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Figur eines Verurteilten an der Paderborner Domkrippe

27. November 2020

Die GefängnisseelsorgerInnen bei den Justizvollzugsanstalten im Bereich des Erzbistums Paderborn haben eine Krippenfigur aus ihrem seelsorgerlichen Jahresetat gespendet. Das neue Gesicht findet seinen Platz an der Krippe des Paderborner Hohen Doms: Künftig wird die Figur eines Verurteilten und Inhaftierten, der Handschellen um seine Hände trägt, Seite an Seite mit den Hirten, heiligen drei Königen und den anderen Charakteren der Domkrippe vor dem Jesuskind stehen. Daniela Bröckl, Diözesanbeauftragte für Gefängnisseelsorge, und drei ihrer Kollegen brachten die Figur beim Aufbau der Krippe in den Dom.

Sie wird an der Paderborner Krippe stellvertretend für die Menschen stehen, die im Gefängnis leben – und sie soll deutlich machen: Auch Gefangene gehören zur Gesellschaft. „Wir wollen zeigen, dass Kirche auch an ungewohnten Lebensorten wie dem Gefängnis präsent ist“, sagte Daniela Bröckl.  Stellwände rund um die Krippe werden deshalb die Arbeit der Gefängnisseelsorge in den nächsten Wochen bei der diesjährigen Krippenaktion im Dom präsent machen. Die Krippenaktion im Paderborner Dom stellt seit 2017 besondere caritative Projekte und Bereiche in den  Vordergrund – in diesem Jahr die Gefängnisseelsorge im Erzbistum Paderborn. Das Leitwort „Denkt an die Gefangenen, als wäret ihr mitgefangen“ (Hebr 13,3) macht deutlich, worum es gehen soll: das Leben der Menschen im Gefängnis nachvollziehbar zu machen. „Wir möchten den Blick auf die Situation von Gefangenen lenken“, so Gefängnisseelsorgerin Daniela Bröckl. Die SeelsorgerInnen sind für die Inhaftierten in den Justizvollzugsanstalten, aber auch für deren Angehörige und die Mitarbeitenden der Einrichtungen da. Wenn Daniela Bröckl auf die neue Krippenfigur blickt, ist sie überzeugt: „Viele ‚unserer‘ Gefangenen in den Anstalten freuen sich darüber und empfinden es als Wertschätzung, auf diesem Wege an der Krippe im Paderborner Dom ‚gesehen‘ zu werden.“

Vergrößern der Bilder mit Doppelklick. Fotos: Maria Aßhauer, Michael King

Ein Eindruck vom Leben im Gefängnis

An Stellwänden rund um die Domkrippe werden in der Advents- und Weihnachtszeit Informationen die DombesucherInnen dazu einladen, sich ein Bild vom Leben im Gefängnis zu machen: Biografien von Inhaftierten lassen Lebensläufe und Lebensbrüche anschaulich werden. Eine Übersicht über die Justizvollzugsanstalten im Erzbistum gibt Einblicke in deren Arbeit, beispielsweise auch in die Unterschiede zwischen offenem und geschlossenem Vollzug. Wie der Alltag eines Inhaftierten aussieht, kann an der Krippe ebenfalls nachvollzogen werden. Durch den ganzen Advent hindurch werden Mitarbeitende der Gefängnisseelsorge im Erzbistum mittwochs und samstags für Gespräche zur Verfügung stehen. Nicht zuletzt beteiligt sich die Gärtnerei der JVA Bielefeld-Senne aus dem Hafthaus Ummeln, das von Gefängnisseelsorger Mirko Wiedeking betreut wird, an der Gestaltung der Krippenlandschaft. BesucherInnen des Paderborner Domes dürfen sich freuen: Die Krippe wird in diesem Jahr einen Meter weiter nach vorne vergrößert.

Blick auf Menschen lenken, die gefangen sind

Wie jedes Jahr werden bei der Aktion an der Paderborner Domkrippe Spenden gesammelt. Da Sachspenden jedoch aus Sicherheitsgründen nicht an Inhaftierte weitergegeben werden können, kommen sie einem anderen guten Zweck zu Gute: Sie gehen an die Paderborner Bahnhofsmission und an das neu eröffnete Gasthaus in Paderborn, in dem Bedürftige eine warme Mahlzeit erhalten. Spätestens ab Weihnachten, wenn die Krippe im Paderborner Dom mit allen Figuren aufgebaut ist, wird die neue Figur in Gestalt des Inhaftierten den Blick dauerhaft auf Menschen lenken, die im Gefängnis leben – und sie so ganz nah ins weihnachtliche Geschehen holen. Geplant ist, dass in den nächsten beiden Wochen auch noch die Figur eines Feuerwehrmannes und eines Pfadfinders das Domkrippen-Ensemble bereichern werden. Alle neuen Figuren fügen sich in das Konzept der Paderborner Domkrippe ein, in der immer wieder neue individuelle Charaktere der Kirche im Erzbistum Paderborn ein Gesicht geben.

Maria Aßhauer | Erzbistum Paderborn

Als Verurteilter mit Handschellen, allein und trotzdem nahe an der Krippe. Foto: King

 

Krippenfiguren im Paderborner Dom

An Weihnachten 1997 hatten zwei Stifter dem Hohen Dom eine neue Krippe geschenkt, denn die ursprüngliche Weihnachtskrippe war bei der fast völligen Zerstörung des Doms am Ende des Zweiten Weltkrieges vernichtet worden. Diese Stiftung bildet den Grundstock des heutigen Krippen-Ensembles, das besonders durch die lokalen Bezüge auffällt. Nicht nur Ochse, Esel, Hirten und Schafe, viele bekannte Persönlichkeiten der Stadt pilgern in der Krippe im Paderborner Dom zum Christuskind.

Unter den Figuren finden sich unter anderem der ehemalige Bürgermeister Willi Lüke und der verstorbene Erzbischof Johannes Joachim Kardinal Degenhardt. Und ein waschechter Fan des SC Paderborn 07: der Junge mit dem Fußball. Eine Ordensschwester hält schützend die Hand über ein Kind. Ein Jugendlicher mit angeblichem Migrationshintergrund zeigt in eine andere Richtung.

Gefertigt werden die Krippenfiguren von Künstlern der Holzbildhauerei Vielstädte in Herzebrock-Clarholz. Allein im westfälischen Rheda und Wiedenbrück wurden im 19. Jahrhundert bis ins frühe 20. Jahrhundert in über 30 Ateliers Altäre und andere Kirchenkunstwerke geschaffen. Sie wurden als Wiedenbrücker Schule bekannt. Ob die neue Figur des Gefangenen den im Jahr 1991/92 verurteilten Priester und Psychoanalytikers Eugen Drewermann zeigt? Ihm wurde aufgrund strittiger Fragen der Moraltheologie und tiefenpsychologischer Exegese die Lehrerlaubnis durch den damaligen Paderborner Erzbischof Degenhardt entzogen. 2015 trat er aus der Katholischen Kirche aus.

Auf dem Gebiet des Erzbistums Paderborn befinden sich 14 nordrhein-westfälische Justizvollzugsanstalten, zwei Jugendarrestanstalten (JAA) und die Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige (UfA) in Büren. Die 15 Außenstellen des Offenen Vollzuges der JVA Bielefeld-Senne kommen hinzu.

 

 

1 Rückmeldung

  1. A. Kolb sagt:

    Krippenfigur ist Drewermann.
    Als Kirchenbesucherin im Paderborner „Hohen Dom“ habe ich die neue Krippenfigur gesehen. Auf den ersten Blick kam mir sofort Eugen Drewermann in den Sinn. Das Gesicht ist perfekt diesem Theologen, Psychoanalytiker, Schriftsteller und ehemaligen Priester zugeschnitten. Im Jahr 2005 trat er aus der Kirche aus. Er ist ein wichtiger Vertreter der tiefenpsychologischen Exegese und als kirchenkritischer Publizist tätig. Eigentlich nicht schlecht, wenn diese Assozation kommt. Ist Drewermann doch in Paderborn vor 30 Jahren durch Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt die katholische Lehrbefugnis entzogen worden. Ob der Künstler ihn vor Augen hatte, als er „den Gefangenen“ schuf? Will er eine unterschwellige Botschaft mit den Handschellen und seine Präsenz an der Krippe im Paderborner Hohen Dom vermitteln? Passt doch! Drewermann war damals gefangen in den Kirchenstrukturen oder vielmehr die andere Seite der Kirchenvertreter.
    Dass die GefängnisseelsorgerInnen auf die Menschen hinter den Mauern aufmerksam machen und für sie da sind, macht die Kirche glaubwürdiger. Die Realität des Lebens an solch einem Brennpunkt verändert hoffentlich „Kirche“. So wie an der Krippe andere „schräge“ Figuren stehen, die einem einen neuen Blick zeigen.

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