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Ausnahmezustand – Strafgerichte im Dauerstress

29. April 2020

Die deutsche Justizgerichtsbarkeit ist im Dauerstress. Immer mehr Arbeit, immer höherer Druck und keine entsprechende Entlohnung. Richter und Staatsanwälte klagen über zu viel Arbeit. Mancherorts mussten schon mutmaßliche Straftäter auf freien Fuß gesetzt werden – wegen personeller Engpässe. An den Gerichten fehlt der Nachwuchs. An vielen Gerichten arbeitet man schon lange an der Belastungsgrenze. Nun verschärft die Coronapandemie die Lage erheblich. Die Gerichte arbeiten im Notbetrieb.

Allein am Kriminalgericht in Berlin-Moabit gab es bis zu 300 Verhandlungen pro Tag. Es gilt als das größte Strafgericht Europas. Von kleinen Ordnungswidrigkeiten bis Mord reicht die Bandbreite. Der Tag von Gerichtssprecherin Lisa Jani hat oft zu wenige Stunden für die vielen Verfahren, die sie betreuen muss. Und die Wege in dem 16 000 Quadratmeter großen Gerichtsgebäude sind lang. In den 90 Gerichtssälen werden neben den ganz normalen Verfahren häufig auch Fälle verhandelt, die ganz Deutschland interessieren. Als letztes der dreiste und spektakuläre Raub einer 100 Kilogramm schweren Goldmünze aus dem Berliner Bode-Museum. Da muss Pressesprecherin Lisa Jani die vielen Journalisten und Kamerateams schon mal laut und eindringlich um Disziplin bitten.

Strafverteidigerin Pamela Pabst vor Prozessbeginn im Gerichtsaal. Foto: ZDF Anja Widell

Jugendrichterin Iris Berger hat eigentlich immer Zeitdruck. Ihr sitzen verschiedene Fristen im Nacken, und viele der Angeklagten warten im Gefängnis darauf, dass ihre Verhandlungen endlich starten. Die Richterin ist für die schweren Fälle zuständig: zum Beispiel für junge Menschen, die eines Tötungsdeliktes angeklagt sind, und auch für Missbrauchsfälle. Trotz aller Routine beschäftigen sie die Geschichten der Täter und Opfer manchmal auch nach Feierabend.

Strafverteidigerin Pamela Pabst kennt am Gericht fast jeder. Sie ist die erste von Geburt an blinde Strafverteidigerin Deutschlands und hat schon als Kind davon geträumt, eines Tages in dem imposanten Gericht an der Turmstraße zu arbeiten. Heute verteidigt sie diejenigen, die beispielsweise wegen Brandstiftung oder Vergewaltigung auf der Anklagebank landen. Dass die Gerichte teilweise am Limit arbeiten, spielt ihren Mandanten oft in die Hände. Denn wenn viele Jahre bis zu einer Verhandlung vergehen, können sich Zeugen manchmal kaum noch an die Fälle erinnern. Und jetzt kommt diese “Justizmaschine unter Volldampf” fast zum Stillstand. Mitte März 2020 wird auch sie von der Corona-Krise getroffen. Die ZDF.reportage “Justiz im Ausnahmezustand – Strafgerichte im Dauerstress.”

 

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