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Fürsprecher für Häftlinge, aber auch für Bedienstete

3. Mai 2021

Paulus hatte Christen verfolgt. Kein Wunder, dass die Gemeinde skeptisch war, als er mitmachen wollte. Barnabas legte ein gutes Wort für ihn ein. So wie Gefängnisseelsorger Manfred Heitz in der rheinland-pfälzischen Justizvollzugsanstalt Frankenthal oft zum Fürsprecher der Häftlinge wird. Manche lernt er nur ein paar Tage kennen, dann werden sie schon entlassen; andere kennt er seit mehreren Jahren – und manche kommen immer wieder: Gefängnisseelsorger Manfred Heitz und seine evangelische Kollegin sind für sie alle da – auch für die Angehörigen der Gefangenen und für die Bediensteten in der Justizvollzugsanstalt Frankenthal.

Über 400 Haftplätze gibt es, dazu 250 Angestellte. Richtiges Kennenlernen ist da so eine Sache. Und überhaupt: „Ich schaue mir nicht vorher die Akte an, wenn ich in ein Gespräch gehe, ich lasse die Gefangenen erzählen, was sie erzählen wollen“, sagt Heitz. In der Seelsorge spielt weder das Urteil eine Rolle noch die Konfession. Es geht um den Menschen, der ein Anliegen hat. Da braucht es Bauchgefühl und eine gute Menschenkenntnis, wenn er für einen Gefangenen ein gutes Wort einlegen soll. Und doch macht er es immer wieder, wenn er den Eindruck hat, dem Gefangenen vertrauen und ihm weiterhelfen zu können, um wieder Fuß zu fassen nach Schuld, Urteil und Abbüßen der Strafe. „Ich mache das nicht bei jedem – und eine Garantie kann ich sowieso nicht geben“, sagt er. So verwundert es nicht, dass die Erfahrungen unterschiedlich sind.

Der Gefängnisseelsorger Michael Heitz bei der Aufzeichnung einer Ansprache. „Die meisten haben das Talent, ihr Leben zu meistern, trotz mancher Rückschläge“, ist der Gefängnisseelsorger – hier bei der Aufzeichnung einer Ansprache – überzeugt.

Die Chancen sind da

So wie bei Mirko (Name geändert), 21, ein junger Mann, der wegen verschiedener Drogendelikte im Gefängnis gelandet war. Als die Haftzeit zu Ende ging, versuchte der Gefängnisseelsorger, für Mirko einen Platz an einem Abendgymnasium zu besorgen, damit er das Abitur nachholen kann. „Ich habe den Schulleiter angerufen, den ich von früher kannte, und versucht zu vermitteln“, berichtet Heitz. „Dabei habe ich weder die Geschichte von Mirko verschwiegen noch sicher sein können, dass es gelingt.“

Trotz anfänglicher Bedenken des Rektors, einen ehemaligen Drogendealer an der Schule aufzunehmen, der zudem schon mal im Gefängnis war, hat er es gewagt. Und es ging auch eine ganze Weile gut. Dass Mirko dann nach einiger Zeit dennoch die Schule verlassen hat, hatte nichts mit seiner Drogendealerei zu tun. Er kam einfach nicht mehr regelmäßig zum Unterricht. Da hatte es keinen Sinn. „Das ist dann eben so“, sagt der Seelsorger, „aber die Chance war da.“ Und die gute Nachricht dabei: „Mirko ist jedenfalls auch nicht mehr im Gefängnis aufgetaucht.“

Zuversicht nicht nehmen lassen

Das läuft bei anderen auch schon mal anders. Manfred Heitz erinnert sich an einen Gefangenen, dessen Vater gestorben war. Der Gefangene hatte noch zwei Wochen Resthaftzeit abzusitzen. Auf die Fürsprache des Gefängnisseelsorgers durfte der Gefangene wenigstens für die Beerdigung begleitet die JVA verlassen. „Den Ausgang hat der Gefangene genutzt, um abzuhauen. Das ist natürlich selten dämlich so kurz vor der Haftentlassung“, berichtet Heitz. Schon wenig später war er wegen neuer Vergehen wieder in Haft. Ja, es gibt auch solche schlechte Erfahrungen und Enttäuschungen, wenn er sich für Gefangene einsetzt. Aber er will sich die Zuversicht nicht nehmen lassen, die alles andere als Naivität ist. Es geht nicht darum, was jemand nicht kann, nur die Defizite zu sehen, sondern auch, was jemand kann, die Ressourcen und Potenziale. Da braucht es Vertrauen: „Man lernt die Leute schon kennen und ich erfülle ja auch nicht jeden Wunsch.“

Es geht nicht darum, was jemand nicht kann, nur die Defizite zu sehen, sondern auch, was jemand kann, die Ressourcen und Potenziale.

Eigene gescheiterte Geschichte

Ihm helfe dabei auch sein positives Menschenbild und sein Glaube, sagt der Theologe: „Gott traut uns einiges zu, hat uns vieles an Talenten gegeben, und ich bin sicher, die meisten haben auch das Talent, ihr Leben zu meistern, trotz mancher Rückschläge“, sagt Heitz – und erzählt dann auch von seiner eigenen Geschichte: Als Schüler in der neunten Klasse ist er sitzengeblieben, hatte dann das Gymnasium verlassen und ist zur Realschule gewechselt. „Das war schon auch ein Scheitern für mich.“ Aber Menschen, die scheitern, wüssten dann auch, was sie wirklich wollen und wie das gelingen kann, „weil sie erfahren haben, wie es eben nicht geht“. Und er sei sicher, dass es für einen guten Seelsorger sowieso hilfreich sei, „den Schmerz des Scheiterns selbst erfahren zu haben und zu kennen“. Da könne man über eigene und die Grenzen anderer besser reflektieren. Jedenfalls habe er selbst mit Brüchen im Leben Erfahrung und das helfe ihm bei der Arbeit mit den Gefangenen.

Immer wieder kleine Erfolge

Auch für ihn hatten damals Fürsprecher ein gutes Wort eingelegt, ihm Zutrauen zu sich selbst neu vermittelt und ihm gesagt: Du schaffst das, ich vertraue dir! So konnte auch Manfred Heitz nach einer Ausbildung als Physiklaborant das Abitur nachholen, hat dann Theologie studiert und wurde sogar für ein Stipendium einer Studienförderung nominiert – mit einem empfehlenden Schreiben eines Professors. Das ist für ihn auch Motivation, immer wieder selbst zum Fürsprecher zu werden. Da gibt es dann auch die kleinen Erfolge, die ihn darin bestätigen: wie bei Matthias, Mitte 40, der schon zum zweiten Mal in Haft war wegen Betrugs. Dessen Ehe mit Isolde (beide Namen geändert) war dadurch in die Krise gekommen: „Kann ich meinem Mann noch vertrauen? Einem, der schon zweimal wegen Betrugs ins Gefängnis gehen musste?“, fragte die Ehefrau den Seelsorger.

Manfred Heitz hat die beiden begleitet, oft mit ihnen gesprochen und sie auch miteinander ins Gespräch gebracht zwischen Schuld, Betrug und neuem Vertrauen. „Da habe ich dann auch versucht, ein gutes Wort bei der Frau des Gefangenen einzulegen, weil ich den Eindruck hatte, dass das gut sein kann für die Beziehung.“ Und bei Isolde und Matthias scheint es gelungen zu sein. Das Vertrauen war nicht grundlos. Einige Zeit nach der Haftentlassung ist der „Knastprediger“, wie er sich selbst nennt, dem Paar mit ihren Kindern in der Stadt begegnet, einer jetzt wieder glücklichen Familie. Und als später die Mutter des ehemaligen Gefangenen gestorben war, „da hat er mich angerufen und mich gefragt, ob ich sie beerdigen kann. Das hab’ ich gerne gemacht.“ Vertrauen und Dankbarkeit.

Michael Kinnen | Bistumspresse

 

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