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Diese Kirchenwelt mit ihren arg speziellen Themen…

15. Februar 2023

Als Priester aus Leidenschaft blickt Bernd Mönkebüscher nach über 30 Jahren wie die Emmausjünger nach dem Tod Jesu auf die Katholische Kirche: Missbrauch, Vertuschung, Ausgrenzung, Diskriminierung, Gesprächsverweigerung und bewusste Kirchenaustritte. Schonungslos deutlich und authentisch sieht er der Gebrochenheit der eigenen Kirche ins Angesicht. Schmeckt es nach mehr? Ganz sicher nicht angesichts dieser Bandbreite, mit der die Katholische Kirche im Sumpf steckt.

Der in der nordrhein-westfälischen Stadt Hamm tätige katholische Gemeindepfarrer und Buchautor Bernd Mönkebüscher wünscht sich Klarheit über das Zölibatsgebot für katholische Priester. Niemand könne sagen, ob die Lebensform der Ehelosigkeit lediglich Sex mit anderen Menschen ausschließe oder die Selbstbefriedigung, sagte Mönkebüscher. „Man hat in den Ausbildungen über dieses Thema nie gesprochen oder sehr unzureichend“, so Mönkebüscher. „Wenn ich eine bestimmte Lebensform für Priester als sinnvoll erachte und daran sogar den Beruf knüpfe, dann muss ich Hilfestellungen geben, dann muss ich Gesprächsforen schaffen, dann muss ich für Auseinandersetzungen sorgen.“ Mönkebüscher hatte 2019 das Buch „Unverschämt katholisch sein“ veröffentlicht und sich darin als queer Liebender geoutet.

Es schmeckt gar nicht nach mehr…

Ende Januar 2023 erschien von ihm das Buch mit dem Titel „Es schmeckt nach mehr. In der Kirche ist für alle Platz!“ Wirklich für alle? Na ja, angesichts dieser Bandbreite, mit der die Katholische Kirche im Sumpf steckt, sicher nicht. „Im großen Hochgebet klafft ein Loch. Ich kann nicht für Papst und Bischöfe beten. Es will mir nicht über die Lippen. Es geht nicht. Diese in die Masse ins Gebet genommene , die es „aus Versehen“ mit der Wahrheit nicht so ernst nehmen, die Priester von jetzt auf gleich suspendiert haben, wenn sie zu ihrer Partnerin, zu ihrem Partner stehen, zugleich aber Machtmissbrauch und sexualisierte Gewalt vertuscht haben – sie machen einfach weiter, hoffen, dass man ihnen keine Fehler nachweisen kann. Und wenn doch? Dann kaum Konsequenzen.“

Als ich die Worte im ersten Kapitel des Buches „Es schmeckt nach mehr“ von Bernd Mönkebüscher lese, dann möchte ich ihm zu rufen: Nein, es schmeckt gar nicht nach mehr, in all den bitteren Erkenntnissen, die in Salamitaktik-Manier immer klarer zu Tage treten. Wie kann man noch in diesem Laden arbeiten? Dies frage ich mich als Gefängnisseelsorger immer wieder, der ich in einer „geschützten“ staatlichen Einrichtung arbeite. Die Erfahrung in den JüngerInnen Jesu, die nach dem Tod ihres charismatischen Freundes hoffnungslos dastanden, sind mir nahe. „Wir aber hatten gehofft, dass…“ Dass sich die Katholische Kirche verändert? Nein, sicher nicht. Dazu gibt es viel zu viele konservative Kräfte, die sehr wohl stichhaltig argumentierend, die Zeichen der Zeit aufzuhalten wissen. „Man darf sich nicht jedem Zeitgeist unterwerfen“, so wird von schwarzem-weiß gekleideten Menschen der Kirche gesagt.“ Welchem Zeitgeist? Dass alle Menschen Platz finden in dieser Kirche? Homosexuelle, Straftäter, Transmenschen und Obdachlose?

Unperfektheit der Menschen

Sogar im Knast wird von jungen Inhaftierten aufgeführt: „Das gehört sich nicht in der Kirche. Warum zeigen Sie in dem Musikvideoclip die Frau mit einem Bauchnabel T-Shirt?“ Es war nur eine kleine Filmsequenz, die dies im Song „Hör auf Deine Stimme“ von Mark Forster zeigte. Hauptsache, man kann bei anderen etwas monieren, etwas anzeigen, was man selbst für angeblich unmoralisch hält. Mönkebüschers Buch ist genau das Gegenteil. Er denkt an die Kollegen, die nach der Veröffentlichung des Münchner Missbrauchsgutachten drei Wochen keine Eucharistie gefeiert haben, sondern anstelle dessen die Gutachten der Leidensgeschichten von Geschädigten hörten“, so der Hammer Pfarrer. Mönkebüscher weiß um die Unperfektheit der Menschen. Ein Satz seines Vaters beschäftigt ihn: Jeder geht auch nur aufs Klo“, sagte einst sein Vater zu ihm. Will heißen, das überall mit Wasser gekocht wird. Jeder ist nur ein Mensch, mit seinen Bedürfnissen. „Die elementaren Unterschiede sind nicht so groß, wie sie oft nach außen wirken und zelebriert werden. Irgendwie ist jede*r schwach, verwundbar“, so der Autor. Er muss es wissen, ist er doch seit über 30 Jahren zölibatär lebender Priester im Erzbistum Paderborn. „Das ist nicht in Ordnung, dagegen musst Du kämpfen. Ich bin nicht nur Priester. Ich bin schwul. Sicher nicht der einzige. Und jeder hat seine Geschichte“, erläutert Mönkebüscher.

Die Realität der Katholischen Kirche in ihrer Lehre sagt etwas anderes. Im Katechismus wird angeraten „solchen Menschen“ taktvoll zu begegnen. „Diese Lehre hat mein Leben geprägt, beeinflusst, eingetrübt. Diese Lehre hat zerstörerische Macht. Wer sie nicht ignoriert, kann gar nicht anders, als sich selbst abzulehnen und zu hassen. Eine Wunde, die nicht heilt; die immer wieder aufbricht“, schildert der Hammer Pfarrer. Diese Wunden fügen Verletzungen zu, bis heute. Da kann ein Arbeitskreis „queersensible Pastoral“ nichts mehr ändern, wenn es nicht an deren Aufarbeitung geht. Die Wunden werden zu wenig angeschaut. „Lange genug sollten sie völlig verdeckt und unsichtbar bleiben“, schildert Mönkebüscher. Besonders derer, die durch den sexuellen Missbrauch geschädigt sind.

Kirche hat sich von Menschen entfernt

Aber was schmeckt denn nach mehr? Die Menschen interessiert es nicht (mehr). „Diese Kirchenwelt mit ihren arg speziellen Themen (die so intensiv ins Schlafzimmer hineinreichen wollen), versteht man nicht. Nicht die Menschen haben sich von Kirche entfernt. Kirche hat sich von den Menschen entfernt, indem sie stehengeblieben ist. Entwicklungen nicht zulässt, im heute anzukommen“, schreibt der Hammer Autor in seinem Buch. Kirche hat sich im Laufe der Jahrhunderte immer wieder verändert. Am Ende des Buches dann doch noch ein Hoffnungsschimmer? „Es könnte nach mehr schmecken“, so resümiert Mönkebüscher.

Das Nachwort bringt es auf den Punkt. Die Gegenwartsform des Konjunktiv 2 zeigt deutlich, es ist noch ein langer Weg im Ringen um eine authentische Kirche. „Ich ringe zwischen Marienwald und Taufbecken, Menschen und Hoffnungen. Unglauben und Glauben. Es gibt nur den eigenen Weg, den persönlichen. Ihn zu gehen fällt schwer. Ihn anzunehmen auch. […] Wir bleiben nicht stehen…“, meint Bernd Mönkebüscher hoffnungsvoll. Ich kann nur hinzufügen: Ein „Wir“ gibt es in der Katholischen Kirche schon lange nicht mehr. Vielleicht ist es besser den Geschmack nach mehr nicht innerhalb dieser oft engdenkenden Kirche zu suchen. „In der Kirche ist für Alle Platz!“ Das klingt so, als wenn „die Kirche“ (Kleriker, Bischöfe und deren MitarbeiterInnen) einladen, sich aber selbst nicht kritisch in ihrer Lehre, ihrer Liturgie hinterfragen und durch die Wirklichkeit verändern lassen. „Sie zelebrieren ihre Rituale und verkörpern Ideale, die lebensfern sind“, so könnte man es treffend ausdrücken. Das Buch gibt genau diese Sichtweise wieder. Das ist gut so.

Michael King

 

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