Jetzt hat es der “Synodale Weg” der deutschen Katholischen Kirche in die tagesschau geschafft. Die Inhalte ernten nur Kopfschütteln. Was machen die da schon wieder? War doch klar, dass die Mehrzahl der amtierenden Bischöfe eine andere Sexualmoral ablehnen. Enttäuschte Gesichter und tiefe Betroffenheit. Das ist das Bild, was die Katholische Kirche prägt. Ändern wird das nichts.
Der Grundlagentext „‚Leben in gelingenden Beziehungen – Grundlinien einer erneuerten Sexualethik“ wurde abgelehnt. Die zur Zustimmung notwendige 2/3 Mehrheit unter den Bischöfen wurde verfehlt. Die Mehrzahl der ZuschauerInnen der tagesschau interessiert diesen Inhalt des “Synodalen Weges” nicht. Kircheninterne Menschen und “Synodale” sagen, man muss mehr reden, alles genauer ansehen und abwägen. Das kommt einem Hinhalten gleich. Zumal es nicht klar ist, wie die Zentrale, der Papst, die Weltkirche, darüber entscheidet. Es ist eine oberflächliche Abhandlung mit denselben Riten und Ritualen von Jahrhunderten. Neue Tapeten auf alte Mauern. Es ist doch abzusehen, dass die konservativen Kräfte, die sich so liberal und loyal zeigen, Änderungen verhindern. Die Katholische Kirche behandelt Themen, die andernorts längst “durch” sind. Es ist selbstverständlich, dass queere Menschen im Alltag, zumindest im Arbeitsrecht, nicht um ihre berufliche Tätigkeit bangen müssen. Es ist längt selbstverständlich, dass Frauen in höheren Ämtern gleichberechtigt sind.
Katholische Kirche ist anders
Nur die Katholische Kirche ist anders. Zynisch könnte man sie als eine geschlossene Gemeinschaft bezeichnen, die sich den Zeichen der Zeit verweigert. Sie ist abhängig vom Vatikan und die Bischöfe wachen über die “wahre” Lehre. Zugegeben, der Vergleich hingt ein wenig. Die katholischen ChristInnen können ihre Meinung sagen. Es gibt Bischöfe und Verantwortliche innerhalb der Katholischen Kirche, die sich für eine Veränderung einsetzen. Katholisch ist eine riesige Bandbreite von Überzeugungen, Spiritualität und theologischen Richtungen. Doch klare Positionen und Klarstellungen für eine Erneuerung lassen auf sich warten. Sind die Gemeinden abhängig von der Zustimmung oder Ablehnung von “Würdenträgern”?
Lässt sich die DNA ver-ändern?
Das Letztere sei die DNA der Katholischen Kirche. Es ist keine Demokratie. Eine Hierarchie von oben nach unten. Mit barmherzigen Kleidern eingehüllt. Die DNA kann man nicht verändern. Genau das ist der Kritikpunkt: Kirche soll sich nicht dem menschlichen Zeitgeist anpassen. Welch eine Anmaßung. Der sexuelle Missbrauch in den eigenen Reihen zeigt die Realität. Tiefe Betroffenheit ist eine Reaktion. Die andere ist die Distanz. Konsequenzen ziehen all die Menschen, die sich still verabschieden. Aus der Kirche austreten ist eine Lösung. Kirche betreut anders fühlende Menschen seelsorgerlich, aber theologisch sind sie nicht auf Augenhöhe. Immerhin hat es die Meldung über die Ablehnung einer Neuausrichtung der Sexualmoral in die tagesschau geschafft. Doch niemand scheint sich sonderlich dafür zu interessieren…
Michael King
2 Rückmeldungen
„Eine starke Nation setzt eine starke Familie voraus“ sagt der türkische Präsident Erdoğan und kündigt weitere Schritte gegen queere Menschen an. Es ist das immer gleiche Muster politisch-religiöser Ideologie: natürlicherweise bist du entweder ein Mann (und bestimmst), oder eine Frau (und gehorchst dem Mann die Kinder gebärend) – ob in islamistischen Herrschaften, in ultraorthodox geführten Patriarchaten, in fundamentalistischen Kirchen oder einigen Sekten ähnlichen Jugendbewegungen mit ihren schlichten schwarz-weiß Ansichten.
Alle verlangen sie Gehorsam ihren Thesen gegenüber, um die Welt “rein” zu halten und sie so zu retten. Und alle sagen, dass ihr Tun der Wille Gottes sei. Auch die treibende Kraft dahinter ist immer dieselbe: Angst. Angst vor Vielfalt, Angst vor Machtverlust, Angst vor Kontrollverlust. Bei so manchem heimlich schwulen Ideologen auch die Angst, die eigene Homosexualität zuzulassen. Mit einem aber hat ihr Treiben nichts zu tun: mit Religion.
Der Aufbruch in der katholischen Kirche mit den synodalen Prozessen weltweit und darin dem Bemühen um Respekt und Anerkennung der Vielfalt menschlicher Lebensgestaltung, wie sie queer gelebt wird, ist biblisch begründet und kann eine echte Kraft entfalten, über kirchliche Kreise hinaus Frieden stiftend zu wirken. Denn die LGBTQ-Feindlichkeit half entscheidend mit, Putins verbrecherischen Angriffskrieg zu entfachen, das dürfen wir nicht vergessen!
Bei der Gedenkstunde in Münster für den nach der Gewalttat verstorbenen Malte viel das Wort von der „heteronormativen Dominanzgesellschaft“. Sie hat gesiegt beim Synodalen Weg in der Abstimmung des Grundsatzpapiers des Forum 4. Und zwar genauso: eine ablehnende Minderheit dominiert die Mehrheit und schreibt an der Diskriminierungsgeschichte weiter.
Diese Diskriminierungsgeschichte, diese religiöse Haltung dahinter hat mich meinen eigenen Eltern entfremdet. Ich konnte nie mit ihnen darüber reden. Und ich weiß um Kollegen, denen es ähnlich geht, auch wenn deren Eltern heute noch leben. Die kirchliche Lehre hat einen Keil getrieben, sie hat auseinander gerissen. Sie hat Wunden geschlagen. Sie zerstört weiter.
Und unsere deutsche Kirche feiert sich auf dem Synodalen Weg, wenn sie es schafft, einen Text zu verabschieden, der den Papst bittet, die Lehre zur Homosexualität zu verändern (und das Nein zur Frauenweihe doch noch mal zur Diskussion zu stellen). Das heilt keine Wunden, das demütigende Herangehen reißt neue Wunden.
Einmal mehr fühle ich mich fremd in dieser Kirche auch heute; einmal mehr denke ich, dass mich die berufliche Abhängigkeit bindet. Einmal mehr schäme ich mich für diese Kirche und für mich..