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Gedenk-Kundgebung nach Gewalttat an verstorbenen Malte

3. September 2022

Mehr als 5.000 Menschen haben auf dem Prinzipalmarkt in Münster des 25-jährigen Trans*Mann Malte C. gedacht, der nach einer brutalen Gewalttat am Rande des Christopher-Street-Days (CSD) in Münster gestorben ist. Malte war dazwischen gegangen, als ein junger Mann teilnehmende Frauen beleidigt hat, und war von diesem zu Boden geschlagen worden. Auf der Gedenk-Kundgebung eine Woche nach dem Tod äußert sich ein Vertreter der Queergemeinde Münster sehr bewegend. Besonders zu den Aussagen kirchlicher Würdenträger und des Katechismus.

Zeugen zufolge soll ein junger Mann auf dem Christopher-Street-Day mehrere Frauen mit „Lesbische Hure“ und „Verpisst Euch“ beschimpft haben und drohend auf sie zugegangen sein. Die Schlichtungsbemühungen von Malte C. soll der Auslöser für die Attacke auf ihn gewesen. Un­vermittelt schlug der Täter dem Trans*Menschen mehrmals ins Gesicht. Er verlor das Be­wusstsein und schlug mit dem Hinterkopf auf den Asphalt. Wie die Polizei mitteilt, wurde ein 20-jähriger Tatverdächtiger verhaftet. Einer der Redebeiträge bei der Kundgebung in der Münsters Altstadt kam von Jan Baumann, der Vertreter der Queergemeinde in Münster. Seine Ansprache wurde mehrfach von Applaus und „Bravo!“-Rufen unterbrochen.

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Solidarität seitens der Kirche

„Es ist sehr bewegend, hier heute zu stehen. Und ich glaube, dass die richtigen Worte nicht gefunden werden können. Mein Name ist Jan, ich bin Mitglied der Queergemeinde hier in Münster. Das ist Kirche für und mit queeren Menschen. Ich bin Christ, und ich bin römisch-katholischer Mensch. Und normalerweise hätte ich jetzt ein Buhen erwartet, denn die römisch-katholische Kirche hat sich nun viele Jahre nicht als quer-freundlich gerühmt. Wir haben eben die Totenglocke von St. Lamberti und vom Dom gehört. Heute stehen wir hier und können sagen: Wir erleben Solidarität von der Kirche, wie ich sie mir nie erhofft hatte. Ich habe sogar eben die Nachricht bekommen, dass der Bischof und der Weihbischof hier in Münster die Flaggen, die sie vor ihrem Haus hängen haben, auf Halbmast gesetzt haben. Das ist ein riesen Zeichen der Solidarität. Und auch finde ich bemerkenswert das rasche Statement von Bischof Genn, der diese Tat als barbarisch und irrsinnig verurteilt hat“, so zitiert der Redner.

Tat barbarisch und irrsinnig

Bischof Genn sagt in seinem Statement: „Der Trans*Mann, der am Rande des Christopher Street Days am Samstag in Münster angegriffen wurde, ist gestorben. Das erschüttert mich zutiefst. Ein junges Leben wurde ausgelöscht. Was für eine barbarische, was für eine irrsinnige Tat. Meine Gedanken und Gebete sind bei dem Verstorbenen, seinen Angehörigen und bei allen, die um ihn trauern. Wir dürfen aber bei der Erschütterung und Trauer nicht stehen bleiben. Wir müssen laut unsere Stimme erheben gegen alle, die andere wegen ihrer sexuellen Orientierung, ihrer geschlechtlichen Identität, ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe oder ihrer Religionszugehörigkeit nicht tolerieren, beschimpfen, verbal oder tätlich angreifen. Intoleranz, Ausgrenzung und Hass dürfen in unserer Gesellschaft keinen Platz haben. Wir müssen und werden uns mit allen friedlichen Mitteln gegen diese Tendenzen zur Wehr setzen“, so der Münsteraner Bischof.

Kirche noch lange nicht queerfreundlich

Jan Baumann von der Queergemeinde weiter: „Als wir am vergangenen Sonntag, am Tag nach dem CSD, am Vorplatz von Heilig Geist den ökumensichen CSD-Gottesdienst gefeiert haben, der von langer Hand geplant war, da war es uns ein riesen Anliegen, für Malte zu beten und an ihn zu denken. Über den Stadtdechanten Jörg Hagemann weiß ich, dass in vielen Gottesdiensten an Malte und die Hinterbliebenen gedacht wird und an vielen anderen Kirchen für ihn die Glocken geläutet haben. Doch ich möchte auch den Blick auf die Weltkirche lenken. Denn die offizielle Lehrmeinung und der Katechismus sind noch lange nicht queer-freundlich, ganz im Gegenteil. Ich lehne mich weit aus dem Fenster und sage: Die offizielle Lehrmeinung und der Katechismus begünstigen Queerfeindlichkeit. Auch wenn wir hier in Deutschland so weit sind, dass wir über queere Rechte innerhalb der Kirche nachdenken, ist die Weltkirche nicht so weit. Ich fordere hier und heute die Bischöfe auf, sich nicht länger hinter dem Deckmantel der Weltkirche, der römischen Kirche zu verstecken, sondern sich aktiv und wirklich glaubhaft für queere Menschen, für homosexuelle Menschen, für Trans*Menschen, für Inter*Menschen, für nicht-binäre Menschen einzusetzen. Malte mit seiner Solidarität ist den Bischöfen, ist der Kirche ein größeres Vorbild als sie für ihn.“

 

1 Rückmeldung

  1. 📚 Miguel Rey sagt:

    Einige der Gefangenen in Justizvollzugsanstalten würden den mutmaßlichen Tatverdächtigen heimlich beipflichten. Im Knast herrscht eine absolute Homophobie und Stimmung gegen Transmenschen und gegen jegliche (sexuelle) Andersartigkeit. Als in der Kirche als Zeichen gegen den Krieg in der Ukraine eine Peace-Fahne mit Regenbogenfarben installiert wurde, protestierten einige jugendliche Gefangene und sagten, dass gehöre nicht in die Kirche.

    So manche Bedienstete äußern sich in Witzen auch mal gerne ähnlich wie mancher Gefangener. Hauptsache ist, man ist nicht selbst betroffen. Und wenn, dann wäre es ein Todesurteil, dies hinter den Mauern zuzugeben. Sexualität ist ein Thema im Gefängnis, das total abgeschnitten ist. Alles, was man nicht kennt, ist schwul. Im Jugendvollzug ist das besonders ausgeprägt. Da gibt es kein „dazwischen“. Andere kulturelle Wurzeln und erlernete Familientraditionen verstärken die angebliche Überzeugung.

    Das ist ähnlich widersprüchlich wie in der katholischen Kirche. Klar, hier wird der Gewalt gegen Menschen vehement entgegen getreten. Es herrscht eine tiefe Betroffenheit, wenn Trans*Menschen und Homosexuelle angegangen werden. Allerdings wird kaum vorgelebt, dass es in der Katholischen Kirche eine Willkommens-Kultur für Menschen mit „Andersartigkeit“ gibt, bzw. dass man das erst gar nicht betonen muss. Das falsch angehauchte Mitleid benötigen „diese“ Menschen nicht und sie sollen nicht einem kirchlichen Segen hinterher laufen müssen. Die lehramtliche Haltung der Katholischen Kirche gegenüber nicht heteronormativen Menschen begünstigt den Hass und das Unverständnis. Auf der anderen Seite gibt es in der Katholischen Kirche selbst versteckt queere MitarbeiterInnen.

    Nicht nur im Gefängnis wird immer wieder gesagt, dass (katholische) Pfarrer alle schwul sein müssen, „weil sie nicht heiraten dürfen.“ Prozentual mag das sein. Offen zu leben, ein Klima der weiten Buntheit zu fördern, wird in starren Systemen erstickt. Sicher wird es in den überwiegenden Männergefängnissen den einen oder anderen Inhaftierten geben, der die Nähe des anderen Mitgefangenen (vielleicht aus Not?) sucht. Aber zugeben will man das nicht. Wo will man denn auch andere Erfahrungen machen, wenn systemisch Sexualität versteckt werden muss? In diesem Umfeld von Kirche und Knast konkrete Menschen zu haben, die anders denken und handeln ist ein Segen. Ob sie dadurch das System verändern können?

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