Als wir Kinder waren, kam am Samstag immer Bäcker Bruns zu uns nach Hause. Zwischen Mittagessen und Fußball-Bundesliga im Radio klingelte er an der Haustür und stellte seinen Weidenkorb auf den Fußboden. Meine Mutter kaufte meistens dasselbe: Einen Blatz ohne Rosinen, ein Pfund Schwarzbrot und vor allem eine Tüte mit diesen unvergleichlichen Brötchen: Glänzende Kruste, weil mit Wasser bestrichen; knusprig und unvergleichlich ofenwarm, weil der Ofen in der Backstube mit Holzscheiten geheizt wurde.
Kaum war Bäcker Bruns in die Nachbarschaft weiter gezogen setzte sich die Familie an den Tisch. Und es wiederholte sich für mich das Samstagsnachmittagsritual: Eine Scheibe Schwarzbrot mit Leberwurst bestrichen und in zwei Hälften geteilt. Eins der ofenwarmen Brötchen durchgeschnitten und je eine Hälfte auf die Schwarzbrotscheibe gesetzt. Und dann reingebissen. Es schmeckte jedes Mal, als purzelte ich die Sommerwiese hinter unserem Haus hinab. Daran habe ich denken müssen, als ich die Geschichte lese: Das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Der übermütige und heimelige Geschmack des Sommers. Geschmack von Heimat und Übermut.
Auseinandersetzung zum Bürgergeld
Aber wenn es das „Brot des Lebens“ gibt, von dem Jesus spricht – das „Brot, das vom Himmel gekommen ist“ – gibt es dann das „Brot des Todes“, das „Brot aus der Unterwelt“? Mir fällt die Henkersmahlzeit ein. Einmal noch sattessen, bevor der Henker das Leben eines Menschen dem Tod überschreibt. Welch eine zynische Quälerei. Ich denke an die aktuelle Auseinandersetzung um das Bürgergeld. Es bringe Menschen dazu, nicht zu arbeiten, obwohl sie arbeiten könnten, sagen PolitikerInnen. Und ebenso ein katholischer Bischof sekundiert. Dabei sagen Menschen, die sich mit der Materie auskennen, dass unter etwa vier Millionen Bürgergeldempfängern etwa 16.000 sogenannte Totalverweigerer sind. Die anderen stocken ihren kargen Lohn auf, befinden sich in Fortbildungen oder betreiben Sozial Care gegenüber Kindern oder hilfsbedürftigen Familienmitgliedern. Sind sie nicht selbst ein bisschen wie das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist? Sind solche Menschen nicht das, was Jesus über sich selbst sagt – ein Sakrament?
Göttlichkeit zum Anfassen
„So aber ist es mit dem Brot, das vom Himmel herabkommt: Wenn jemand davon isst, wird er nicht sterben“ lässt Johannes dem Jesus sagen. Was für ein schönes Bild: Es muss doch etwas geben, dass den Himmel mit der Welt in Verbindung hält. Nichts anderes ist ein Sakrament: Gottesverbindung zum Anfassen, Geschmack von Heimat und Unbekümmertheit, das Herunterrollen auf einer Sommerwiese, Aufgehoben- und Gehaltensein. „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben.“ Es muss doch etwas geben, was den Unterschied macht. Das Brot des Todes in das Brot des Lebens verwandelt.
Verwandle Unterwelt in Himmel
Den Sinn der Fronleichnamsprozession habe ich zum ersten Mal verstanden, als ich als junger Pastoralreferent in St. Theodor und St. Elisabeth gearbeitet habe. Wir zogen in einer langen Prozession mitten durch das bunte und arme Viertel. Hier die Blumenbeete, die ein Heer von Freiwilligen unermüdlich bepflanzte und begoss. Dort die Moschee, die immer zuerst einen Weihnachtsbaum vor die Tür gestellt bekamen. Dort stand der Bauwagen, in dem sich Bruder Jürgen mit muslimischen Jugendlichen traf. Wir trugen das Brot, das vom Himmel gekommen ist durch die Straßen, in die sich längst schon die Zuneigung Gottes ergossen hatte. Denn das Brot kommt dann vom Himmel, wird dann zum Brot des Lebens, wenn Du es aus Deinen Händen lässt. Verwandelt die Unterwelt in den Himmel.
Ein kleiner Bissen der Ewigkeit
Der Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten, Tim Walz ist in dieser Woche von seinen Gegnern als „linkes Monster“ bezeichnet worden. Unter anderem, weil er als Gouverneur in seinem Staat kostenloses Schulessen eingeführt hat. Ich finde, er hat ziemlich schlagfertig geantwortet: „Was für ein Monster bin ich!“ hat er gesagt. „Kinder können sich satt essen, ehe sie wieder lernen gehen!“ Da ist es doch wieder: Ein Stück Brot vom Himmel. So schmeckt er wohl, ein kleiner Bissen der Ewigkeit.
Peter Otten
1 Rückmeldung
Wenn „Murren“ beginnt, wird es schwieriger, eine Gesprächsebene zu finden. Zumindest ist ein Dialog gefährdet wenn nicht gar abgebrochen. Anlass für das Murren im Evangelium ist, dass Jesus von sich sagt, er sei vom Himmel gekommen. Das bringen die Menschen nicht zusammen: Irdische und himmlische Herkunft.
Kann man es ihnen vorwerfen?
Ist es nicht schwierig, beides zusammen zu bringen? Wie ist das bei uns Menschen: Legen wir einander nicht auch fest durch unsere Herkunft, durch familiäre Zusammenhänge, einen erlernten Beruf? Wo jemand gewohnt hat oder wohnt, woher jemand stammt, wer oder was einen Menschen geprägt hat und prägt,vdas und mehr spielt eine große Rolle. Ist da Raum für die Perspektive der Gotteskindschaft? Ist da Raum für die Annahme: Dieser Mensch ist von Gott? Diese Annahme verändert Begegnungen und Beziehungen. Jemand wird nicht auf seine Vergangenheit festgelegt. Der Wind des nicht verfügbaren weht.
Aber warum ist das so schwer, irdische und himmlische Herkunft, sichtbare und nachvollziehbare mit einer unsichtbaren und nicht nachvollziehbaren Herkunft zusammen zu bringen? Ich glaube, es hängt damit zusammen, weil wir Himmel und Erde voneinander getrennt denken, als gegensätzlich: Was von Gott kommt, kann nicht vom Menschen kommen, was vom Menschen kommt, kann nicht von Gott sein. Jesus versteht sich anders, und unsere Gebetsrufe verstehen ihn anders. Wenn wir uns auf sein Geburtsfest vorbereiten, begleiten uns gegensätzliche Bilder: Wir sprechen vom Tau aus der Höhe und von der sich auftuenden Erde, die den Heiland hervorbringt und Gerechtigkeit sprießen lässt.
Wie, wenn das für jeden Menschen gilt?
Die Rede von der Gotteskindschaft legt es nahe. Mit diesen Gedanken erschließt sich das Wort vom lebendigen Brot. Wer von Gott kommt, bringt eine Botschaft mit. Mit Blick auf die vielen unterschiedlichen Menschen, Gotteskinder, bekomme ich eine Ahnung für die Vielfalt, die in Gott selbst ist. Mein eingeschränktes Bild erfährt Weite, menschliches Miteinander verändert sich. Denn das Brot, das Jesus gibt und ist, ist nicht losgelöst zu denken von den Vielen, von den anderen. Jesus speist in der vorhergehenden Wundererzählung nicht einen Menschen sondern 5000. Es gibt nicht den Jesus für mich oder für ein bestimmtes Volk, für eine bestimmte Konfession oder Religion.
Dieser Vereinnahmung hat er sich nach der Speisung der Vielen entzogen, dieser Vereinnahmung entzieht er sich immer wieder. Eine Kirche, die lange Zeit glaubte und Menschen spüren ließ, dass nur sie Jesus vermitteln könnte, erlebt in unseren Tagen, dass Menschen die Botschaft Jesu auch außerhalb von ihr aufnehmen und leben können. Das lebendige Brot verträgt keine Einengung, keine Beschränkung, es darf nie zum Objekt in den Händen von Menschen werden. Nur so wird der Weg ins Leben, ins ewige Leben frei.