Corina Lass | Neue Westfälische.
Fünf ehemalige Häftlinge sind am Mittwoch freiwillig ins Herforder Jugendgefängnis zurückgekehrt, um gemeinsam mit vier Noch-Inhaftierten ihre Gesellenbriefe entgegen zu nehmen. Bei der Freisprechung in der Gefängniskirche sind auch Meister, Lehrer und Angehörige dabei. Für viele Eltern ist es einer der berührendsten Momente, die sie jemals mit ihrem Sohn erlebt haben. Ungläubig liest ein Vater im Gesellenbrief seines Sohnes. Fast unmerklich schüttelt der Mann den Kopf. Aus dem Grinsen kommt er an diesem Tag gar nicht mehr raus. Friedrich Waldmann, Leiter des Herforder Jugendgefängnisses, kennt solche Gefühlsbewegungen: Viele hätten ihren Kindern das nie zugetraut.
In der Vergangenheit hatten sie immer wieder die Polizei im Haus. “Viele sind froh, wenn ihr Sohn erst einmal bei uns ist und Ruhe einkehrt.” Und dann halten sie plötzlich den Gesellenbrief in den Händen, der nicht nur eine abgeschlossene Berufsausbildung dokumentiert, sondern auch die Selbstdisziplin und das Durchhaltevermögen ihres Kindes.
Erfolge, Anerkennung und Geduld erfahren
Nicht nur für diese Eltern ist es oft das erste Mal, dass etwas gut gelaufen ist mit dem Sohn. Viele der jungen Männer erleben zum ersten Mal Erfolge, hören Lob und erfahren die Geduld eines Meisters, der Handgriffe auch zehn oder zwölf Mal erklärt, wie einer der Gesellen erzählt. Und sie haben etwas geschafft, was 20 Prozent der Auszubildenden in NRW nicht schaffen, sagt der Vizepräsident der Handwerkskammer, Ralf Noltemeyer.
157 Ausbildungsgänge sind im Jugendgefängnis möglich. Gesellen aus vier Ausbildungsberufen verabschiedet Waldmann: drei Hochbaufacharbeiter, einen Maler und Lackierer, drei Bauten- und Objektbeschichter und zwei Metalltechniker. Ein weiterer Gefangener hat die Prüfung nicht bestanden, ein anderer den Gesellenbrief bereits in seinem Betrieb entgegen genommen. Bei einem der Schlosser stehen lauter Einsen und eine Zwei auf dem Berufsschulzeugnis. Er wird sich im Gefängnis weiter spezialisieren. “Und danach studiere ich”, sagte er. Sein Meister macht ihm Mut: “Das kannst du schaffen”, sagt er.
Jahre im Knast sind eine Strafe, aber vor allem eine Chance
Etwa 90 Prozent der jungen Männer treten ihre Haft mit Schulkenntnissen an, die der fünften oder sechsten Hauptschulklasse entsprechen, sagt Waldmann. Als Auszubildende kämen sie für keinen Betrieb in Frage. Gefängnis-Lehrer unterrichten sie. Für die meisten ist eine Ausbildung anfangs völlig außerhalb des Möglichen. Ob er das geglaubt habe, fragt Waldmann einen von ihnen, als er den Gesellenbrief überreicht. Geträumt habe er es, entgegnet der. Die Jahre im Knast sind Strafe und Chance.
Das sieht auch einer der Bauten- und Objektbeschichter so, der vor zwei Wochen aus der Haft entlassen wurde. Der 21-Jährige war vor Haftantritt arbeitslos. Nun will er eine zweijährige Ausbildung zum Fahrzeuglackierer anschließen. Autos sind sein Ding. Und seine Chancen auf die Stelle sind gut, zumal auf dem Gesellenbrief der Meister als Ausbildungsbetrieb steht. Wenn die jungen Leute eine Berufsausbildung und eine Wohnung haben und auch die familiären Verhältnisse geklärt seien, dann stehen die Chancen gut, dass die Haftanstalt sie nicht wiedersieht. Dann kommen sie in andere gesellschaftliche Gruppen, sagt Gefängnissprecherin Angelika Schmidt.
Mit freundlicher Genehmigung: Neue Westfälische Zeitung
Neue Westfälische, 18. Juli 2019. Texte und Fotos aus der Neuen Westfälischen sind urheberrechtlich geschützt. Weiterverwendung nur mit schriftlicher Genehmigung der Redaktion. Autorin/Fotografin: Corina Lass.
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In der JVA Herford heißt es “Knast kulinarisch”. Die Veranstaltungen werden genutzt, um jungen Gefangenen im Rahmen ihrer Ausbildung zum Koch fachlich den Umgang mit Gästen zu vermitteln, was im Vollzug sonst kaum möglich ist. Zugleich besteht für die Gäste die Möglichkeit, sich über die Leistungsfähigkeit der Ausbilder und Auszubildenden zu informieren und mehr über den Jugendstrafvollzug in der JVA Herford zu erfahren. Die nächsten Termine sind der 11. Oktober 2019 und der 6. Dezember 2019 jeweils ab 17.30 Uhr. Eine schriftliche Anmeldung ist notwendig.