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Gottes Bewegung ist entgegengesetzt, sie entflieht nicht

25. Dezember 2024

Manchmal möchte ich der Wirklichkeit entfliehen. Ich fühle mich zu stark gefordert. Ich habe Angst davor, Dinge erleben zu müssen, die ich nicht erleben will: Politische und gesellschaftliche Entwicklungen auf Basis von Künstlicher Intelligenz, Klimaveränderungen, nicht angemessene soziale Verhaltensweisen, der weitere Realitätsverlust von Kirche(n) und nachlassende Kräfte. Dies sind wie Schatten auf meiner Seele…

Wie gut, dass es Fluchtpunkte gibt: den Schlaf in der Nacht, Wandern im Urlaub oder zwischendurch, ein Stück Kuchen, ein Konzert, das Licht einer Kerze, zusammen schweigen, eine Feier, manchmal Gottesdienste – und Weihnachten. Raus aus dem Alltag, dem Grau etwas Gold entgegensetzen, etwas anderes riechen und schmecken.

Ein Kind verändert

Als Kind war ich total auf Weihnachten fixiert. Vielleicht lag es daran, dass wir Zuhause eine Gärtnerei hatten und es in dieser Zeit im Haus stark nach Tannengrün duftete – schon im November mit dem Binden von Adventskränzen mitunter auch in der Küche – es war ein kleiner Betrieb. Nach Weihnachten, beim Spazierengehen auch schon an den Feiertagen, konnte ich gar nicht glauben, dass die Welt noch genauso aussah wie im Advent oder halt sonst im Jahr. Es muss doch was anders werden, es muss doch anders aussehen, ging mir dann durch den Kopf: Dieses Fest, diese Botschaft wird doch etwas verändern, etwas von dem Duftendem, Glänzendem, Anrührendem muss doch mit in den Alltag. Eine wunderbare Geschichte hat es für mich in den letzten Wochen auf den Punkt gebracht. Sie erzählt: Es ist Krieg und Mütter beginnen, ihre neugeborenen Kinder den kriegsführenden Vätern in den Arm zu legen. „Du bist dran“ – sagen sie, und lassen die Männer stehen. Sie haben alle Hände voll zu tun mit wiegen und vollen Windeln, mit beruhigen und in den Schlaf singen. An Krieg ist überhaupt nicht mehr zu denken – schlichtweg keine Zeit dafür. „Kinder an die Macht“ sang Herbert Grönemeyer in den 80er Jahren. Kinder verändern die Welt – das weiß jede Familie. Vor allem ein Kind, dieses eine, dessen Geburtstag wir feiern. Wo es in den Armen liegt, wo es im Herzen wohnt, hat alles andere keinen Platz.

Gottes Bewegung ist entgegengesetzt

Also kann Jesus doch die Welt verändern, ihr ein anderes Gesicht geben; jedes Baby kann es und tut es. Wie wäre es, wenn diese Veränderung, das vom Kind in Anspruch genommen sein nicht nur auf die ersten Jahre nach der Geburt beschränkt ist? Manchmal möchte ich der Realität entfliehen – meine menschliche Bewegung, vermutlich nicht nur meine. Gottes Bewegung ist entgegengesetzt: Jesus kommt in unsere Realität, entflieht ihr nicht sondern sucht sie auf, vom Himmel auf die Erde – wie wir sagen: In die Nacht, ins Dunkle, ins Verworrene; er hält sie aus, nicht dickhäutig, sondern dünnhäutig, nicht siegreich sondern verlierend, nicht glanzvoll aber ermutigend.

Nicht die Würde nehmen lassen

Ich höre ihn sagen: „Gib nicht auf. Glaub weiter an das Gute, an den Menschen. Wage nicht „ein kleines bisschen mehr Milei oder Musk“. Schäme dich deiner Verletztheit nicht. Lass dir und niemand anderem die Würde nehmen. Bewahre das Kind in dir, das du immer noch bist. Weine, wenn du weinen musst; lache, wenn du lachen musst. Bleib warmherzig. Spiel mit Kindern, denn sie verändern dich, nicht erst als Opa oder Oma, auch als Mutter oder Vater. Backe ab und an dein Brot selbst, du bekommst ein Gespür für Wandlung. Leg dich auf die Wiese und schau in den Himmel, dein Herz wird weit und du weißt, was Sehnsucht ist. Nimm Erde in die Hand, um dich zu erden; und hör solange in die Stille, bis du wahrnimmst, was nur Engel sagen können: „Fürchte dich nicht“. Bleib auf der Erde, denn dort findest du mich.“

Bernd Mönkebüscher

 

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