parallax background

Gefangene sehen die Seelsorge am AndersOrt als befreiend…

14. Juni 2022

Die neue Ausgabe der Fachzeitschrift AndersOrt spiegelt die Themen wieder, die in den letzten Monaten aktuell sind: Corona, der Ukraine-Krieg und die Flutgeschichten kirchlicher MitarbeiterInnen – nicht nur durch die Aktion „OutInChurch“.

Wie kann man/frau als RepräsentantIn der Kirche in einer staatlichen Einrichtung wie die des Justizvollzuges arbeiten? Die hierarchische Ordnung und die Diskriminierung bestimmter Personengruppen stehen einer geschwisterlichen und gerechten Kirche diametral entgegen. Wie können Sie für eine Kirche stehen, die nicht bereit ist, ihre Strukturen zu verändern? Der spirituelle Autor Pierre Stutz sagte jüngst in einem Interview: „Ich lasse mich als Schweizer nicht auf die Schweizer Banken ein“. Ein starker Kämpfer, der solange für Veränderung innerhalb der Kirche eintritt, wie er dafür brennt. Verzweifelt-Katholisch sei er, das ist treffend ausgedrückt. „Es wird sich eh nichts ändern“, sagen manche, wenn es um die Lehre der Kirche geht. Die Entscheidung, nicht weiter gegen Windmühlenflügel ankämpfen zu wollen, ist nachvollziehbar. Konsequenzen zieht der Generalvikar des Bistums Speyer, Andreas Sturm.

Die 140 Jahre alte Anstaltskirche der ostwestfälischen Justizvollzugsanstalt Herford ist weit im Stadtbild sichtbar, trotz der hohen Mauern. Wie kann man/frau als RepräsentantIn der Kirche in einer staatlichen Einrichtung wie die des Justizvollzuges arbeiten?

Religiöse Verantwortung

GefängnisseelsorgerInnen kennen solche Systeme nur zu gut. Der Justizvollzug ist in sich genauso widersprüchlich und oft knallhart. Die „Seelsorge“ nimmt in diesem System eine andere Stellung ein. Kaum höre ich im Jugendvollzug massive Kirchenkritik. Hier und da von Bediensteten vielleicht. Liegt es daran, dass die Gefangenen die Seelsorge als befreiend und nicht einengend erleben? Sie kennen „Kirche“ oft gar nicht. Nicht jede gut gemeinte Hilfe ist immer eine gute Hilfe. Als GefängnisseelsorgerIn haben wir eine religiöse Verantwortung. Dies schreibt Mirjam Oettel in ihrer Masterarbeit zu diesem Thema.

Gefangen sein

Gefangen-sein kann man in Corona-Zeiten immer öfters selbst erleben: In Quarantäne zuhause. Die Erfahrungen aus der JVA Butzbach hören sich an, als seien sie „draußen“ gemacht worden. Einige Maßnahmen, vor allem im Bereich der Kommunikation (z.B. Video- und Haftraumtelefonie) haben neue Möglichkeiten eröffnet. Die pandemiebedingten Einschränkungen können zur neuen Normalität im Vollzug werden. Nicht aus Gründen des Gesundheitsschutzes, sondern aus Gründen der allgemeinen Sicherheit. Es kommen keine Drogen mehr über den Besuch in die Anstalt. Ein positiver Nebeneffekt, der aber menschlich gesehen den Kontaktbesuch mit Kindern zu ihren inhaftierten Vätern verhindert.

Gefangene appellieren

Die Gefangenen der Justizvollzugsanstalt Würzburg formulieren aufgrund ihrer Lebenserfahrung einen Friedensappell. Mehrere der Gefangenen kommen aus Kriegsgebieten wie Syrien oder Somalia. Hinter Gittern sind sowohl Ukrainer als auch Menschen mit Wurzeln in Russland. Ihre eigenen Lebenserfahrungen lassen die Inhaftierten die Spirale der Gewalt und das Grauen des Krieges besser verstehen. Da kann „Kirche“ wirklich Anwalt für die Menschen sein. Hoffnung wäre, dass dies ebenso intern passiert. Der neue Entwurf des kirchlichen Arbeitsrechtes lässt dies zumindest vermuten.

Der AndersOrt lädt ein zum Lesen, Reinblicken und zum Rück-Blicken! Ein Kommentar einer Leserin auf der Website: „Der Artikel von Christoph Kunz zu Charles de Foucauld rührt mich an. Sein Leben zum ganz speziellen und konkret gelebten interreligiösen Dialog ist top aktuell. Für die katholische Kirche wäre das eine Spur, der sie leider seit vielen Jahrzehnten sich nicht traut zu folgen. Jede Gefängnisseelsorge, die sich nach dem Motto von Bruder Karl ausrichtet: „Ich will nicht bekehren, ich will verstehen“, könnte diesen Weg aufzeigen. Viel besser kann es befreiende Theologie nicht sagen oder leben. Diese ist zu Finden in einer eher nicht vermuteten Freiheit: IM KNAST… eben auch eine Wüste in vielen Städten“, so die Kommentatorin. Zum AndersOrt

 

Michael King | Stellvertretender Vorsitzender

 

Feedback 💬

Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert