Zum Aktionstag “Gefängnis” im November sind Texte von Strafgefangenen aus den Justizvollzugsanstalten Lübeck und Neumünster zum Thema “Wohnungslosigkeit und Haft” entstanden. Die Autoren wurden in Schreibwerkstätten durch den Journalisten Peter Brandhorst angeleitet. Er ist Chefredakteur des sozialen Straßenmagazins “Hempels” in Kiel.
Keine Chance auf eine Wohnung
Die Resozialisierung von Gefangenen fängt mit einem Zuhause an. Wenn man ein eigenes Heim hat, lernt man, Verantwortung zu übernehmen. Ein Freund von mir, den ich in der JVA kennengelernt habe, hat mir seine Geschichte erzählt. Er erzählte mir, dass er jetzt schon das dritte Mal hier ist. Und warum es immer wieder dazu kommt. Schon bei seinem ersten Mal lag es an seiner Wohnungslosigkeit. Da er schon sehr früh von seiner Familie vor die Tür gestellt worden war, kam er damals mit Drogen in Kontakt. Es hat dann nicht lange gedauert, bis er kriminell wurde und Straftaten begangen hat.
In der Haft hatte er damals sehr viele Gespräche mit der Abteilungsleitung, bei denen es um eine Therapie ging, was wichtig war. Er hat während der Haftzeit in einer therapeutischen Einrichtung eine Therapie gemacht und wurde dann drogenfrei auf die Straße gesetzt. Draußen hatte er aber keine Wohnung und ist wieder rückfällig geworden. Auch während der zweiten Haftzeit konnte er eine Therapie machen. Nach der Entlassung hatte er aber immer noch keine Wohnung und wurde wieder rückfällig. Jetzt ist er zum dritten Mal in Haft und macht zum dritten Mal eine Therapie. Er ist also jedes Mal drogenfrei entlassen worden, aber jedes Mal rückfällig und wieder straffällig geworden, weil er keine Wohnung hatte. Denn die Ursache, warum es immer wieder zu Straftaten kam (die Wohnungslosigkeit), wurde nie besprochen.
Das Problem ist einfach, am Ende der Haft vor die Tür gesetzt zu werden, ohne eine Wohnung zu haben. Denn die Grundlage für ein straffreies Leben fängt mit einem eigenen Heim an. Was soll man tun, wenn man keine Arbeit bekommt, weil man keine Wohnung hat? Für die meisten in unserer Gesellschaft ist es wichtig, wo man wie wohnt. Ein Vorschlag: Es müsste in einer JVA eine eigene, separate Abteilung geben, die sich um Gefangene kümmert, die keine Wohnung haben. Die sich während der Haftzeit darum kümmert, dass man nach der Haft ein Zuhause hat. Und die Betroffene auch noch eine Zeit lang danach begleitet, um in der eigenen Wohnung zu lernen, Verantwortung zu tragen. Ich persönlich denke, dass man so mehr Erfolg hat, dass Gefangene nach der Haft drogenfrei leben und straffrei bleiben.
M. | JVA Lübeck
Sorgen bei der Resozialisierung nach der Haft
Die Hoffnung stirbt zuletzt, sagt man umgangssprachlich. Nämlich die Hoffnung, dass man nach der Haft draußen eine kleine Wohnung findet. Ich werde bald entlassen, welche Möglichkeiten habe ich, um eine Unterkunft zu finden? Ohne eine eigene Wohnung findet man keine guten Sozialkontakte und keine Arbeit. Man fühlt sich am Rand der Gesellschaft. Oft werden Häftlinge in die freie Wildbahn der Straße entlassen. Die Probleme fangen schon damit an, dass man eine Meldeadresse haben muss, um bei der Bank ein Konto zu bekommen. Wenn ich entlassen werde, habe ich zunächst nur mein Entlassungsgeld, aber kein Konto. Es müsste Sozialarbeiter geben, die entlassene Gefangene an die Hand nehmen, damit sie nicht abstürzen. Viele geben das Entlassungsgeld gleich aus oder sie werden beklaut. Kriminalität, Sucht, körperliche und geistige Verwahrlosung sind oft die Folge.
Der Antritt einer Therapie mit anschließender Adaption (Nachbehandlung) für Menschen mit Suchtproblematik wie mich macht vieles leichter. Die Adaption dient auch der Wohnungssuche und der Rückführung ins Berufsleben. Der Staat sollte Gefangenen nach einer Haft für etwa ein halbes Jahr eine kleine Wohnung zur Verfügung stellen, auf Probe und mit ambulanter Betreuung. Um sicherzustellen, dass man sich wieder sozial eingliedern kann in die Gesellschaft. Denn sonst laufen viele Leute ins offene Messer. Jeder Mensch hat das Recht auf ein Obdach und den Schutz seiner Privatsphäre.
Notunterkünfte sind voll mit suchtkranken Menschen, es ist dort meist Doppelbelegung, für Privates gibt es keinen Platz. Und oft kommen dort Diebstahl und Einbruch vor. Das ist also mein Wunsch an die Politik: Schafft genügend kleine Sozialwohnungen auch für entlassene Gefangene. Damit nicht Frust und Wut entstehen, wenn man keine Wohnung findet. Es sollten Wohnungen sein, die man mit Würde bewohnen kann, um am weiteren Leben sinnvoll teilnehmen zu können. Denn jeder Bürger hat ein Recht darauf!
M. | JVA Neumünster
Resozialisierung
Das Stigma einer Gefängnisstrafe bleibt oft ein Leben lang und erschwert eine Wiederaufnahme in die Gesellschaft als gleichwertiges Mitglied. Das führt zu Demütigung und einer Oppositionshaltung zu Staat und Gesellschaft. Natürlich – vorbestrafte Menschen sind nicht die gesellschaftliche Elite. Aber trotzdem müssen sie akzeptiert werden und müssen sie eine weitere Chance bekommen, um sich in die Gesellschaft wieder integrieren zu können. Egal wie engagiert die Justiz bei der Resozialisierung ist. Solange die Gesellschaft nicht lernt, vorbestraften Menschen eine neue Chance zu geben, solange ist jeder Versuch umsonst. Zum Beispiel an der Stelle, wenn ein Gefangener in der Anstalt eine Ausbildung absolviert, nach seiner Entlassung aber trotz dutzende Bewerbungen keine Stelle bekommt. Was soll er dann machen? Vermietern und Arbeitgebern muss klargemacht werden, dass Menschen, die aus dem Gefängnis kommen, nicht automatisch schlechte Menschen sind. Viele sind ja auch eher zufällig im Knast gelandet.
G. | JVA Neumünster