Vergebung – man kann sie nicht einklagen oder darauf bestehen, dass sie zuteil wird, Vergebung ist ein Geschenk, welches man nur dankbar annehmen kann. Ehrliches Annehmen der Vergebung erfordert die tiefe und intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Schuld. Und das ist mehr als das Ergründen von Tatumstände. Es ist die Auseinandersetzung mit der eigenen Person, mit den eigenen Fehlern und Schwächen. Und sie bedarf einer Gemeinschaft und Gesellschaft, die diese Vergebung verschenkt, auch an Menschen, die es (scheinbar) nicht „verdient“ haben.
Hintergrund
Am Heiligen Abend 2024 hat Papst Franziskus mit der feierlichen Öffnung der Heiligen Pforte im Petersdom in Rom das Heilige Jahr 2025 eingeläutet. Zwei Tage später öffnete Papst Franziskus eine weitere Heilige Pforte, die sich hinter vielen verschlossenen Türen, hohen Mauern und anderen Sicherheitsvorkehrungen verbirgt. Mitten im Gefängnis von Rebibbia bei Rom gibt sie Gefangenen Hoffnung. „Pilger der Hoffnung“ lautet das Motto. Das offizielle Programm listet die unterschiedlichen Pilger auf, die voller Hoffnung nach Rom und dort durch die Heilige Pforte im Petersdom und auch durch die der anderen Patriarchalbasiliken ziehen, in San Giovanni in Laterano, in San Paolo fuori le Mura und in Santa Maria Maggiore.
Doch eine wird den meisten Pilgern wohl nicht widerstrebend verschlossen bleiben: am 26. Dezember 2024 öffnete Papst Franziskus eine zusätzliche Heilige Pforte, die hinter vielen verschlossenen Türen, hohen Mauern und sonstigen Sicherungseinrichtungen verborgen ist. Mitten im Gefängnis von Rebibbia, in der Nähe von Rom, gibt sie Gefangenen Hoffnung. Schon zu so einigen Gelegenheiten hat der Heilige Vater seine Sorge um und Liebe zu Gefangenen zum Ausdruck gebracht. In diesem Heiligen Jahr 2025 öffnet er diesen auch ihre eigene Pforte in das Gnadenjahr des Herrn. Es gründet auf der Verkündigung Jesajas (Jes 61,1ff).
Tatsächlich kennt die katholischen und evangelisch-lutherische Kirche dieses Geschenk der Vergebung im Sakrament der Beichte. In ihr wird uns Gottes Vergebung unserer Sünden zugesagt. Diese göttliche Vergebung kann uns aber nicht vor den Konsequenzen bewahren, die unser Handeln nach sich zieht und uns auch nicht der Verantwortung unseres Tuns entziehen. Verantwortung übernehmen und die Konsequenzen tragen gehört zur Auseinandersetzung mit eigener Schuld untrennbar dazu. Verantwortung gegenüber möglichen Opfern, gegenüber der Gesellschaft und auch gegenüber der Gemeinschaft der Kirche. Nun ist aber ein Gnadenjahr des Herrn ausgerufen, ein Jubeljahr, wie es im Buch Levitikus beschrieben ist: “Erklärt dieses (…) Jahr für heilig und ruft Freiheit für alle Bewohner des Landes aus“ (Lev. 25,10).
Dort wo Beeinträchtugungen verhindern
Dürfen ausgerechnet die Menschen, die sich in einem Gefängnis intensiv mit ihrer Schuld auseinandersetzen (müssen), nicht an den Ereignissen in Rom teilhaben? Sind ausgerechnet die Menschen, die Vergebung suchen und das Gebet der ganzen Gemeinschaft der Kirche erhoffen und brauchen, ausgeschlossen von der Zusage der Gnade – außer sie sind zufällig in Rebibbia bei Rom inhaftiert? Dabei ist es doch bemerkenswert, dass Papst Franziskus in seiner Verkündigungsbulle des ordentlichen Jubiläums des Jahres 2025 „Spes non confundit“ in Abschnitt 10 besonders der Gefangenen gedenkt und in den Regelungen über die Gewährung eines Ablasses während dieses Jubiläums ausführen lässt: „Die wirklich reuigen Gläubigen, die aus schwerwiegenden Gründen nicht in der Lage sind, an feierlichen Veranstaltungen, Wallfahrten und frommen Besuchen teilzunehmen (wie … Gefangene) erhalten den Jubiläumsablass unter den gleichen Bedingungen […] dort, wo die Beeinträchtigungen sie behindern, beispielsweise in der Kapelle eines Gefängnisses.“
Eine Pforte in der JVA Weiterstadt
Der Papst sendet so die Botschaft der Versöhnung, der Vergebung und der Gnade an alle Orte der Welt, die institutionell abgeschnitten sind und lässt alle Welt teilhaben an den römischen Feierlichkeiten. Deshalb ist im Anschluss an die Eröffnungsfeierlichkeiten in Rom in der Justizvollzugsanstalt Weiterstadt eine Pforte geöffnet worden. Natürlich keine Heilige Pforte, sondern eine Tür, die die Gefangenen hier mit dem Jubiläum in Rom verbindet, eine Tür in eine Welt voll Gnade, eine Tür in eine Freiheit, wie nur Gott sie schenken kann, eine Pforte zum Heiligen Jahr. Zugegebenermaßen ist die Idee einer solchen Pforte aus der augenzwinkernden Frage eines Inhaftierten entstanden, ob wir nicht eine Gefangenenwallfahrt nach Rom unternehmen könnten – das brachte den Stein in´s Rollen, oder vielleicht besser: die Tür in´s Scharnier.
Und nun steht diese Pforte in der Kapelle der JVA Weiterstadt: eine alte verschrammte Zellentür, die über viele Jahrzehnte hinweg die winzige und beschränkte Welt einiger Gefangener verschlossen hat. Aus dem Keller geholt gibt sie Zeugnis von der Last der Einsamkeit, dem Unglück und Unheil, von der erstickenden Enge und der Erleichterung der Erlösung. Sie steht jetzt frei in einem Stahlgestell, man kann um sie herumgehen und von beiden Seiten hindurchgehen. Auf welcher Seite der Tür ist Freiheit zu finden? Auf welcher Vergebung? Auf welcher Gottes Gnade? Wo ist drinnen und wo draußen? Wir werden auch bei ihr sitzen, nachdenken, beten, um Vergebung bitten, hoffen. Deswegen steht eine Pforte zum Heiligen Jahr in der Justizvollzugsanstalt. Die ersten Schritte des Pilgerweges der Hoffnung sind gegangen.
Alexander Rudolf | JVA Weiterstadt
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Als Kritiker in der eigenen Kirche
Die internen MitarbeiterInnen der Katholischen Kirche sind oftmals bei ihrer Kritik am System Widersprüchlichkeiten ausgesetzt. Auf der einen Seite kritisieren viele der Laien ihren „Arbeitgeber Kirche“ und manche sehen in ihrem echten Engagement ihre Existenzberechtigung. Was wären sie denn ohne die Kirche? Der „Kampf“ gegen die Amtskirche oder die offene Kritik wird da oftmals nicht in aller Freiheit geführt. Vielmehr wird mit vorgehaltener Hand kritisiert. Einige Witze (am Abend nach Tagungen im Weinkeller) „über die da Oben“ und über die Ungereimtheiten erzählen da einiges. Ob diese Art der Entlastung letztlich Zuversicht und Vertrauen zum Weitermachen-arbeiten gibt, ist zweifelhaft. Zumindest scheint es zu entlasten. Trotzdem ändert dieses „Untergrundverhalten“ rein garnichts.
Die Meisten passen sich an, und eine wirkliche Kritik ist nicht möglich. „Die Kirche ist dein Brotgeber und du kannst ruhig sein, dass du so viel Geld für deine Arbeit bekommst.“, schallt es denen entgegen, die offen Zweifel äussern. Da gibt es zu viel: Sexualmoral, die Zulassung von Frauen nicht nur als Beiwerk oder das Heilige Jahr und der längst vergessene und überholte Ablass. Das klerikale Gedöns und die Überhöhung der Bischöfe und Priester. Ganz zu Schweigen mit einem Papst, der das letzte Wort hat und so leutselig und zerbrechlich daher kommt. Das zeigt sich in den Kirchengemeinden. Ohne Pfarrer geht nichts. Ist das Amt doch an die Eucharistische Gemeinschaft gekoppelt. Je nachdem, ob ein geweihter Mann verfügbar ist oder nicht, kann sie, die hochheilige Eucharistie gefeiert werden oder nicht.
Ist eine Taufe an einem Ort gültig, der keine Kirche ist? Kann ein Diakon seine Ehe mit zwei Kindern annullieren lassen, obwohl zwei Kindern daraus hervorgekommen sind? Das geht alles. Oftmals ist es eine juristische Begrifflichkeit und keine Barmherzigkeit, mit der Dinge entsprechend (in Rom) entschieden werden.
Katholisch-Sein, das hat viele Facetten. Solange man als pastoraler „Laie“ sich gut „durchgeschlängelt“ hat, kann man sich seine Nische in der Katholischen Kirche einrichten. Könnte dann höchstens noch passieren, dass bei Diskussionen mit Kolleginnen und Kollegen, nach bereits benannten Tagungen im berühmten Weinkeller einem von KollegInnen eine klare Grenze aufgezeigt wird, deren je eigene Grenze. Wie komme ich dazu, Dinge zu hinterfragen? Ich soll doch still sein und alles hinnehmen. Außerdem ist die Heilige Messe Quelle und Höhepunkt. Da gibt es nichts zu kritisieren. Das ist göttliche Ordnung. Ich kann nicht mehr mit-beten darin. Mir bleiben die Worte im Halse stecken.
Ich will nicht im Kampf gegen diese Kirche stecken bleiben. Ich will nur äußern, dass solche Diskussionen nicht weiterführen und ich mich nicht dahingehend verstricken lassen will. Mit neuem Blick auf den verstorbenen Autors Willigis Jäger folge ich einer anderen Spiritualität, die sich für mich nicht einengend darstellt.