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Lebensaufgabe: Korrespondenz mit Strafgefangenen

8. Dezember 2022

Als Henry und Monika Toedt vor vielen Jahren gesellschaftlich ganz unten angekommen waren, begaben sie sich auf die Suche nach Gott und nach einer sinnvollen christlichen Lebensaufgabe. Beides fanden die Toeds im fränkischen Hammelburg, im Norden Bayerns. Vor gut 10 Jahren begannen sie ihre Lebensaufgabe, nämlich die Korrespondenz mit Strafgefangenen weltweit.

Unser erster Brieffreund war Mathias: Nach 8 Briefen saßen wir ihm in einem winzigen Besucherraum in der JVA gegenüber, zusammen mit weiteren 3 Besuchern und weiteren 3 Gefangenen, getrennt durch eine halbhohe Plexiglasscheibe. Mathias war ein Mörder, der in einer Silvesternacht seine Frau erstochen und so seine 4 kleinen Kinder zu Waisen gemacht hatte. Er sah blass und müde aus, trotzdem konnten wir Freude in seinem Gesicht erkennen, Freude über unseren Besuch und über die Tafel Schokolade, die wir ihm kaufen durften. Nach 2x 45 Minuten war die Sprechzeit beendet, nicht jedoch der Eindruck, der sich schwer auf unser Gemüt noch mehrere Tage lang legte. Mathias wirkte sympathisch auf uns, er erzählte von seinen Kindern, die jetzt bei der Schwester seiner toten Frau lebten, und die jeden Brief von ihm ungelesen zurückschickte, was ihn sehr traurig stimmte. Er würde ihnen später bestimmt alles erklären können, wenn die Kinder größer Waren.

Warum engagieren für Verbrecher?

Das also soll ein Mörder sein? Wir konnten es nicht glauben, so sah doch kein Mörder aus! Doch wie sah denn jemand aus, der einen Menschen umgebracht hatte? Darauf hatten wir keine Antwort. Wir besuchten ihn noch etliche Male. „Ich bin unschuldig, man hat von mir am Tatort keinerlei Spuren gefunden. Der Prozess war eine Farce. Doch lhr seid wohl nur neugierig, wollt nur wissen, wie es jemandem geht, der in der Todeszelle sitzt und werdet mir dann nicht mehr schreiben wie all die anderen auch.“ So schrieb uns Shawna Forde aus dem Hochsicherheitsgefängnis in Arizona/USA vor 10 Jahren in ihrem allerersten Brief, bis heute sind wir miteinander befreundet. Seitdem die Presse über unsere Lebensaufgabe berichtet, werden wir von fremden Leuten hier im Viertel angesprochen. Die Meinungen reichen von: „Das finde ich toll, was Sie machen“ bis zu überwiegend: „Weshalb kümmern Sie sich denn nicht um Flüchtlinge… Warum engagieren Sie sich nicht in der Kirchenarbeit? Wieso müssen es ausgerechnet Verbrecher sein?“ Hinter unserem Rücken wird die „Antwort“ gleich mitgeliefert, „weil die selber wohl eingesessen haben.“

Kleingeist hat immer noch Konjunktur

Bei so vielen Menschen gibt es nur dieses Schwarz-Weiss-Denken, über den Tellerrand wird nicht hinausgeschaut, der Kleingeist hat noch immer Konjunktur. Diskussionen über dieses Thema führen wir schon längst nicht mehr, es ist verplemperte Zeit. Oberflächlichkeiten aller Orten, dass hinter jedem Täter ein Mensch steht, interessiert nicht, dass ein Mensch nicht als Straftäter geboren wird sondern in sehr vielen Fällen erst durch die Kinder- und Jugendzeit dazu „gemacht“ wird, auch das ist zu kompliziert, dann lesen wir doch lieber die „Bild“, im Boulevard steht die Wahrheit. „Meine Mom ist gestorben, ich bin so unendlich traurig. Wir waren gerade dabei, uns wieder anzunähern“ schreibt uns Lisa Jo, die seit gut 20 Jahren in der Todeszelle in Mississippi einsitzt, in lsolationshaft. Sie schreibt uns Liebesbriefe seit acht Jahren, eine Frau von 48 Jahren, die im Drogenrausch zwei Menschen ermordete und sich an nichts mehr danach erinnern konnte. Ja, wie auch, die meisten haben nach einem Alkoholbrand auch kein Erinnerungsvermögen mehr, wissen nicht mehr, welche Peinlichkeiten sie sich geleistet haben.

„Dass Sie sich um die Täter kümmern, ist ja wohl das Allerletzte, haben Sie denn gar keinen Anstand mehr?“ Das schrieb uns jemand in einem Kommentar, dann weiter: „Damit werden die Opfer verhöhnt, unglaublich“ kommentierte ein anderer in der Wochenzeitung „Die Zeit“.  Sachlichkeit geht anders, obwohl „Die Zeit“ nicht zu den Boulevardzeitungen gezählt werden kann sondern eher von Intellektuellen gelesen wird. Christliches Denken geht aber auch anders, ist Jesus nicht zu den Huren und Zöllnern gegangen sehr zum Unverständnis der Allgemeinheit? Nein, auch wir werden nicht davon ablassen, uns weiterhin für die Strafgefangenen weltweit einzusetzen im Rahmen unserer Möglichkeiten, weil es Christenpflicht ist, weil es zur Menschlichkeit gehört. Wir haben nicht zu richten sondern aufzurichten.

Diskriminierung findet weiter statt

Auch Carolyn sitzt seit 30 Jahren in der Todeszelle in Pennsylvania, wurde nach 24 Jahren zu lebenslänglich „begnadigt.“ Im Alter von 18 Jahren glaubte sie an die große Liebe, und folgte ihrem Freund, der aus Habgier sechs Menschen ermordete, auf der Flucht durch acht Bundesstaaten bevor das FBl zuschlug. Carolyn gehört als lndianerin zu den „coloured people“. „Wissen Sie eigentlich, dass die US-Gefängnisse von Negern übervölkert sind? So etwas kommt ja auch nicht von ungefähr, Deutschland ist auf dem besten amerikanischen Weg“ belehrt uns ein ganz schlauer Zeitgenosse dieser Republik. Nein, von ungefähr kommt nichts, schon gar nicht, wenn man als Farbiger immer noch in den USA diskriminiert wird, insbesondere in den Südstaaten. Wenn weiße Polizisten brutal auf unschuldige Farbige losgehen, sie misshandeln oder ermorden, der Rassenhass hat sich fast 60 Jahre nach der Ermordung des Bürgerrechtlers und Friedensnobelpreisträgers Martin Luther King nicht verändert.

Monika und Henry Toedt aus Hammelburg bei Würzburg.

Diskriminierung findet überall auf der Welt statt, auch in solch einem kleinen Ort wie Hammelburg. Wenn man über das Aussehen, über die Konfession schon nicht tratschen kann, dann geht es eben über die Lebensaufgabe. „Äh, wie bitte, Ihre Lebens… was?“ Ja, auch das passiert uns, nach dem Motto: „Lebensaufgabe, nein danke!“ Das alles hat dazu geführt, dass wir zurückgezogen leben, diese kleingeistige Welt der anderen ist für uns manchmal nur schwer zu ertragen. Christ sein bedeutet nicht, jeden Sonntag in die Kirche zu rennen, sondern das Evangelium der Nächstenliebe unseres Herrn Jesus weiterzugeben. Abt Barnabas von der weltbekannten Benediktinerabtei in Ettal, Oberbayern bescheinigt uns: „Ihr Verhalten beweist, dass Sie es mit dem Evangelium Jesu ernst meinen.“ Endlich jemand, der den Sinn des Lebens verstanden hat.

 

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