Der Bau der Justizvollzugsanstalt Burg in Sachsen-Anhalt erfolgte im Jahr 2007 auf dem Wege des Public Private Partnership. Die Übergabe der neuen JVA mit der Hausnummer Madel 100 fand im April 2009 statt. Sie wurde auf freier Fläche nahe der Autobahn A 2 Richtung Berlin gebaut. Einzig ein Baum wurde stehen gelassen. Noch heute ist diese Eiche innerhalb der Mauern integriert. Das Gefängnis wurde um den Baum herum errichtet. In jeder Jahreszeit zeigt sich die Eiche in einer anderen Pracht.
Der Gefängnisbau ist privat über die Kötter Services finanziert worden. Die Justiz Sachsen-Anhalt ist an diesem Standort in Miete. Die politische Wunschvorstellung, dass private Haftanstalten wirtschaftlicher seien als staatlich geführte, wurde von der externen Finanzkontrolle widerlegt. “Staat oder privat”: Unter diesem Schlagwort wurde eine heftige Diskussion über die Privatisierung von Justizvollzugsanstalten geführt. Ursächlich für die Entscheidung zur Privatisierung des Strafvollzugs in einigen Bundesländern waren vor allem fiskalische und betriebswirtschaftliche, zum Teil aber auch gesellschaftspolitische oder rein parteipolitische Gründe. Die staatliche Finanzkontrolle der Rechnungshöfe hat nicht für endgültige Klarheit, so doch zumindest für eine deutliche Problembenennung und wirtschaftliche Transparenz gesorgt. Die Wirtschaftlichkeit des Public-private-Partnership-Projekts (PPP) kann nicht nachgewiesen werden. Die Privatisierungsdiskussion war zunächst geprägt vom Beispiel von in privater Regie geführten Anstalten im europäischen und außereuropäischen Ausland, insbesondere im angelsächsischen Raum.
Ist Privatisierung besser?
Gegenstand der Prüfung der Rechnungshöfe waren weder vollzugspraktische noch vollzugsrechtliche oder vollzugspolitische Probleme, sondern Haushalts- und Wirtschaftlichkeitsfragen. Der (Teil-)Privatisierung von Justizvollzugsanstalten in Hessen war beispielsweise eine umfangreiche Diskussion vorausgegangen, die unter anderem zur Erstellung eines Gutachtens führte. Zu einer ähnlichen rechtlichen Bewertung war bereits die rot-grüne Vorgängerregierung gekommen. Eine Privatisierung des gesamten Strafvollzugs wird zutreffend als unzulässig bezeichnet, da der Kernbereich der Inneren Sicherheit des Staates tangiert ist. Dienst- und Serviceleistungen im weiteren Sinn können dagegen privat erbracht werden, sofern sie keine Eingriffsbefugnisse gegenüber Gefangenen notwendig machen. Aufgaben der Sicherheit und Ordnung, das heißt Bewachungsaufgaben, die auch die Erlaubnis zur Anwendung unmittelbaren Zwangs enthalten, obliegen hoheitlich und ausnahmslos dem Staate. Leistungen der Verpflegung und Versorgung (zum Beispiel Bekleidung, Küche, medizinische Betreuung) können auch von privaten Anbietern erbracht werden, was in Vollzugsanstalten ohnehin schon geschieht. Beispielsweise wird der Einkauf über den Kaufmann Massak in vielen JVA´en organisiert oder die Verleihung von Fernseh- und Rundfunkgeräten über einen niederländischen Unternehmer in den Anstalten Nordrhein-Westfalens organisiert.
Die Frage, ob Maßnahmen der Betreuung und Behandlung der Gefangenen problemlos privat organisiert werden können oder unter staatlicher Regie durchzuführen sind, wird unterschiedlich beantwortet. So verweist der Rechtswissenschaftler Alexander Böhm zutreffend nicht nur darauf, dass die Gefahr der Abhängigkeit von privaten Anbietern gesehen werden müsse. Es müsse auch bedacht werden, ob die Aussonderung aller “nicht hoheitlichen” Tätigkeiten aus den beamteten Dienstposten für die verbleibenden Beamten noch eine sinnvolle, befriedigende und emotional aushaltbare Arbeit erlaube. In der Tat scheint es weniger eine Frage der formalrechtlichen Zulässigkeit der Privatisierung von Behandlungs- und Betreuungsdiensten als eine Frage von inhaltlicher Gesamtverantwortung, vollzugspraktischer Sinnhaftigkeit und vollzugs- politischer Zielsetzung zu sein.
JVA Burg
Die JVA Burg in Sachsen-Anhalt, eine Anstalt mit 658 Haftplätzen für männliche Erwachsene des geschlossenen Vollzugs und der Sicherheitsverwahrung (SV), wurde 2009 als teilprivate Anstalt eröffnet. Vorausgegangen war im Jahr 2006 der Abschluss verschiedener Verträge zwischen dem Land Sachsen-Anhalt und dem privaten Betreiber bezüglich Errichtung und Betrieb. So sollten Reinigung, Entsorgung und Ausstattung, Verwaltungshilfsdienste, Verpflegungsleistungen, Gesundheitsfürsorge, Sozialfürsorge und Sicherheitshilfsdienste privat verantwortet werden. Die Gesamtkosten über eine Laufzeit von 25 Jahren sollten für das Land 512 Millionen Euro (davon rund 336 Millionen Euro für den Betrieb) betragen. Der Rechnungshof stellte unter anderem fest, dass entgegen den Haushaltsbestimmungen keine Erfolgskontrollen vorgenommen und erhebliche Kostenfaktoren verschleiert wurden. Der tatsächliche Personalbedarf betrug 68,5 Stellen mehr als im Wirtschaftlichkeitsnachweis angegeben. Zudem hatte das Land infolge der nicht vollständigen Auslastung erhebliche Beträge an den Vertragspartner zu zahlen. Die Annahmen des Wirtschaftlichkeitsnachweises spiegelten die tatsächliche Risikoverteilung zwischen dem Land und dem PPP-Partner nicht wider. Die künftige Haushaltsbelastung wurde nicht zutreffend dargestellt. Eine Konsequenz aus dem Bericht des Rechnungshofs war der Beschluss, die Privatisierung teilweise rückgängig zu machen und die Aufgaben unter anderem im Bereich Verpflegung, Reinigung und IT-Systembetreuung wieder selbst zu übernehmen.
JVA Offenburg
Die JVA Offenburg in Baden-Württemberg wird nicht mehr teilprivatisiert betrieben. Was die schwarz-gelbe Landesregierung 2005 als Modell für die Zukunft gesehen hatte, ist für die 2011 gewählte grün-rote Landesregierung ein Auslaufmodell geworden. Die schwarz-gelbe Landesregierung hatte im Juni 2005 entschieden, rund 40 Prozent der betrieblichen Aufgaben in der neu zu bauenden Justizvollzugsanstalt vom genannten privaten Dienstleistungsunternehmen erledigen zu lassen. Das Unternehmen sollte insbesondere Aufgaben in den Bereichen Arbeitsbetriebe, Verpflegung, medizinische Versorgung, Sozialdienst, psychologischer Dienst und Unterstützungsleistungen für Vollzugsbeamte übernehmen. Das Ministerium ging davon aus, “dass die zu vergebenen Leistungen durch einen privaten Betreiber um zehn bis 15 Prozent kostengünstiger erbracht werden können, als dies bei staatlichem Betrieb möglich ist”, wie es in der damaligen Stellungnahme hieß. Nur rund ein Drittel der Kötter-MitarbeiterInnen wurde bei der Rücknahme übernommen. Es ist auch kaum nachvollziehbar, warum private Betreiber, zudem mit Gewinnerzielungsabsicht, kostengünstiger wirtschaften sollten als der Staat. Dem Eichenbaum in der JVA Burg tangiert dies nicht. Er geht mit den Jahreszeiten. Einmal mit, einmal ohne Blätter. Die Zeit wird zeigen, was bestehen bleibt…