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In SV findet sich immer eine Instanz, die Entlassung verhindert

30. August 2023

Die gemeinsame Arbeitsgemeinschaft der „Evangelischen Konferenz für Gefängnisseelsorge in Deutschland“ und der „Katholischen Gefängnisseelsorge in Deutschland e.V.“ tagte Anfang Juli 2023 in der Justizvollzugsanstalt Meppen in Niedersachsen. Jedes Jahr treffen sich die MitgliederInnen der Arbeitsgemeinschaft in einer anderen Einrichtung der Sicherungsverwahrung (SV) in Deutschland, um die Häuser und Konzepte der verschiedenen Bundesländer kennenzulernen.

Nachdem wir erst 2021 in Rosdorf in Niedersachsen getagt haben, waren wir dieses Jahr wieder im selben Bundesland, weil es zu unserem Arbeitsthema passte. „10 Jahre Reform – Was hat sich getan?“ war das Thema, bezugnehmend auf die Gesetzesreform im Jahr 2013. Niedersachsen war das erste Bundesland, das bereits 2018 eine zweite SV-Einrichtung eröffnet hat und damit auf die seit Jahren wieder steigenden Belegungszahlen in den SV-Einrichtungen zu reagieren schien. Gefolgt sind bzw. folgen werden Thüringen, die neben den vertraglich eingekauften Plätzen in Hessen in der Schwalmstadt eine kleine Abteilung in der Tonna eingerichtet haben und Baden-Württemberg, die neben Freiburg ein zweites Haus in Offenburg öffnen werden.

Ein Sicherungsverwahrter in seinem Wohnraum der Teilanstalt V in der JVA Berlin-Tegel. Titelbild: “Kuscheln macht aggressiv” steht an der Wohnraum-Tür. Fotos: Imago

Eine Entlassung pro Jahr in Meppen

Paradoxerweise hat allerdings Meppen mit ungefähr einer Entlassung pro Jahr bei 10 Plätzen eine überdurchschnittliche Entlassungsquote von ca. 10 Prozent pro Jahr. Allerdings hat auch dieses Haus mit den gleichen Problemen zu kämpfen, wie die meisten anderen SV-Einrichtungen auch: Behandlungsmüdigkeit, Perspektivlosigkeit der Bewohner, viele Klagen gegen das System wegen Lappalien. So musste sich ein Sicherungsverwahrter die Aushändigung eines Eddings klagen. Letztendlich besteht aber das strukturelle Problem, dass die Behandler, sprich PsychologInnen und SozialarbeiterInnen, zugleich die Bewerter sind, die neben der Arbeit mit den Männern zugleich Stellungnahmen und Beurteilungen schreiben müssen. Zusätzlich zu regelmäßigen Personalveränderungen bewirkt dies für die Untergebrachten kaum eine Vertrauensbasis für die gemeinsame Arbeit.

Es findet sich immer eine Instanz

Für unsere Tagung haben wir eine Referentin und einen Referenten eingeladen. Als Erste berichtete Johanna Treblin von ihrer Arbeit. Als Redakteurin bei der taz schrieb sie einen Artikel über das „Jubiläum“ der Reform der SV. Darin schildert sie ihre Schwierigkeiten, überhaupt Antworten von SV-Einrichtungen oder Ministerien zu bekommen. Kontakte zu Untergebrachten wurden teilweise erschwert oder verhindert. Ein Kontakt zu einem Sicherungsverwahrten zeigte das gleiche Bild, das wir SeelsorgerInnen ebenso von der Arbeit in den Häusern haben: Trotz des Bemühens auf beiden Seiten der Untergebrachten und der Behandler gelingt es nur schwer, die Männer auf die Entlassung vorzubereiten. Es findet sich immer eine Instanz, die der Entlassung entgegensteht: eine Stellungnahme der Anstalt, ein Gutachten, der vorsitzende Richter der Kammer oder die Staatsanwaltschaft.

Könnte wieder “stürmisch” werden

Die Belegung in den Häusern nimmt immer weiter zu. Im Moment ist es still in Justiz und der Presse, was die Sicherungsverwahrung angeht. Prof. Dr. Tillmann Bartsch, stellvertretender Direktor des kriminologischen Forschungsinstituts Hannover, der seinerzeit über die Sicherungsverwahrung promovierte, warf mit uns einen Blick zurück und wagte einen Ausblick in die Zukunft. Es gab seit dem Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) 2011 zwei Phasen. Infolge des Urteils gab es eine sehr unruhige See. Viele Reformen, neue Gesetze und Versuche; die Sicherungsverwahrung war in der Gesetzgebung und der Presse präsent. Seit 2013 hatten die meisten Länder ihre neuen Gesetze, Konzepte und Häuser fertig und es wurde ruhiger. Die See glättete sich, heute liest man fast nichts mehr über die SV. Trotz durchaus guter Theorie in den Gesetzen beschrieb Bartsch die gleiche Entwicklung, dass die Häuser immer voller werden, die Einrichtungen damit ihren Auftrag nicht erfüllen können. Es könnte durchaus sein, dass die momentane Situation nur die Ruhe vor dem nächsten Sturm ist. Es ginge nicht so weiter, dass die Zahlen immer weiter stiegen und nichts passierte. Spätestens wenn wegen nicht adäquater Unterbringung SVer klagten, könnte es wieder „stürmisch“ werden. Die nächste Tagung findet in Freiburg im Breisgau statt. Dort wollen wir uns mit dem Thema beschäftigen, das sich dieses Mal herauskristallisiert hat: Betreuer versus Bewerter und unsere Rolle „zwischen den Stühlen“.

Michael Kullinat | JVA Schwalmstadt

 

1 Rückmeldung

  1. Johanna Krapf sagt:

    Darf ich Sie auf mein kürzlich publiziertes Buch hinweisen? Worum es sich handelt: LIEBER TOT ALS VERWAHRT ist die Autobiografie eines in der schweizerischen JVA Solothurn verwahrten pädophilen Mannes, Romano Schäfer, die ich in Zusammenarbeit mit ihm aufgezeichnet habe. Er wurde für drei – gewaltlose – Hands-on-Delikte und das Downloaden von illegalen Bildern lebenslänglich verwahrt und wendet sich nun an die Gesellschaft, um zu zeigen, dass auch er, der pädosexuelle Täter, ein Mensch ist und nicht auf seine Taten reduziert werden darf.

    Damit ich mich nicht dem Vorwurf der Verharmlosung von Pädosexualität aussetzen würde, habe ich eine längere Diskussion mit Romano Schäfer geführt und sie ins Buch eingefügt. Und der forensische Psychiater Frank Urbaniok hat einen Artikel zum Thema des Therapierens von Straftätern beigesteuert. Ein zweiter Schwerpunkt des Buches ist der der Verwahrung. Hier ein kurzer Einblick ins Buch…

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