-religiöse Angebot ist in der JVA Herford breit gefächert. Shems, Ditib und ein weiterer Imam einer Herforder Moscheegemeinde kommen regelmäßig für Gespräche und das Freitagsgebet in die Justizvollzugsanstalt. „Für das Ramadanfest steht die Versöhnung im Mittelpunkt“, sagt Marian Drees. „Dass Streit geschlichtet und Versöhnung möglich gemacht wird, ist eine zentrale Botschaft. Besonders im Jugendvollzug ist das ein wichtiges Thema“, meint Drees.

Inniges Gebet

Sich rege unterhaltend kommen die etwa 30 Jugendlichen in die Kirche. 50 hatten sich angemeldet. Sie breiten ihre Teppiche aus und setze sich. Als der Imam eine kurze Anleitung zum Gebet gibt, herrscht absolute Stille. Bedächtig und aufmerksam verrichten sie anschließend ihr rituelle Gebet. „Es ist schon beeindruckend, wie die Jugendlichen das machen“, sagt eine Sozialarbeiterin. „Das ist ihnen wichtig und sie kennen das aus ihren Kulturen“, meint eine andere Sozialarbeiterin, die als Aufsicht teilnimmt. Am Ende nehmen die Inhaftierten Baklava auf einem Pappteller mit. Der Tag hat für sie gut begonnen. „Leider kann ich nicht so feiern wie zuhause“, erzählt ein Gefangner. „Aber es ist gut, dass wir das hier in der JVA-Kirche feiern können“, fügt der 20-jährige hinzu.

Einsatz gegen Krieg

Offenheit füreinander und Achtung voreinander bildeten den Kern des deutschen Grundgesetzes, das seinen 75. Geburtstag feiert, erklärt der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. „Es gehört zu unseren wichtigsten demokratischen Werten, dass unsere Verfassung die Würde jedes Einzelnen schützt – ganz gleich, woher er kommt und wo er lebt, ganz gleich, ob er glaubt oder nicht“, sagt das Staatsoberhaupt in einer allgemeinen Grußbotschaft. Das Fastenbrechen wird zum Anlass genommen, um an die Menschen zu erinnern, die Terror, Krieg und Gewalt ausgesetzt sind. Dies nicht nur in der Ukraine und den Nahen Osten, sondern auch ganz konkret im Alltag des Jugendvollzuges.

Michael King

 

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