Kommen – herabsteigen – gehen – vorausgehen – eilen – entgegenkommen. Ein be-weg-tes Osterevangelium, mit vielen Verben. Ostern ist eine einzige Weg-Geschichte. Kein Stillstand mehr. Keine Totenstarre. Die Evangelien helfen sich, diese Botschaft zu beschreiben, in dem sie sagen: der Leichnam ist nicht mehr da, das Grab leer. Ist es wirklich?
Die Frauen, die zum Grab gehen, finden Jesus nicht, aber sie finden – wie der Evangelist Matthäus berichtet – auch kein leeres Grab. Sie finden einen Engel und empfangen von ihm eine Botschaft. In dieser Botschaft hören sie, was sie beginnen wahrzunehmen: Jesus, der ihr Leben ist, ist nicht im Reich der Toten, sonst hätte er längst aufgehört, ihr Leben zu sein. Jesus, der ihr Leben ist, ist nicht an Räume und Orte gebunden, man begegnet Ihm unterwegs, draußen, ungebunden. Wem das Grab nichts sagt, dem ist es nicht leer.
Wo ist Christus anzutreffen?
Im ersten Corona-Jahr, als die gemeinsamen Gottesdienste zu Ostern nicht möglich waren, hat ein tschechischer Priester, Thomás Halík, Predigten gehalten, die einen Grundgedanken entfalten, nämlich: „Die leeren Kirchen während des Lockdowns könnten zum Sinnbild für die nahe Zukunft der Kirche werden.“ Vielerorts ist diese Zukunft längst schon da. Kann es sein, dass sie auch etwas Positives hat und uns vor die Frage stellt, wo wir glauben, den auferstanden Christus vor allem anzutreffen? Ostern hat diese Frage längst beantwortet: Christus kommt uns unterwegs entgegen. Im Osterevangelium wird das Bild des leeren Grabes verheißungsvoll. Könnten unsere leeren Kirchen, könnten wir als Kirche nicht ebenso verheißungsvoll sein, indem wir nicht aufhören zu sagen, was der Engel den Frauen sagt: Jesus ist nicht hier, aber Er kommt auf euch zu?
Streichholzschachtel Gott?
Lange Zeit haben wir diese Botschaft verdunkelt und versucht, den auferstanden Christus einzuschließen: In Worte, in Sakramente, in Tabernakel, in Kirchen, in die Einhaltung von Riten. Ein Streichholzschachtel Gott. Wir haben – anders als der Engel – gesagt: Er ist hier! Wie vielen ist Er dadurch gestorben, weil der Versuch, Jesus handhabbar zu machen, griffbereit, verfügbar, garantiert Leben und Lebendigkeit erstickt und dem auferstandenen Christus alle Weite nimmt. Und wir sind im Status der Frauen des frühen Ostermorgens verblieben, auf dem Weg zum Grab oder verharrend am Grab. Wenn Kirche, wenn wir selbst nicht mehr nur hinweisend sind, sondern glauben, wir hätten Ihn, Er sei in unseren Händen, kommt niemand mehr zum Grab hin und auch niemand vom Grab weg.
Nicht am Grab verharren
Ostern lässt nicht nur das Grab, Ostern lässt die ganze Kirche, lässt jedes Sakrament, lässt jedes religiöse Wort zum Zeichen, zur Stimme, zum Engelswort werden, das losschickt und sagt: Ihr werdet Ihn sehen. Denn was wäre Ostern ohne das Wort des Engels, das empfängt und Furcht nimmt, das voller Erwartung ist aber nicht vereinnahmt, das hinweist und nicht bewahrt, das los schickt und nicht festhält, das verkündigt, aber nicht erfüllt. Wem das Grab nichts sagt, dem ist es nicht leer.
Bernd Mönklebüscher | Hamm