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Es ist nie zu spät, immer wieder neu anzufangen

21. Januar 2024

„Es ist nie zu spät, neu anzufangen“, hatte Barbara mir vor vielen Jahren gesagt. Damals konnte ich einige Zeit in ihrer Drogenberatungsstelle mitarbeiten und erlebte einige erstaunliche Neubeginne junger Leute. Warum soll, was ihnen gelingt, nicht auch mir gelingen? Tatsächlich begann damals für mich ein Prozess des sich neu Orientierens. Ich wusste nicht, wohin der Weg führen würde (und das weiß ich bis heute nicht), aber ich lernte mehr und mehr die Ansprüche loszulassen, eigene und die der anderen, wie ich zu sein hätte, damit ich in all die Erwartungen passe.

Du bist ein Segen

Mich offen und ehrlich zeigen zu können war befreiend, doch manchmal führte dieser Prozess auch in ziemliches Chaos. Dann habe ich mir gewünscht, endlich mal irgendwo anzukommen. Immer aber war da diese Stimme in mir, die sagte: bleib auf dem Weg! Im Evangelium des Sonntags finde ich dazu viel Ermutigung. Jesus aus Nazareth hatte sich ca. 30jährig aus dem väterlichen Handwerkerbetrieb losgesagt und war an den Jordan gegangen zu Johannes. Fasziniert von dessen Botschaft ließ er sich wie viele andere taufen. Dort, an dem Fluss, machte er eine tiefe innere Erfahrung, sie klang wie eine Stimme in ihm: du bist ein geliebter Mensch, an dir habe ich Gefallen gefunden. Für den entsprechend der damaligen Lebenserwartung nicht mehr ganz jungen jüdischen Mann, Sohn der Maria und des Josefs und Bruder einiger Geschwister, war klar, dass es jenseits geschlechtlicher, familiärer, beruflicher, nationaler oder religiöser Zugehörigkeiten ein Geliebtsein gibt in der unbedingten Zusage Gottes: ich liebe Dich, Mensch, du bist ein Segen!

Immer wieder neu aufbrechen

Was dann geschah, beschreibt das Markusevangelium kurz und prägnant: „Nachdem Johannes der Täufer ausgeliefert worden war, ging Jesus nach Galiläa; er verkündete das Evangelium Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ König Herodes ließ Johannes töten, Juden wurden durch die brutale Herrschaft der Römer unterdrückt, es gab viele Eiferer und Kämpfer, Spaltungen und Hetze gegeneinander. Die Zeit war erfüllt, aber nicht vom Reich Gottes, sondern durch Gier und Unterdrückung der Menschen. Nichts Neues unter der Sonne angesichts der Wirklichkeit in unserer Zeit. Doch für Jesus galt jene Zusage, die er am Jordan wahrgenommen hatte, absolut, und zwar nicht nur ihm selbst, sondern als bedingungslose Zusage Gottes allen Menschen. So kehrte er um, vom Ort der Begegnung mit Johannes am Jordan ging er zurück in seine Heimat nach Galiläa und rief die Menschen auf, ihre Gewohnheiten liegen zu lassen und neu aufzubrechen, um als Geliebte Gottes mit sich selbst und miteinander eine andere Art des Umgangs zu beginnen. Und es entstand eine heilsame Bewegung, die bis heute zu spüren ist – überall, wo Menschen sich neu aufmachen im Teilen und Versöhnen, in Barmherzigkeit und Gerechtigkeit, in Treue und Mitgefühl.

Ein Lichtspalt tut sich auf

Trotz des deutlichen Übergewichtes schlechter Nachrichten konnte sich in mir auf meinem Weg eine Zuversicht durchsetzen, die immer neu belebt wird in den Begegnungen. Wo immer wir beginnen, ehrlich und offen anzusehen, was ist und Verantwortung dafür übernehmen, tut sich mindestens ein Lichtspalt auf in blockierender Hilflosigkeit und lähmender Besorgnis. Es ist diese Zuversicht, die mir Stabilität verleiht auf dem Weg – und die mich, sobald ich irgendwo feststecke, neu aufbrechen lässt. Denn es ist nie zu spät, neu anzufangen.

Christoph Kunz | Mk 1, 14-20

 

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