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Versöhnen heisst, heil machen, was unheil ist

26. September 2019

In der gemeinsamen und lebendigen Feier der Liturgie, der missionarischen Verkündigung des Wortes Gottes und in der liebevollen und barmherzigen Zuwendung zu den Armen und Bedrängten aller Art geschieht Pastoral. Gefängnisseelsorge gründet in dem zentralen Auftrag der Kirche, dem Menschen die frohmachende und heilende Botschaft von Gott, wie sie Jesus nahe gebracht hat, durch das Zeugnis des Lebens und Wort (Lumen gentium, 33) zu verkünden und erfahrbar zu machen: die Botschaft vom kommenden Gottesreich, von der Versöhnung mit Gott und den Menschen und von der Vergebung der Sünden.

Gefängnisseelsorge stellt somit einen Teilbereich der kirchlichen Seelsorge dar und ist ihrem Grundauftrag verpflichtet, dem Herrn Jesus Christus in seiner Sendung zu helfen, dass die Menschen „das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10). Dieses verheißene Leben in Fülle ereignet sich anfanghaft schon jetzt im Handeln der Kirche und ihrer Glieder: in Verkündigung, in tätiger Nächstenliebe und in der Feier der Sakramente. In den Sakramenten und im Gottesdienst sagt Gott sich uns Menschen immer wieder neu zu mit dem, was er vor all unserem Bemühen schon für uns getan hat; zugleich erweist er sich immer wieder neu als treuer, solidarischer Gott, dem wir für seine Diakonia, für seinen Dienst an uns danken. In der Verkündigung und Katechese erschließt er sich und ist mit all seinem Wirken für uns Menschen durch die Geschichte hindurch gegenwärtig. In der konkreten Zuwendung zu den Menschen, besonders denen in Not und Bedrängnis, wird Gottes Diakonia leibhaftig spür- und erfahrbar; sie wird so zu einem Zeichen für den „neuen Himmel und die neue Erde“ (Offb 21,1).

Den Menschen zugewandt

Jesus war in seinem Umgang mit Menschen ein Freund der Armen, der Außenseiter und der Sünder. Die Einkehr im Haus des Oberzöllners Zachäus war für ihn kein Tabubruch, sondern Teil seiner Seelsorge. Er wandte sich Menschen, die am Rand der Gesellschaft standen, zu, half ihnen, richtete sie auf und ermahnte sie sodann zur Umkehr und zum Glauben an seine Botschaft. Er begründete seinen Umgang mit Sündern und Zöllnern gegenüber der damaligen Gesellschaft, besonders der Pharisäer, mit den Worten: „Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken“ (Lk 5,32).

Und er gibt diesen Auftrag an seine Jünger weiter: „Arme habt ihr immer unter euch“ (Joh 12,8). Für Jesus, der sich vom Vater gesandt weiß, den Gefangenen die Freiheit zu verkünden (Lk 4,18-19), ist es sehr wichtig, sich gerade diesen Menschen zuzuwenden. Es gibt aus dem Neuen Testament eine ganze Reihe von Beispielen dafür, wie Jesus damals solchen Menschen begegnet ist. Genannt seien das Verhalten Jesu zur Ehebrecherin (Joh 8,1-11), die nach damaligem Gesetz hätte gesteinigt werden sollen; ferner die verzeihende Liebe Jesu am Kreuz für den rechten Schächer, zu dem er wegen seiner Reue sagte: „Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein!“ (Lk 23,42). Jesus schenkte seine Liebe, seine Sorge und sein Erbarmen den Armen, Kranken, Gefangenen und Außenseitern.

Darüber hinaus wies er seine Jünger an, ebenso zu handeln. So steht beim Evangelisten Matthäus als Kriterium der Beurteilung der Menschen am Jüngsten Tag: „Ich war im Gefängnis, und ihr habt mich (nicht) besucht“ (Mt 25,36). Und er verstärkt diese Aussage noch mit der Feststellung: „Alles, was ihr irgendeinem dieser Geringsten (nicht) getan habt, habt ihr mir (nicht) getan“ (Mt 25,40). Dieses Wort Jesu in der Rede vom Weltgericht ist Maßstab und Bezugspunkt für den Umgang mit Strafgefangenen in der christlichen Tradition bis heute. Der Apostel Paulus wiederholt diese Forderung Jesu an die Christen der Urkirche, wenn er im Hebräerbrief fordert: „Gedenkt der Gefangenen“ (Hebr 13,3).

Die Sorge um die im Gefängnis sitzenden Menschen, ob unschuldig oder schuldig, gehört von Anfang an zu den vornehmsten Aufgaben der Kirche. Kirche ist Kirche für die Armen, Bedrängten und am Rande der Gesellschaft stehenden und sie war es von Anfang an. Die Gleichnisse vom verloren Sohn (Lk 15,11ff), vom verlorenen Schaf und der verlorenen Drachme (Lk 15,3ff) waren gemäß dem Auftrag Jesu immer die Maximen pastoralen Handelns der Kirche.

Seelsorge als Dienst zur Versöhnung

Gefängnisseelsorge hat vorrangig die Tätersituation im Blick. An anderer Stelle wendet sich Kirche ausdrücklich den Opfern von Ungerechtigkeit und Gewalt zu. Gefängnisseelsorge findet wohl ihr tiefstes geistliches Richtmaß an der Formel, auf die der Apostel Paulus im 2. Brief an die Korinther sein eigenes apostolisches Handeln bringt: „Wir bitten an Christi statt: Lasst euch mit Gott versöhnen.“ (2 Kor 5, 20). So ist der Dienst der Kirche im Gefängnis theologisch zu beschreiben als Dienst der Versöhnung mit Gott und den Menschen, so wie der Apostel Paulus an anderer Stelle schreibt: “Das alles aber ist aus Gott, der uns mit sich durch Christus versöhnt und uns den Dienst der Versöhnung übertragen hat“ (2 Kor 5, 18). Versöhnung ist das Werk Jesu Christi im Neuen Testament, Versöhnung ist der Auftrag Jesu Christi an den Seelsorger im Umgang mit den Menschen im Strafvollzug. Versöhnen heißt heilen, heil machen, was un-heil ist.

Aus: Seelsorge im Gefängnis. Norddeutsche Konferenz

 

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