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Gibt es Follower von „PromisGlauben“ im Gefängnis?

5. April 2023

Der Gefängnisseelsorger Alexander Glinka arbeitet in den nordrhein-westfälischen Justizvollzugsanstalten Dortmund im geschlossener Vollzug sowie im Offenen Vollzug der JVA Castrop-Rauxel. Ende März war der 34-Jährige zu Gast am Berufsschulzentrum in München. Dort sprach der Gefängnisseelsorger vor 130 Auszubildenden für Medienberufe, für Einzelhandel und für Steuern über seine Arbeit im Knast und die Werte von Reue, Vergebung und Resozialisierung.,

Im September 2022 meldete sich Alexander Glinka beim Team von PromisGlauben und berichtet, dass er „seit mehreren Jahren ein Follower“ von deren Facebook-Seite sei. Der Begründer von PromisGluben, Markus Kosian, will nicht hinnehmen, dass Religion „out“ ist. Um seinen Berufsschulunterricht spannender zu machen, zeigte er seinen SchülerInnen ein Interview von Jürgen Klopp, in dem er über seinen Glauben spricht. Und plötzlich war von Langeweile keine Spur mehr und das Interesse geweckt, sich selbst zum eigenen Glauben zu positionieren. Die Idee zum Projekt war geboren. Aus einer Unterrichtsstunde ist eine ganze Ausstellung geworden. Darin sprechen Promis offen über Ihren Glauben. Die Idee stieß auf Interesse von wissenschaftlicher Seite. Dr. Ferdinand Herget, Direktor vom Religionspädagogischen Zentrum Bayern, und Prof. Dr. Konstantin Lindner, Lehrstuhlinhaber an der Universität Bamberg, interessierten sich für die Kontexte der Ausstellung. So organisierte man Lehrerfortbildungen zum Thema „Was Promis glauben – Impulse für biographisches Lernen im Religionsunterricht“ und entwickelte in einem Projektteam die Idee weiter.

Vortrag an der Berufsschule für Medienberufe

Gefängnisseelsorger Alexander Glinka arbeitet in der Gruppenarbeit und den Einzelgespräche in der seelsorgerlichen Arbeit im Strafvollzug mit Aussagen von Prominenten zum Glauben und den damit verbundenen Werten.  Mit den Inhaftierten kommt er damit ins Gespräch. Glinka sagt: „Promis sind heute bessere Glaubensbeispiele für kirchenferne Menschen, als Heiligen Figuren des Mittelalters“, meint der Gefängnisseelsorger. Über Promi-Aussagen könne gelingen, auf die Biographien und das Wirken von Heiligen vergangener Zeit zu sprechen zu kommen. Im Kurs „Projektmanagement“, den Markus Kosian an der Berufsschule für Medienberufe in München anbietet, berichtete er von den Telefonaten mit Alexander Glinka und zeigt ein YouTube-Clip über dessen Arbeit im Gefängnis. Die einhellige Reaktion der SchülerInnen darauf war: „Der muss zu uns an die Schule kommen.“

Die Idee zu einem Event mit Alexander Glinka am Campus Riesstraße war geboren. Dafür wurde die Ausstellung PromisGlauben zur Präsentation in der Woche vor den Osterferien in der kleinen Aula des Berufsschulzentrums neu gestaltet und ein Termin mit dem Gefängnisseelsorger ausgemacht. Alexander Glinka kam nach München und hielt vor 130 Schülerinnen und Schülern einen Vortrag über seine Arbeit im Gefängnis, den Einsatz von Promi-Statements dabei sowie über die Werte von Reue, Vergebung und Resozialisierung. Dabei wurde  ersichtlich, welche Qualität das Handeln von Menschen aus der Rückbindung zu Gott für die Gesellschaft hat. Immer wieder war zu erkennen, dass die lebendige Beziehung zu Christus die Motivation ist, aus der heraus der Gefängnisseelsorger agiert.

Seine Berufung gefunden

Zu Beginn seines Vortrags mit dem Thema „Kirche im Knast – Die Arbeit in der Gefängnisseelsorge“ erklärte Glinka zu den Beweggründen für seine Arbeit, dass ihn der Satz Jesu „Ich war im Gefängnis und ihr habt mich besucht“ aus dem Matthäus-Evangelium (Mt 25,36) tief angesprochen habe und ihn nicht mehr losließ. Über Umwege landete er im Jahr 2017 in der Gefängnisseelsorge und spürt, dass er hier seine Berufung gefunden hat. Sein Dienst im Gefängnis wurde nach einem Perspektivwechsel möglich. Im Jahr 2011 sei er noch überzeugt gewesen, dass Menschen, die anderen etwas Schlimmes angetan haben selbst leiden und mit ihrer Schuld leben sollen. Die vernunftbegründete Auseinandersetzung mit der Botschaft Jesu verwandelte seine Haltung. So wurde sein Weg zum Gefängnisseelsorger mit der aufkommenden Überzeugung möglich, dass er biblische Gott ein Gott der Versöhnung ist und bei ihm die Schuldiggewordenen die Chance zur Umkehr und einem Neuanfang bekommen. Dazu betonte Glinka: „Man soll sich ein Beispiel an Jesus nehmen, denn er hatte eine Vorliebe für den Kontakt mit Schuldnern!“

Die Beschäftigung mit der Person Jesu sowie mit der damit verbundenen christlichen Soziallehre führte zum Wendepunkt in seinem Denken, womit ihm der Dienst als Gefängnisseelsorger nachhaltig möglich wurde. So schildert Alexander Glinka: „Jeder Mensch hat seine Geschichte. Kein Mensch kam als Straftäter auf die Welt. Irgendwas ist in der Lebensbiografe passiert, wieso man zum Täter wurde. Wieso man dies tat… Alle Straftaten verurteile ich, aber dem Täter begegne ich mit seiner gottgeschenkten Menschenwürde. Ich bin nicht der Herr, der richtet und beurteilt. Das macht ein Anderer. Ich versuche wie Jesus mit den Schuldiggewordenen umzugehen.“ In seiner Arbeit gehe es ihm im Kern darum, anderen etwas Gutes zu tun und sich um die Seele zu sorgen.

Nicht dazu da, zu richten

Auf aufkommende SchülerInnen-Fragen, ob es nicht Taten gebe, in der Menschen ihr Recht auf Hilfestellung verwirkt hätten, erklärte der studierte Theologe und Erziehungswissenschaftler, dass er in der Begegnung nicht das Verbrechen, sondern den Menschen sehe, der für ihn seinen Menschen-Status nicht verloren habe. In seinem Tun inspiriere ihn das Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lukas 15,11-32), in dem der Vater seinem verlorenen Sohn, der gesündigt hat, so begegnet als ob nichts passiert wäre. Ihm ist klar, dass andere Menschen, ähnlich wie der ältere Sohn im Gleichnis, seine mit Wertschätzung betriebene Arbeit nicht nachvollziehen können und das für Reibung sorge. Glinka betont: „Ich bin hier nicht im Namen der Justiz tätig, sondern im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Er sei nicht dafür da, um zu richten. Dies sei nicht die Aufgabe der Seelsorge. Vielmehr versuche er der Person ins Gewissen zu reden und die Dinge aus einer anderen Perspektive zu beleuchten.

In einem Gedankenexperiment reflektierte Glinka mit den Schülern die Frage, was den Menschen zum Menschen macht. Im Dialog mit den Schülern kam er zum Ergebnis, dass eine komplette Reduktion des Menschen auf eine fehlerhafte Tat, alle positiven Eigenschaften und Taten desselben Menschen ausblenden würde. Natürlich gebe es Licht und Schatten im Gefängnis, schilderte Glinka. Ihm gehe es darum, dass Menschen sich nicht selbst auf ihre Tat reduzieren und in die Lage kommen, sich selbst zu vergeben. In diesen Fällen mache er Menschen klar, dass sie nicht die Tat sind und es einen Gott gibt, der ihnen vergibt. Wenn dieser Prozess der Reue eintritt, ist der Weg zur Resozialisierung geebnet. Werte wie Verantwortung, Verlässlichkeit, Verbindlichkeit und Versöhnung treten in den Vordergrund. Die Frage ob es es heute gläubigen Menschen gibt, die ein Vorbild sein könnten, führt Glinka zur Internetrecherche. Beeindruckt von den mittlerweile über 1.100 Promis, über deren Glauben und Werteorientierung berichtet wird baut er Stars als Vorbilder in seine Seelsorgearbeit ein und schaffte damit einen Zugang, um über diese Biographien mit Inhaftierten in Dialog über ihren Glauben und ihre Wertevorstellung zu treten.

Wer noch keine gebrannte CD hatte…

Den SchülerInnen am Campus Riesstraße zeigte er am Beispiel von Hollywood-Star Mark Wahlberg, der als Jugendlicher wegen versuchten Totschlags im Gefängnis saß, auf, wie prominente Vorbilder Inspiration für einen Perspektivwechsel sein können. Wahlberg berichtet heute, dass er sein Leben mithilfe eines Priesters retten konnte und ihm heute sein Glaube, seine Ehe und Familie sowie Werte wie Vergebung, Treue und Nächstenliebe wichtig sind. Die Gewissheit zu erlangen, dass ihm vergeben ist, stellte für Wahlberg den Motor für ein gelingendes Leben dar. Mit inspirierenden Posts in den sozialen Medien sowie in seinem aktuellen Film „Father Stu“ trägt der Hollwood-Star heute selbst dazu bei, Menschen zu ermutigen und Hoffnung zu verbreiten.

Seinen Vortrag beendete Alexander Glinka mit einer Gefängnisseelsorge-Weisheit. In Anlehnung an die Worte Jeus „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie“ sagte der 34-Jährige: „Wer im Leben noch keine gebrannte CD gehabt hat bzw. keinen illegalen Download vollzogen hat, soll den ersten Stein werfen!“ Eine ausdrucksstarke Stille begleitete diese Worte. Die darauf folgende Fragerunde zeigte, wie bewegend die Worte des Seelsorgers waren, dass sein Vortrag nachklingen wird und wohl 130 Menschen zum Nachdenken über den Wert der Vergebung in ihrem eigenen Leben inspirieren wird.

Markus Kosian | Fotos: PromisGlauben

 

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