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Europarat kritisiert psychiatrische Versorgung in Haftanstalten

15. September 2022

Der Anti-Folter Ausschuss des Europarates hat die mangelnde psychiatrische Versorgung in einigen deutschen Justizvoll­zugs­anstalten kritisiert. Über die teilweise lange Einzelhaft von Häftlingen äußerte sich das Komitee zur Ver­hütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe des Europarats (CPT) in einem Bericht besorgt.

Wanne-Eickel, in der Kunstkirche St. Laurentius. Der Gefangene von Christian Rohlfs (1918). Auffällig: Die Gitterstäbe scheinen dort zu brechen, wo der Unfreie sie mit Stirn und mit Brust berührt. Ein Hoffnungszeichen.

In den zwei besuchten Justizvollzugsanstalten Bayreuth und Gelsenkirchen sei die psychiatrische Versorgung „besorgniserregend“ gewesen, heißt es in dem Bericht. Dort sei die Ausstattung mit Psychiatern „eindeutig un­zureichend“. Die Haftanstalten hätten zudem „große Schwierigkeiten, Häftlinge mit akuten psychischen Proble­men in ein angemessenes therapeutisches Umfeld zu verlegen“. Zudem bemängelte das CPT, dass in den Justizvollzugsanstalten Celle und Lübeck Häftlinge in Einzelhaft übli­cherweise rund 22 Stunden ohne Kontakt zu anderen Menschen in ihren Zellen verbrächten und ihnen nur äußerst begrenzter Kontakt zu anderen Menschen zugestanden werde.

Befragung Jugendlicher möglich?

Zu den bemängelten Zuständen zählte das CPT zudem die Fixierung von Menschen in Polizeigewahrsam in Brandenburg, Hamburg und Nordrhein-Westfalen. Das Komitee empfahl die Abschaffung dieser Maßnahme in Polizeieinrichtungen in ganz Deutschland. „Ernste Besorgnis“ äußerte das CPT auch darüber, dass in Deutschland die Befragung Jugendlicher ohne einen Rechtsbeistand oder eine Vertrauensperson weiterhin möglich sei. Deren Anwesenheit müsse verpflichtend sein, forderte das CPT. Zur Behandlung von Menschen im Gewahrsam durch die Polizei wurden dem CPT dem Bericht zufolge zwar einzelne Fälle von überzogener Gewalt, verbaler Übergriffe und Gewaltandrohungen gemeldet. Vorwürfe wegen absichtlicher körperlicher Misshandlung seien den Inspekteuren aber nicht übermittelt worden. Nach einem zweiwöchigen Besuch erkennt der Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe CPT des Europarates viele positive Aspekte der Behandlung von Gefangenen in Deutschland an.

Zwischenmenschliche Kontakte gefordert

Neben ihrer Arbeit im Gefängnis besuchte die Delegation auch zwei forensische Psychiatrien, nämlich die Asklepios Klinik Nord – Ochsenzoll (Hamburg) und die forensische Klinik Uchtspringe (Sachsen-Anhalt). Der Delegation wurden keine Beschwerden über Misshandlungen durch das Personal dieser Einrichtungen zugetragen, und Gewalt zwischen Patienten schien kein größeres Problem darzustellen. Die Personalausstattung des Gesundheitswesens schien im Großen und Ganzen angemessen zu sein, und die Delegation gewann einen allgemein positiven Eindruck von der Behandlung der Patienten. Dennoch formuliert der Ausschuss spezifische Empfehlungen zur Verbesserung der Erstellung individueller Behandlungspläne für Patienten und der Verfahren für die Durchführung der Anti-Androgenbehandlung  von Sexualstraftätern. Außerdem wird in dem Bericht kritisiert, dass die Absonderung in beiden Kliniken relativ häufig und manchmal über Wochen oder sogar Monate hinweg angewendet wurde. Es werden auch Empfehlungen ausgesprochen, um sicherzustellen, dass in beiden Kliniken Patienten, die abgesondert werden, sinnvolle, tägliche, zwischenmenschliche Kontakt erhalten und täglich Zugang zum Freien haben. Es sei denn, es bestehen eindeutige medizinische Einwände.

Quelle: CPT 

 

1 Rückmeldung

  1. Wortelkamp-M´Baye sagt:

    Kennen Sie den Beitrag von Silvia Stöberin auf tagesschau.de? Dieser passt sehr gut zu diesem Bericht des CPT:
    Einzelhaft soll eine Ausnahme in deutschen Gefängnissen sein. Doch viele Inhaftierte leben Monate oder Jahre in Isolation, im Gefängnis Berelin-Tegel in einem besonders düsteren Trakt. Anwälte fordern humanere Bedingungen. 23 Stunden am Tag in einer Zelle ohne Fernseher, Internet, Telefon. Nur ein Radio und die Möglichkeit zu lesen. Kein Kontakt zu anderen Häftlingen, kein Besuch. 75 Minuten Ausgang in einem Hof umgeben von Stacheldraht. So beschreibt Rechtsanwalt Robert Unger, wie sein Mandant zweieinhalb Jahre Untersuchungshaft verbracht habe: “Er ist letztlich vollständig isoliert.” Inzwischen wurde der Täter im “Tiergartenmord”-Prozess verurteilt und verbüßt eine lebenslange Haftstrafe… Mehr…

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