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Als Engel der Klarheit stellt sich der Erzengel Michael dar

5. Februar 2021

„Engel gibt es keine im Gefängnis“, sagt man. Doch wer ist denn schon ein Engel? „Hinter Schloss und Riegel sitzen Bengel“, so drückt es mancher spontan aus, wenn die Stichworte Gefängnis und Engel fallen. Doch Letztere diese gibt es ebenso auf der anderen Seite der Mauer. Eine schwarz-weiß Einteilung in Gut und Böse kann nie eine Gesamtwirklichkeit abbilden. Ein Gefangener, der Schuld auf sich geladen hat, kann genauso zum Engel für jemanden werden. Engel sind Thema in den Gottesdiensten im Jugendvollzug. Jeden Sonntag ein anderer Engel, eine andere Darstellung und ein anderes Wort. Diesen Sonntag: Der Engel der Klarheit.

Die Ideen dazu bekommen die zwei Gefängnisseelsorger aus dem Buch von Anselm Grün mit dem Titel „50 Engel für das Jahr“. Ein ganzer Engelschor in Miniatur haben sie aufgebaut. Sie stehen für die Gemeinschaft. Daneben gibt es ein Engel mit großen weißen Flügeln einer Holzstaute, der für die Freiheit steht. Ein Barockengel des Risikos schwebt über dem ganzen Geschehen. Barmherzigkeit und Zuversicht gesellen sich mit dem peruanischen und Talisman-Engel dazu. Nun zeigt sich der Engel der Klarheit. Eine südrussische Ikone mit dem Erzengel Michael steht dafür. Der Erzengel Michael, der kämpft  Der Überlieferung nach war es der Erzengel Michael, der Adam und Eva mit dem Schwert aus dem Paradies trieb und den Garten Eden bewachte. Namentlich wird Michael im apokalyptischen Buch Daniel (10,13; 12,1), im Buch Judit (9) sowie in der Offenbarung (12,7f.) genannt. Dort heißt es: „Da entbrannte im Himmel ein Kampf; Michael und seine Engel erhoben sich, um mit dem Drachen zu kämpfen.“ Der Drache kann als Symbol der gottfeindlichen Mächte gelten. Michael als der Erzengel, der gegen alle Kräfte kämpft, die Gottes Rang anfechten wollen.


Durchkämpfen im Leben

Gekämpft haben einige der inhaftierten Jugendlichen: Mit schwierigen Eltern, mit der Justiz und mit sich selbst. Sie haben gelernt, sich durchzusetzen, sich mit unlauteren Mitteln durchzuschlagen. Oft sind sie selbst „unter die Räder gekommen“, haben trotz Anstrengung den Kampf verloren. Wie soll man da noch klar kommen im Leben? Was ist richtig und was falsch? Der Erzengel Michael wird mit einem Schwert dargestellt. Mit diese Waffe kann man jemanden verletzen. Aber mit einem Schwert muss ich umgehen können. In der Schwertarbeit z.B. übt man grundlegende Alltagskompetenzen ein: Klarheit, Entschiedenheit, Standfestigkeit, Sammlung, Gelassenheit … Wer das Schwert in die Hand nimmt, übernimmt Verantwortung für sein Handeln. Wer es führt, macht es zu dem, was es ist. Das Schwert durchtrennt alle Illusionen und Identifikationen und verweist auf das Wesentliche.

Im Kapitel des Buches von Amseln Grün steht beim Engel der Klarheit: „Manche Menschen können in einer Diskussion ganz klar formulieren, worum es eigentlich geht. Sie hören sich die Argumente an. Sie spüren die Emotionen, die im Gespräch mitspielen. Und sie geben in aller Klarheit an, was das eigentliche Probleme ist und wo eine Lösung liegen könnte. Oder in einem persönlichen Gespräch sagen sie Dir ganz klar, was Du bisher übersehen hast, was Deine wirklichen Blockaden sind und was Du ändern müsstest, damit es besser wird mit Dir. Sie haben das nicht gelernt. Sie sind nicht unbedingt Psychologen. Aber sie haben einen klaren Blick für das Eigentliche. Sie sagen nicht viel. Aber wenn sie etwas sagen, trifft es den Nagel auf den Kopf. Sie klären etwas auf, was in Dir noch trübe war und undurchsichtig. Sie sind für Dich ein Engel der Klarheit.“

Ein Schwert, das klar trennt

Sich klar werden, wer ich bin und welche Richtung ich in Zukunft gehen möchte, dies steht im Jugendvollzug besonders im Mittelpunkt. Erkenne ich klar, wie es um mich steht? Habe ich nach schmerzhaftem Erleben verstanden, in welche Mustern ich mich verstricke? Manchmal kommt wie aus einem heiterem Himmel ein Lichtblick, der die Sicht auf sich selbst klarer macht. Es gab so viele Möglichkeiten. Verliere ich mich in subkulturellen Tätigkeiten des Tabak- oder Drogenhandels?  ganz deutlich den Engel gespürt, der in Deinem zwiespältigen Herzen Klarheit geschaffen hat. Oder Du bist in eine Situation verwickelt worden, die völlig undurchsichtig war. Du hast nicht durchgeblickt, was da eigentlich gespielt wird. Und auf einmal hat sich Dir alles aufgeklärt. Das war dann für Dich eine Engelerfahrung. Ab und an spüren Jugendliche, dass sie eine Entscheidung getroffen haben, die sie weiter und aus dem Sumpf herausführt. Da braucht es ein Schwert, das klar trennt. Das kann ein Satz eines anderen Gefangenen sein, der sagt: „Nun ist es aber genug.“

„Der Engel der Klarheit möchte Dir helfen, Dich selbst klar zu erkennen, Dir selbst auf den Grund zu sehen. Wenn Du darin Übung hast, dann kannst Du auch ein Engel der Klarheit für andere werden. Dann kannst Du in einem Gespräch auch auf einmal klar sehen, was der andere eigentlich bräuchte, was ihm gut täte. Du kannst Klarheit in seine wirren Gedanken bringen. Da brauchst Du schon den Engel der Klarheit, der Dich darin einführt. Du kannst darum bitten, dass Dir der Engel der Klarheit zu Hilfe kommt“, so die Worte von Anselm Grün. Die Engel der Klarheit sind die Menschen, die mir ein Gegenüber sind, die mir in Zugewandtheit eine Wahrheit sagen können, die ich nicht hören will. Ein Jugendlicher Gefangener drückt es mit seinen Worten aus: „In meinem Leben wurden mir viele Türen zugeschlagen. Gott hat mir eine andere Tür aufgemacht. Das waren meine Freundin, der Gefängnisseelsorger und meine Oma. Aber es war ich, der dies erst nicht sehen wollte…“

King Michael | JVA Herford

 

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