Eine Person liegt mit dem Kopf auf einer Bibel. Eine andere tritt aus einem dunklen, düsteren Raum hinaus ins Helle. Ein Dritter steht im Altarraum einer Kirche unter leuchtenden farbigen Fenstern. Diese Personen gehören zur Initiative #OutInChurch. Zusammen mit vielen anderen outeten sie sich in der Fernsehdokumentation „Wie Gott uns schuf“. Erstmals äußerten sich damals queere KatholikInnen und kirchliche MitarbeiterInnen öffentlich über die eigenen Erfahrungen mit der Katholischen Kirche.
Sie sprachen über vielfach erlittene Ängste und Verletzungen. Bewegende Berichte, die zu Herzen gingen und mich persönlich erschüttert haben. Von Beteiligten ist jetzt eine Fotoausstellung entstanden. Der Fotograf Martin Niekämper entwickelte die Idee, eine Porträtserie mit Mitgliedern von #OutInChurch zu gestalten und dieser Initiative durch die Fotografien ein Gesicht zu geben. In seiner Jugendzeit war er selbst als Ministrant und Gruppenleiter in der Katholischen Kirche engagiert. Er habe queere Freunde, die dort arbeiten, berichtet Martin Niekämper. Sie hätten immer noch Angst, sich zu outen, da sie berufliche Nachteile befürchteten. Das habe ihn zu diesem Projekt mit den Fotos motiviert.
Mittendrin
40 Fotografien sind zu sehen. Bilder, die in ihrer Intensität berühren. Fast alle Personen lassen sich in kirchlichen Räumen oder mit christlichen Symbolen abbilden. Ein Kreuz, ein Altar, eine Bibel. Sie outen sich als engagierte ChristInnen, die dazugehören. Sie sind ein Reichtum für die Kirche. Der Gefängnisseelsorger, Frank Kribber, drückt es so aus: „Der Kirchraum ist für mich ein Teil meines Arbeitsplatzes. Dort feiere ich mit Menschen Gottesdienste und gehe zum Beten dorthin. Es ist für mich ein ‚energetischer Raum‘ der Begegnung mit Gott. Dort darf ich vor Gott so sein wie ich bin. Mit meinen Licht- und Schattenseiten, auch mit meiner Queerness. Daher war es für mich kein Problem mich dort fotografieren zu lassen, sondern gerade sehr passend. Nicht außerhalb der Kirche, sondern mittendrin!“ Dr. Anne Koch, Professorin für Religionswissenschaft in Freiburg zeigt sich mit verschränkten Armen an einer Marienskulptur. Rainer Teuber, Leiter der Museumspädagogik und des Besucherservices der Essener Domschatzkammer, steht an einer offen Tür, die schwarze Schatten wirft. Die Gersundheits- Krankenpflegerin Silvia Köln ist neben einem bunten Kirchenfenster zu sehen. Sie sagt: “Ich möchte, dass meine Kirche es meinem Gott gleich tut. Denn: Mein Gott liebt jeden Menschen.“
Ohne Angst
Die Aufnahmen zeigen Menschen in ihrer persönlichen Betroffenheit in der Örtlichkeit Kirche, mal ganz nah – mal fern. Für Betrachtende soll sich zum einen die Selbstwahrnehmung der porträtierten queeren Personen als Teil der katholische Kirche und zum anderen der metaphorische Zusammenhang zwischen den Personen und der Kirche erschließen. Dafür steht zum Beispiel das Bild des aus dem Dunkeln heraustretenden Menschen. Für eine Kirche ohne Angst – das ist das zentrale Anliegen der Initiatoren. Sie treten ein für eine Kirche, in der jede Person, unabhängig von ihrer geschlechtlichen Identität oder Orientierung anerkannt ist und keine Nachteile erfährt. Die Kirchliche Grundordnung für die pastoralen MitarbeiterInnen wurde 2022 verändert, so dass der Kernbereich privater Lebens- und Beziehungsgestaltung nicht mehr Kriterium für eine kirchliche Anstellung ist. Doch darüber hinaus gibt es weiteren Reformbedarf in der Veränderung der Sexualmoral, der Ämterfrage und queerer Segensfeiern.
Dr. Daniela Engelhard | Leiterin des Forums am Dom in Osnabrück